Bernhard Peter
Xuánkong Sì - bauliche Details

An den Gratenden der Dächer befinden sich in China häufig viele kleine Fabelwesen hintereinander. Diese kleine Prozession unterschiedlicher Länge wird seit der Ming-Zeit (1368 - 1644) gebräuchlich. Zwingend erscheinen immer die beiden äußeren Figuren, während die Anzahl der kleinen Keramikplastiken in der Mitte variabel ist und sich nach dem kultischen Rang und Status des Gebäudes richtet: Je höher der Rang, desto mehr Wesen sehen wir, und unter normalen Umständen sind 9 Zwischenfiguren das Maximum, also 11 Figuren mit der Anfangsfigur und dem Enddrachen. Die kultisch wichtigste Halle des Reiches, nämlich die Halle der Höchsten Harmonie in der Verbotenen Stadt, hat je 9+1 Zwischenfiguren, also insgesamt 12 Figuren an jeder Dachkante. Angeführt wird die Prozession von Prinz Min, einem menschlichen Wesen, das auf einer Henne reitet. Prinz Min von Qi (479-502 AD) war ein Feigling und Verräter, den das im Stich gelassene Volk zur Strafe an der Dachkante seines Palastes aufknüpfte, als sie sich seiner bemächtigt hatten. So fand er seine Position auf der Dachkante, auf ewig lächerlich gemacht. Hinter ihm ist als Abschluß der Prozession ein Drache, er bildet stets das Ende der Dachreiterreihe. Ausweglos ist die Lage des Prinzen Min, eine Henne wird ihn wohl kaum über den vor ihm liegenden Abgrund tragen, und hinter ihm ist die muntere Schar, die ihn verjagt. Die Zwischenfiguren sind Drachenkinder, Löwe, Phönix, Himmelspferd und andere Fabelwesen. Gemeinsam üben sie eine Schutzfunktion für das Haus aus, indem sie sinnbildlich das Böse vertreiben. Im vorliegenden Beispiel sehen wir nur zwei Drachenkinder, allerdings in der kaiserlichen Farbe Gold, die nur für die kaiserliche Residenz und für wichtige Tempel verwendet werden durfte. Andere Stellen des Klosters zeigen nur Prinz Min und den Drachen, ohne Drachenkinder dazwischen.

Klosterpforte

Literatur, Links und Quellen:
Dachreiter: Anke Kausch, China, DuMont Kunstreiseführer, 5. Auflage 2008, ISBN 978-3-7701-4313-9, S. 79.
Dachreiter:
http://www.axelsteinbach.de/links/text-dachreiter.htm
Dachreiter: Ernst Boerschmann, Chinesische Baukeramik, Berlin 1927
Dachreiter: Thilo Thomas, Klassische chinesische Baukunst, Zürich 1978
Dachreiter: Eduard Fuchs, Dachreiter, München 1927
Dachreiter: Heinz Zanger, Dachschmuck aus gebranntem Ton, Suderburg - Hösseringen 2002, ISBN 3-931824-05-5
Dachreiter: Dr. Rainald Simon, Chinesische Baukeramik: Dachreiter und Schmuckziegel, Museum für Kunsthandwerk, Frankfurt a.M. Kleine Hefte 23, 1984
Dachreiter: Eduard Fuchs,
Dachreiter und verwandte chinesische Keramik des XV. bis XVIII. Jahrhunderts, München, Albert Langen, 1924, ASIN: B002ZTR3HW.

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