Bernhard Peter
Bagan: Architektur der Kultbauten

Die Ebene von Bagan wird beherrscht von zwei Grundtypen: Zedi und Pahto. Zum einen, weil es die monumentalsten architektonischen Schöpfungen sind, zum andern, weil sie rein zahlenmäßig einen Großteil der Monumente ausmachen. Das darf natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Vergänglichkeit ihre Selektion getroffen hat - Wohn- und Palastgebäude, Profanbauten waren Holzkonstruktionen, die die Zeiten nicht überdauert haben.

Zedi, Pagode:
Groß-Stupa, Reliquienturm, in massiver Bauweise. Man kann ihn nicht betreten im Gegensatz zum Tempel. Ein Zedi hat eine Reliquienkammer und dient als Erinnerungsmal. Es handelt sich um eine meist kuppelförmige Struktur (Anda) auf einem mehrfach gestuften quadratischen oder achteckigen Unterbau. Die Spitze wird gekrönt von einem Schirm (Hti), meist aus drei Teilen, mit einer Kugel als Abschluß, welche die Erleuchtung symbolisiert. Davon gibt es vier Typen in Bagan:

Zedi, Typ 1: Aus der Pyu-Zeit, im 9. Jh., vor dem eigentlichen Reich Bagans, eigenwillige Formen (zwiebelförmig, eiförmig oder umgekehrt flaschenförmig wie ein tibetischer Tschörten). Bspe: Bu-paya, Nga-kywe-nadaung Paya

Zedi, Typ 2: Eigener birmanischer Stil: Terrassen gewinnen an Bedeutung: Serien von zurücktretenden Terrassen, eine weiterentwickelte Form hat 3-5 quadratische, jeweils zurückspringende Terrassen als Unterbau, die sich deutlich voneinander abheben (Pyramide). Die Kuppel (anda) wird glockenförmig. Der Sockel geht ohne deutlichen Absatz in die an der Basis glockenförmig aufgeweitete Anda über. Der Zedi wird oben abgeschlossen von mehreren Ringen, Gesimsen oder Wülsten (chattra). Der glockenförmige Anda kann auf halber Höhe von flach modellierten Ringen umgeben sein. Bspe: Shwe-zi-gon Pagode (3 Stockwerke der Pyramide), Mingala-zedi Pagode, Lawkananda, Shwe-san-daw (5 Stockwerke der Pyramide).

Zedi, Typ 3: Terrassen und Glockenform des Anda wie beim Typ 2. Oberer Abschluß des Zedi ist eine diskusförmige Scheibe als Harmika mit anschließendem zylindrischen und gerippten Aufsatz aus getrennten Scheiben. Bspe: Sein-nyet Nyima (auf dreistöckiger Pyramide).

Zedi, Typ 4: Quadratischer Aufsatz über der Kuppel (anda), die würfelförmige Harmika. Anda, Harmika und Ehrenschirme sind wieder deutlich voneinander abgesetzt. Kein Gesimskranz auf halber Höhe beim Anda. Runder, mehrstufiger Sockel ohne begehbare Terrassen. Kommt durch verstärkten Einfluß Sri Lankas (vgl. Einführung der orthodoxen singhalesischen Glaubenssekte Ende des 12. Jh., Reaktion der Orthodoxie auf die Übertreibungen der pyramidenförmigen Zedis). Sehr beliebt in der Spätphase Bagans. Bspe.: Sa-pa-da-Pagode in Nyaung U.

Pahto, Tempel:
Korridor-Tempel, quadratischer oder rechteckiger Bau, innen begehbar, oft mit mehreren miteinander verbundenen umlaufenden Gängen im Innern. Im Innern eine oder mehrere Buddhastatuen. Architektonische Vorbilder sind in Indien zu finden.

Es gibt hinsichtlich des Grundrisses zwei Haupttypen:

Je nach Zentrumsgestaltung unterscheidet man ferner:

Im Aufriß unterscheidet man

Je nach Bekrönung unterscheidet man:

Hinsichtlich der Gestaltung kann man verschiedene Baustile unterscheiden:

Weitere Kultbauten und Begriffe:

Weitere Charakteristika der Architektur Bagans:

Material: Ziegelstein, ursprünglich mit Stuck überzogen. Manche Stupas wurden dazu noch mit Lack überzogen und/oder vergoldet. Sandstein spielte im Baukörper selbst nur eine untergeordnete Rolle, evtl. zur Stabilisierung der Ecken (Bsp.: Nan-paya, Dhamma-yan-gyi), wohl aber bei den durchbrochenen Fenstern, bei Reliefs und Skulpturen.

Spitzbogen: Eine Besonderheit der Gewölbe in Bagan ist die Konstruktion aus strahlenförmig angeordneten, sehr kleinen Ziegeln, die aus ineinandergreifenden flachen Bögen bestehende Spitzbögen bilden. Damit unterscheidet sich die Architektur der Gewölbe deutlich von indischen Vorbildern, welche falsche Gewölbe aus Kragsteinen verwenden. Auch in China ist diese Bautechnik ohne Vorbild. Bsp.: Cella des Manuha-Tempels

Bauschmuck: Grober Stuck aus Sand und Kalk. Die auf das Mauerwerk aufgetragene, noch feuchte Masse wurde bearbeitet, vermutlich auch mit Modeln. Typisch für Bagan ist das Zusammenspiel aus glatten Flächen einerseits und Dekorbändern andererseits, die sich an Simsen, Pilastern und Sockeln entlangziehen und Tür- und Fensteröffnungen umrahmen. Von der Formensprache her ist große Vielfalt geboten: Florale Motive in stilisierter Form, geometrische Ornamente, figürliche Szenen, Dämonengesichter, phantasievolle Tierdarstellungen, Makara-Masken mit bogigen Perlenschnüren, die ihnen aus den Mäulern hängen. Typisch für Bagan ist ferner der Clec-Bogen, ein Zierrat von Giebeln z. B., aus einem Bogen mit nach oben gezogenen Enden bestehend, der mit lanzettförmigen oder besser flammenartigen Spitzen besetzt ist. Siehe meine Seite zur Ikonographie der Architektur!

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2004 und 2005
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