Bernhard Peter
Wayang-Kulit-Figuren aus Indonesien


Figuren-Datenbank: Sri (Dewi)

Mythologie: Abstammung
Dewi Sri, seltener als Betari Sri bezeichnet, hat ihre Wurzeln in der indischen Göttin Lakshmi. Deshalb sind seltenere Alias-Namen im Indonesischen Sri Laksmi oder Laksmita(wah). Der Name „Sri“ stammt aus dem Sanskrit und bedeutet Wohlstand, Reichtum, Gesundheit, Schönheit, Glück. Er ist auch ein anderer Name für die hinduistische Göttin Lakshmi.

Einerseits ist Dewi Sri die Tochter von Sang Hyang Wimaka, auf Götterebene, und die Enkelin von Pancaresi. Auf Menschenebene ist Dewi Sri die Tochter von König Mahapunggung (Sri Mahapunggung) im Königreich Medangkamulan, und von Dewi Danawati oder Dewi Darmanastiti. Besagter König Sri Mahapunggung ist der Titel von Betara Srigati, dem Sohn von Sang Hyang Wisnu und Dewi Sri Sekar bzw. Sri Widowati, die nach Arcapada herabstieg, um die Welt zu bewahren.

Verbannung
Dieser König hat von seiner zweiten Frau einen jüngeren Sohn namens Raden Sadana, der nach seinem Vater die Thronfolge antreten soll. Doch als dieser verheiratet werden soll, lehnt er die Wahl seines Vaters ab. Dieser verjagt ihn daraufhin, der Undankbare soll nicht mehr Thronfolger sein. Statt seiner folgt seine Schwester Sri ihrem Vater nach. Sri und Sadana hatten noch zwei jüngere Geschwister, Wandu und Oya.

Von dieser Geschichte gibt es noch eine zweite Version: Dewi Sri galt als sehr schön; sie schlug offensichtlich nach schließlich ihrer Großmutter Betari Sri Widowati. Kalandaru vom Königreich Medang Kumwung hielt bei ihrem Vater um die Hand von Sri an, damit sie die Frau von König Pulagra werde. König Sri Mahapunggung sagte “ja”, aber Sri sagte “nein” und wurde deshalb selber verbannt. 

In einer dritten Version war der wahre Grund für die jeweiligen Weigerungen, daß sich Halbschwester und Halbbruder ineinander verliebt hatten und deshalb alle anderen Optionen ausschlugen und deswegen beide verbannt wurden, erst der Halbbruder, dann die Halbschwester.

Reiskult und Reisgöttin
Was auch immer davon zutrifft, Dewi Sri, die als großzügig, freundlich, geduldig und weise gilt, sucht jedenfalls ihren Halbbruder, mit dem sie von klein auf sehr eng war, und erwirbt dabei im Dorf Medang Tamtu sehr tiefgehende Kenntnisse über den Reisanbau. Deshalb wird sie auch überall auf Java, Bali, Lombok und Sulawesi als Reisgöttin verehrt, mit besonderer Bedeutung als Beschützerin der Reispflanzen, Göttin der Fruchtbarkeit und Göttin des Wohlstands. Da sie ein Symbol des Reisanbaus ist, gilt sie auch als Mutter des Lebens, denn Reis ist nun mal die Lebensgrundlage. Sie wird oft mit Reispflanzen und Reisschlangen in Verbindung gebracht.

Hier in diesem Dorf, wo sie Reis anbaute, spürte sie der oben genannte Kalandaru auf und versuchte, sie zu entführen, damit sie doch noch Gattin seines Königs der Riesen werde. Hier taucht Sadana auf und rettet sie und den Bauern, bei dem sie arbeitet, und er tötet Kalandaru. Auf der Reise wird sie sogar zeitweilig in eine Schlange verwandelt, als Ular Sawah. Und sie wird in wieder einer anderen Version der Geschichte von dem Riesen Kalagumarang/Karungkala verfolgt.

Dewi Sri bildet sogar zusammen mit ihrem Halbbruder Sadana eine Doppel-Ackerbau-Gottheit als Sri-Sadana, wobei Sri für den Reis zuständig ist und Sadana für die anderen Feldfrüchte wie Knollen, Kartoffeln, Gemüse und Obst. In den klassischen Reisanbauregionen Indonesiens wird diese Göttin sehr verehrt. Der Pura Beji in Sangsit in Nord-Bali ist beispielsweise Dewi Sri als Göttin der Landwirtschaft geweiht. Zahlreiche Schreine in den Feldern dienen ihrer Verehrung.

Inkarnationen
Als ob diese doppelte Abstammung nicht schon kompliziert genug wäre, gilt Dewi Sri auch noch als Wiedergeburt von Dewi Pertiwi, so sehr, daß manchmal nicht zwischen beiden unterschieden wird. Und sie selber inkarniert ebenfalls mehrfach, so als Dewi Citrawati, als Dewi Widawati, als Dewi Sumbadra und als Dewi Sinta, das sind alles Wiedergeburten von Dewi Sri. Sowohl Sri als auch Sadana sind zudem beide Inkarnationen und Nachkommen von Wisnu und Dewi Sri Widowati, das ist eine hochkomplizierte Abstammung voller Inkarnationen und fiktiver Genealogien. Es gibt wie immer viele Versionen der Mythologie, die nicht unbedingt deckungsgleich und logisch sind.

Heirat und Nachkommen
Dewi Sri wurde schließlich in den Himmel aufgenommen und heiratete Sang Hyang Wisnu (auch in der klassischen indischen Mythologie ist sie die Frau von Vishnu) und hat als Kinder Bambang Srigati, Dewi Sri Unon, Dewi Sri Mendang und Bambang Srijadi.

Darstellung der Figur:
Typischerweise wird Dewi Sri als kleine Figur mit gesenktem Kopf dargestellt, mit einem Haarknoten (Sanggul), der mit einer Blütenborte eingefaßt ist. Was nicht in den Haarknoten eingebunden ist, fällt als glattes, langes Haar die Schultern entlang (langes Haar als Zeichen ihres jugendlichen Alters). Der Körper ist golden, die Gesichtsfarbe weiß oder golden (edler Charakter).

Literatur, Links und Quellen:
Thomas Moog, Hardjowirogo: Java - Wayang Kulit, Göttliche Schatten: 1300 Namen, Mackinger-Verlag, 2013, 301 S., ISBN-10: 3950321470, ISBN-13: 978-3950321470, S. 250
Christiane Franke-Benn: Schattenspielfiguren aus Mitteljava, Versuch und Anleitung, die Individualität einzelner Figuren selbst zu bestimmen, Verlag: Harrassowitz, Wiesbaden 1981, ISBN 10: 3447022051, ISBN 13: 9783447022057, S. 79
Sri (Gottheit) in der Digital Wayang Encyclopedia:
https://villaorlado.github.io/wayangnetworks/html/characterPages/Sri.html 
Sri, Dewi Sri, Museum Folkwang Sammlung Online:
https://sammlung-online.museum-folkwang.de:443/eMP/eMuseumPlus?service=ExternalInterface&module=collection&objectId=12631&viewType=detailView
Artikel auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Dewi_Sri - https://id.wikipedia.org/wiki/Dewi_Sri
Dewi Sri:
https://tokohpewayanganjawa.blogspot.com/2014/06/sri.html


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