Bernhard Peter
Opiumgewichte aus Birma

Geschichte und Verbreitung
Opiumgewichte stammen hauptsächlich aus Birma und Laos. Neben ihrer Verwendung als Gewichte wurden sie auch als Zahlungsmittel, als eine Art Primitivgeld, benutzt. In Lanna Thai (Nordthailand) wurden die Tiergewichte zwischen 1556 und 1750 eingeführt, als es von Birma unterworfen wurde, in Luang Prabang aus gleichem Anlaß vom 16. Jh. bis zur Mitte des 17. Jh. Laos wählte den Elefanten als Motiv für das Standardgewicht - Laos = Lane Xang, Lan Tschang, Land der Millionen Elefanten. Siam (Königreich von Ayutthaya, gegründet 1350) wurde 1564 von Birma für 15 Jahre besetzt, auch bei dieser Gelegenheit fanden die Tiergewichte weitere Verbreitung. 1767 wurde Ayutthaya endgültig besiegt und zerstört.
Die ersten Tierfiguren überhaupt kennt man aus der Pyu-Siedlung, Birma, ca. 100-400 n. Chr. Dargestellt sind Löwen und Enten, aber es ist ungewiß, ob diese frühen Figuren schon Gewichtsfunktion hatten. Die erste urkundliche Erwähnung der Tiergewichte findet man aus der Zeit König Kyanzithas von Bagan, man fand jedoch keine Belegstücke. Ein bedeutendes Manuskript des Verwalters Nandabahu von König Alaungpaya (1752-1760) beschreibt die Gewichte und typischen Formen ab dem 13. Jh. Ab dem 16. Jh. werden sie in den Berichten Asienreisender erwähnt. 1885 besetzten die Briten Mandalay und zwangen den letzten birmanischen König, Thibaw, zur Kapitulation. Danach wurden keine Bronzegewichte mehr gegossen. Die britische Verwaltung führte flache runde Eisengewichte ein. Inoffiziell wurden noch Anfang des 20. Jh. Tiergewichte für den privaten täglichen Gebrauch in Messing gegossen.


2x Toe oung

Herstellung
Opiumgewichte wurden prinzipiell nach dem Prinzip der verlorenen Form im Wachsausschmelzverfahren gefertigt. Ab dem 19. Jh. wurde das Wachsmodell in zwei Hälften in Bleimodeln geformt, dann zusammengesetzt und geglättet. Vor dem 19. Jh. wurde das Wachsmodell von Hand ohne Model geformt. Doch selbst die Formung mit Bleimodeln im 19. Jh. bewahrte die Individualität jeder Figur, da für jede die jeweilige Gußform neu geschaffen werden mußte. Bei größeren Gewichten wurde der Sockel separat geformt und erst am Schluß an die Wachsfigur angesetzt.

Material
16./ 17. Jh. - rötliche Bronze mit hohem Kupferanteil
spätes 17./ 18. Jh. - silbrige Bronze, Zinn vorherrschend
19. Jh. - Warmer Gelbton der Bronze setzt sich durch
1885 bis Anfang 20. Jh. - Messing
Die Zuordnung ist nicht eindeutig, da oft ältere Gewichte eingeschmolzen und umgegossen wurden.

Sockel
Sockellose Formen gibt es nur bei Schlangen, Drachen und Topfgewichten. Die frühesten Formen sind im Verhältnis zum Tier sehr große kürbisförmige Sockel, meist senkrecht gefurcht. Die Sockel wurden während des 17./ 18. Jh. immer flacher; Achteckform und waagerechte Profilierung setzten sich durch. Im ausgehenden 18. Jh. ließ die Profilierung merklich nach. Auch wenn es im 19. Jh. noch viele achteckige und sechseckige Typen gibt, dominiert der viereckige Sockel, der sich gegen Ende des Jahrhunderts gänzlich durchgesetzt zu haben scheint. Die früheren Formen zieren noch ornamentale Bänder, die späteren nur noch Linien.

Gewichtseinheiten
(Die ersten Einheiten konnten nur von Nats(Erdgeistern), Dämonen und Göttern wahrgenommen werden)

Das Tical war nicht konstant, wie folgende Bsp. belegen:

Eichgewichte wurden zu Beginn jeder Regierungszeit hergestellt und im Parlament aufbewahrt.

Gewichtssysteme

Die schwersten bekannten Elefanten haben ein Gewicht von 327 und 791 g, das entspricht 20 und 50 Tical. Bei Hinthas und Toes gab es auch bedeutend schwerere Gewichte.
Viele Gewichte sind diesen Systemen nicht zuzuordnen.

Standardisierung
Beim Abmessen des Wachses für das Modell wurden 10 Tical Wachs für 1 Viss Bronze gerechnet. War das Gewicht zu schwer, so wurde der Sockel abgeschliffen oder ausgehöhlt, war es zu leicht oder mußte es nachgeeicht werden, so wurden Metallfäden, Glasstückchen oder Bleiklumpen angebracht, häufig sieht man diese Bleiklumpen als Ergebnis einer Nacheichung zwischen den Füßen der Tiere.

Eichzeichen und Siegel
Bei Messinggewichten fehlen sie meist, da diese sowieso nach der Regentschaft des letzten Königs angefertigt wurden. Die älteste Form ist eine kleine, reliefartige Wiederholung des Tieres auf der Stirn- bzw. Rückseite des Sockels. Wenn zu beiden Seiten des Sockels Schriftzeichen angebracht sind, so ist das Stück Bago (Pegu) zuzuordnen. Alte Löwen, Toes, tragen die Miniatur oder Vertiefung nur an der Stirnseite. Spätere Eichmarken aus dem 18. Jh. geben nur noch den Umriß der Tiere wieder. Im 19. Jh. ist die Sternblume üblich mit vier Strahlen zu Anfang des Jahrhunderts, mit 5 oder 6 ab der Mitte des Jh. und mit 8 oder 9 zu Ende des Jahrhunderts. Angebracht wurde das Zeichen auf der Stirnseite oder auf dem ersten Feld links davon. Bei sehr raren Stücken befindet sich das Zeichen auf der Unterseite des Sockels.

Formgebung und Motive

Hintha: Ente. Sie ist als Motiv in Gebrauch seit dem 16. Jh. Die Ente entspricht der Brahmanengans Hamsa, die auch die Münzen des alten Pegu (Bago) zeigen. Im 18./ frühen 19. Jh. wurde sie dargestellt als schlafende Ente in einer gedrungenen, geduckten Form (auch Schwan genannt). Im 19. Jh. wurde sie besonders pompös gestaltet, auch die Henkel wurden dekorativer. Hinthas tragen manchmal einen Wurm, eine Perle oder einen Zweig im Schnabel.


3x Hintha, rechts sog. Schwan

Karaweik: Birmanischer Kranich. Langgestreckterer Körper, elegantere Form, langer Kopf und ebensolcher, nach unten gebogener Schnabel, vielfach gestuftes Gefieder.


Karaweik

Oft treten Mischformen zwischen Hintha und Karaweik auf, die keiner Spezies eindeutig zuzuordnen sind.

Toe, To: Löwe. Ein Toe ist ein Fabeltier der birmanischen Mythologie, das die Wälder des Himalaya bewohnte. Zeitweise war der Toe das Wappentier von Birma. Er hat das Gesicht eines Löwen, Hörner eines Rindes, Hufe und Schwanz eines Pferdes. Je nach besonders hervortretendem Merkmal unterscheidet man:


4x Toe myin

Weitere Motive sind: Elefanten, Wasserbüffel, Fische, Naga-Schlangen, Drachen, Pferde, Ratten, Affen, Tiger, Ziegenböcke und Hunde. Daneben gab es auch Gewichte ohne Tierfiguren, sog. Pagoden- und Trommelgewichte.

Nandabahu hat in seinem schon erwähnten Manuskript folgende Zuordnung aufgestellt:

Ob die Motive sich tatsächlich so exakt bestimmten Zeiträumen zuordnen lassen, oder ob damit mehr das Prinzip illustriert werden sollte, ist eine andere Frage. Es ist zwar davon auszugehen, daß von staatlicher Seite auf gewisse Regeln geachtet wurde, daß die Umsetzung derselben auf dem Lande mit erheblichen Verzögerungen einherging und vorhandene Gewichte jeweils noch um einiges länger benutzt wurden, ehe sie eingeschmolzen wurden oder ehe ein neuer Gewichtssatz angeschafft wurde. Vielleicht ist es zutreffender, insbesondere im ländlichen Bereich mehr von fließenden Übergängen und erheblichem Nebeneinander auszugehen.

Religiös-mythologische Bedeutung der Tiere
Das religiöse Denken ist geprägt von dem Glauben an die Verwandtschaft alles Lebendigen durch Wiedergeburt. So erlebt Vishnu seine 1. Reinkarnation als Fisch, seine zweite als Schildkröte, seine dritte als Eber, seine vierte als Mannlöwe und seine zehnte als Kalkin, als weißes Roß. Buddha, seine neunte Inkarnation, erlebte Wiedergeburten als weißer Hase und als weißer Elefant. Es existieren Gewichte in Form eines Elefanten, deren Stempel einen Hasen zeigt. Die Hintha entspricht der Hamsa der Hindu-Mythologie, der wilden Gans, die Brahma als Reittier diente. Die heilige Gans war Wappentier des Mon-Volkes. Sie repräsentiert die idealen Quellen von Reinheit und Güte. Der Löwe symbolisiert königliche Macht, er war Buddha Shakya muni zugeordnet und das Emblem des Shakya-Geschlechtes. Die Schlange gilt als heiliges Tier, spendete doch eine Kobra Buddha Schatten und rettete doch eine siebenköpfige Naga Buddha vor dem Monsunregen. Von einer Schlange zu träumen, gilt in Thailand heute noch als gutes Omen. Die Ratte ist das Reittier des elefantenköpfigen Gottes Ganesha. Der Drache ist ein Glückssymbol und übt Beschützerfunktion aus. Fische sind Fruchtbarkeitssymbole, desgleichen die Frösche, die aber nicht auf Opiumgewichten, sondern auf den Kycee-Regentrommeln auftauchen. Die Affen erhalten ihre Bedeutung durch Hanuman aus dem Ramayana-Epos. Der Stier Nandi ist das mythologische Reittier Shivas. Weiterhin gibt es sehr rare Gewichte, die den dreiköpfigen Elefanten Erewan zeigen, das Reittier des Gottes Indra; diese Gewichte stammen aus Laos.

Weiterführende Literatur:
Rolf und Ilse Braun, Opiumgewichte
Sylvia Fraser-Lu, Burmese Opium Weights, Arts of Asia Februar 1982, S. 73-81
Gear, From Earth to Heaven

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004 und 2005
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