Dieter
Seifert
Wayang-Kulit-Figuren
aus Indonesien
Figuren-Datenbank: Cakil (Buta)
Mythologie:
Buta Cakil (oder Gendir Penjalin) ist ein glückloser Dämon mit
dem Rang eines Tumenggung, der als großmäuliger Feigling
auftritt. Ein solcher unter den Menschen wird auf Java
umgangssprachlich auch als Cakil bezeichnet. Buta
Cakil ist ein Raksasa und ein Buta, typologisch ein Dämon und
ein Riese, hat aber keine Riesen-Größe, sondern normale
Größe. Die Haltung seiner Hände ist aber Riesen-typisch. Butas
(wörtlich blind sein) sind die Oger oder Dämonen,
die im Universum Chaos anrichten. Im Wayang hingegen übernehmen
sie oft die Rolle von Trotteln, die das Publikum zum Lachen
bringen. Buta ist KEIN Titel, dient nur der
Einordnung der Figur. Weitere Namen für Cakil sind Ditya Kala
Carang Aking, Kala Klantang Mimis und Ditya Kala Plenthong.
Buta Cakil hat nur einen spitzen Fangzahn (Cakil = Stift,
Eckzahn, daher der Spottname), gebärdet sich wortreich und
mutig, ist aber blindwütig und verliert jede Auseinandersetzung.
Er ist ein Draufgänger, redet mehr als er denkt, und
entsprechend mißlingt alles, was er anpackt. Buta Cakil ist
wendig, flink und eloquent. Wenn es Streit gibt, ist er als
Erster dabei, und dann ist er entweder auch der erste, der
wegrennt, oder derjenige, der sich eine blutige Nase holt. Und
wenn es kompliziert wird, kann er Freund und Feind nicht mehr
unterscheidet und teilt in blinder Panik gegen alle aus, denn es
geht ihm nur um seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse, und er
strebt stets nach dem Sieg, egal, wer alles dabei
draufgeht.
Bei den Wayang-Aufführungen hat er keine feste Rolle, sondern er
wird eingesetzt, wenn der Dalang gerade seinen Charakter braucht
oder einbauen will, um der Erzählung eine entsprechende Note
geben will. Nur der Ausgang ist immer gleich: Das Großmaul, das
niemals aufgibt und immer bis zum letzten Blutstropfen kämpft,
findet stets den Tod durch seinen eigenen Kris.
Buta Cakil taucht typischerweise in einer Kampfszene namens
Perang kembang (Blumenkrieg), zwischen ritterlichen
Edlen und anderen Butas auf, zusammen mit Buta Rambut Geni, Buta
Endog und mit dem nervigen Vielfraß Buta Terong. In jedem
Riesenkönigreich gibt es einen Buta Cakil, der im Wald lebt und
durchziehende Edle ausrauben will oder die Ruhe der Brahmanen in
ihren Einsiedeleien stören will. Und jedesmal geht Buta Cakil am
Ende dabei drauf, zur Befriedigung der Zuschauer, denn er
symbolisiert die Gier nach Auseinandersetzung und die Streitlust,
zutiefst unsoziales Verhalten, womit er anderen Menschen mit
edlen Zielen gehörig auf den Keks geht, so daß es immer wieder
eine große Befriedigung ist, wenn der notorische Störenfried
und Aufmischer am Ende den Tod findet und mit ihm symbolisch die
nervigen Eigenschaften ausgelöscht werden (wenn es denn nur auch
im wahren Leben so einfach wäre
). Buta Cakil gibt es nur
im javanischen Wayang Kulit; sie kommt in den indischen
Itihasa-Büchern (Ramayana und Mahabharata) nicht vor.
Obwohl er der Theorie nach nur einen einzigen Eckzahn hat, gibt
es sowohl im Wayang Kulit als auch im Wayang Topeng genügend
Beispiele, die ihn mit zwei Fangzähnen ausstatten.
Darstellerisch ist der Eckzahn typisch und eine sichere
Identifizierung. Manchmal ist der Unterkiefer etwas länger,
damit der Zahn richtig Platz nach oben hat. Buta Cakil blickt
geradeaus, hat schmale Augen. Sein Gesicht ist prinzipiell ein
Riesengesicht, aber mit niedrigem, schmalen Kopf und einem
kleinen Bart. Die Handhaltung ist Riesen-typisch. Er wird meist
mit zwei Krisen dargestellt, einen hat er hinten an der Hüfte,
den anderen hat er vorne in der Kleidung eingesteckt, alternativ
dort ein Haumesser. Diese doppelte Bewaffnung unterstreicht, wie
locker bei ihm das Messer sitzt. Und die Art und
Weise, den zweiten Kris bzw. das Haumesser vorne zu tragen, gilt
als wenig höflich Anderen gegenüber, sie unterstreicht die
Respektlosigkeit dieser Figur anderen Figuren gegenüber. Deshalb
begegnen die anderen Charaktere Buta Cakil auch immer mit
Mißtrauen, und es erfüllt die Zuschauer stets mit Genugtuung,
wenn ihm sein zweiter Kris stibitzt wird und er durch seine
eigene Waffe den Tod findet. Seine Kleidung besteht aus einem
Tuch (Selendang), das er als Kalung ulur-ulur um den Hals
geschlungen hat, sowie einem gekräuselten Tuch über der
Schulter.
Literatur,
Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo:
Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen,
Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13:
978-3950321470, S. 82
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava,
Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren
selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN
10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 141-142
Cakil (Buta) in den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden: https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/3909910
Cakil = Demang Malang Sumirang im British Museum, London: https://www.britishmuseum.org/collection/object/A_As1859-1228-546
Cakil auf Doc.wayang.io: https://doc.wayang.io/chapter-one/wayang-cakil
Buta Cakil: https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/01/cakil.html
Buta Cakil in der Wikipedia: https://id.wikipedia.org/wiki/Cakil - https://jv.wikipedia.org/wiki/Cakil
National Heritage Board:
https://www.roots.gov.sg/Collection-Landing/listing/1074112 - https://www.roots.gov.sg/Collection-landing/listing/1079442
Museum of International Folk Art: https://collection.internationalfolkart.org/objects/24749/buta-cakil-wanda-bathang
Übersicht über die Charaktere des Wayang Kulit
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