Bernhard Peter
Die acht Städte und die Sultane von Delhi

Vorgeschichte:
Unter dem afghanischen Herrscher Mahmud von Ghazni (1001-1030 n. Chr.) kam es zu wiederholten Raubzügen in Nordindien. Sein riesiges Reich reichte vom Punjab bis zum Kaspischen Meer. Territoriale Ziele hatten seine Einfälle nicht, es lockte mehr die bequeme Beute in den fruchtbaren Ebenen. Nach Mahmud von Ghaznis Tod schwang sich Muhammad von Ghur zum Erben des Ghazni-Reiches auf. Er stammte aus der Dynastie der Ghuriden, die ihr Zentrum in der Stadt Ghur nördlich von Kabul hatten. Seine außenpolitischen Ziele waren im Gegensatz zu seinem Vorgänger auf Südostexpansion ausgerichtet. 1192 eroberte er Delhi und drang mit seiner Armee bis in die Gangesebene vor. Dabei wurden die letzten Zentren des Buddhismus in Nordindien zerstört, die Zeichen der Zeit standen auf Islamisierung, aber auf die Städte beschränkt. Auf dem Land blieb weiterhin der Hinduismus die vorherrschende Religion, so daß der Hinduismus auch in den Jahrhunderten islamischer Herrschaft nie unterging.

1159 erste Gründung von Delhi als Qila Raj Pithora, Zerstörung 1192, Wiederaufbau als Lal Kot 1193. Aus dieser Zeit stammen die ersten Bauwerke indo-islamischen Baustils: Die Moschee Qutb ul-Islam (Macht des Islams), fertiggestellt 1199, sowie das 73 Meter hohe Minarett Qutb Minar.

1. Die Sklavenkönige (Sklavendynastie)
Aybak Qutb ud-Dîn, König in Lahore 1206-1210

Der vom Sklaven zum General beförderte Aybak erweitert die islamische Herrschaft und macht sich zum 1206 Sultan von Delhi. Nach Muhammad von Ghurs Tod 1206 fühlte sich der Statthalter Delhis Qutb ud-Din Aybak, der ehemalige Sklave Muhammad von Ghurs, nicht mehr den Interessen des Ghuriden-Reiches verpflichtet. Mit dem Sultanat von Delhi gründete er die erste unabhängige islamische Dynastie Indiens. Qutb ud-Din Aybak selbst erhob keinen formellen Anspruch auf die Oberherrschaft.

Ârâm Shâh: 1210-1211
Iltutmish Shams ud-Dîn, Sultân in Delhi, 1211-1236

1211 wurde Iltutmish durch den Kalifen von Baghdad feierlich zum Sultan von Delhi ernannt und somit als Herrscher über Indien formell anerkannt. Er dehnte das Territorium des Sultanates vom Sind bis nach Bengalen aus.

Fîrûz Shâh I: 1236
Radiyya Begum Sultâna: 1236-1240
Bahrâm Shâh: 1240-1242
Mas'ûd Shâh: 1242-1246
Mahmud Shâh I: 1246-1266
Balaban Ulugh Khân: 1266-1287 (ein ehemaliger Palastwächter)
Kay Qubâdh: 1287-1290
Kayûmarth: 1290

2. Die Khaljîden / Khiljiden
Fîrûz Shâh II Khaljî: 1290-1296
Ibrâhîm Shâh I Qadïr Khân: 1296
Muhammad Shâh I 'Alî Garshâsp: 1296-1316

1303 wird Delhi zum zweiten Mal als Siri / Suri gegründet. Von Siri sind heute nur noch Grundmauern erhalten.

'Umar Shâh: 1316
Mubârak Shâh: 1316-1320
Khusraw Khân Barwârî: 1320

3. Die Tughluqiden
Ghiyas-ud-Din Tughluq Shâh I: 1320-1325

gründet Delhi 1321 zum dritten Mal als Tughluqabad. Das am besten erhaltene Relikt aus dieser Zeit ist das außerhalb liegende Mausoleum des Gründers Ghiyas-ud-Din Tughluqs. 

Muhammad Shâh II bin Tughluq: 1325-1351

gründet Delhi zum vierten Mal 1324/1325 als Jahanpanah / Jahanpath. Unter diesem Herrscher erreichte das Sultanat von Delhi seine größte Ausdehnung. Erfolgloser Versuch, die Hauptstadt in den Dekkan zu verlegen (Daulatabad = Devagiri). Das Reich wurde aber geschwächt, weil sich Muhammad finanziell übernahm. Mehrere Revolten erschütterten das Reich, Provinzen wurden wieder abtrünnig.

Fîrûz Shâh III: 1351-1388

Verlegte die Hauptstadt wieder nach Delhi, Gründung des fünften Delhi 1351-1354 als Firuzabad.

Tughluq Shâh II: 1388-1389
Abû Bakr Shâh: 1389-1391
Muhammad Shâh III: 1389-1394
Sikandar Shâh I: 1394
Mahmûd Shâh II: 1394-1395, 1401-1412
Nusrat Shâh: 1395-1399
Dawlat Khân Lôdî: 1412-1414

1398 plünderte der Timur Lenk (Tamerlan) Delhi unter dem Vorwand, das Sultanat zeige sich den Hindus gegenüber zu tolerant. Die Hindus wurden vertrieben aus der Stadt vertrieben oder getötet. Delhi versank für Jahre in Bedeutungslosigkeit.

4. Die Sayyiden
Khidr Khân: 1414-1421, ein Offizier des von Timur Lenk ernannten Gouverneurs von Multan und Lahore
Mubârak Shâh II: 1421-1434
Muhammad Shâh IV: 1434-1443
'Âlam Shâh: 1443-1451

5. Die Lôdî-Dynastie
Bahlûl: 1451-1489
Sikandar II Nizâm Khân: 1489-1517
Ibrâhîm II: 1517-1526

Im Jahre 1452 gelang der afghanischen Dynastie der Lodi noch einmal einen kleinen Aufschwung des Sultanates von Delhi. Die Hauptstadt des Sultanats wurde nach Agra verlegt. Sichtbares Relikt aus dieser Zeit sind in Delhi die berühmten Lodi-Gärten. Nach dem Einfall Timurs gelang es der Dynastie der Lodi aber nicht wieder, ein stabiles Großreich zu schaffen. Stattdessen gewannen die hinduistischen Regionalreiche wieder die Oberhand.

Moghul-Herrschaft 1526-1540
Unter Babur, dem Herrscher der turkstämmigen Moghulen in Kabul, begann 1526 die Eroberung Indiens. Im selben Jahr schlug Babur die Dynastie der Lodi und rief sich zum «Kaiser von Hindustan» aus. Damit war das Mogulreich begründet. Unter Akbar Shah (1542-1605) wurde die Hauptstadt zwischenzeitlich von Delhi nach Agra verlegt, schließlich aber wieder in Delhi etabliert.

6. Die Sûrî-Dynastie
Shîr Shâh Sûr, 1540-1545

Gründung des sechsten Delhi 1540 als Purana Qila. Es war eine Festung mit drei Toren. Aus dieser Zeit ist die Moschee Qala-i-Khuna innerhalb des Mauerrings von Purana Qila erhalten geblieben. Sie ist eine Verbindung der Architektur der Lodi-Dynastie mit der Baukunst der Moghuln.

Islâm Shâh Sûr: 1545-1554
Muhammad V Mubâriz Khân: 1554
Ibrâhîm III Khân: 1554-1555
Ahmad Khân Sikandar Shâh III: 1555

Danach fällt Delhi endgültig unter die Moghul-Herrschaft. Noch ein siebtes Mal wird Delhi neu erbaut: 1638 wird Schahjahanabad von Shah Jehan errichtet, das heutige Alt-Delhi. Die wichtigsten Bauten aus dieser Zeit sind das Lal Qila (Rotes Fort) und die Jami Masjid (Freitagsmoschee).

Alle anderen Gründungen liegen östlich am Fluß Yamuna und südlich von Neu-Delhi, der achten Stadtgründung als Metropole des "Empire of the East". Das Interesse der britischen Besatzung galt zuerst den wichtigen Handels- und Hafenstädten. Das änderte sich mit dem Sepoy-Aufstand. Danach wurde die Macht der Moghuln vernichtet. Der letzte Mogulherrscher mußte nach Birma ins Exil gehen. Mit seinem Tod 1862 endete die Linie der Mogulherrscher, die Nordindien und insbesondere Delhi während mehrerer Jahrhunderte geprägt hatte. Die Macht in Delhi übernahmen die Briten. Sie machten es symbolisch zur neuen Hauptstadt eines Kolonialreiches, das nun ohne jeden Rest eines Anscheins von Selbständigkeit unter ihrer direkten Kontrolle und Verwaltung stand und der Willkürherrschaft über 70 Jahre lang hilflos ausgeliefert war. Die Grundsteinlegung für die neue Hauptstadt Neu-Delhi erfolgte im Jahre 1911. Neu Delhi mit seinen breiten, hexagonal angeordneten Strassen, großräumig-symmetrischen Planungen und den monumentalen Regierungsbauten hat symbolträchtigen Charakter und wurde bewußt als Kontrapunkt zum alten Delhi angelegt.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2005
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