Bernhard Peter
Hikone (Präf. Shiga), Burg Hikone-jo, Teil (1): Beschreibung und Geschichte


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Hikone ist gut mit der Eisenbahn erreichbar; der Bahnhof JR Hikone wird von der Biwako Line und von der Tokaido-Sanyo Line bedient. Vom Hauptbahnhof Kyoto aus braucht man ca. 50 min. Wer es eiliger hat, nimmt den Tokaido-Sanyo Shinkansen in Richtung Tokyo bis Maibara, also ein Stückchen weiter, und fährt mit dem Lokalzug in Richtung Aboshi zurück bis JR Hikone, je nach Uhrzeit kann das eine Viertelstunde Zeit einsparen. Vom Bahnhof Hikone geht man einfach in nordwestlicher Richtung gerade die Hauptstraße entlang und stößt nach 550 m unweigerlich auf das Burgareal. Man stößt in gerader Linie nach Überqueren der letzten Querstraße auf ein Schreingelände, das des Shiga-ken-gokoku-Schreines, das umgeht man linkerhand und kommt zur ersten Brücke über den mittleren Wassergraben.

Burg Hikone ist eine der besten und authentischsten Burgen Japans. Hier sieht man hervorragend erhaltene, originale Bausubstanz. Die Burg besitzt einen der ganz wenigen erhaltenen Haupttürme, einen von insgesamt nur zwölf, und einen der schönsten. Nur 5 der 12 Burgen mit erhaltenem Hauptturm sind als Nationalschatz gelistet, neben Hikone sind das Himeji, Matsumoto, Matsue und Inuyama. Die Gesamtanlage ist eine hochinteressante Kombination aus Befestigungen im Flachland und solchen, die geschickt die Topographie des zentralen Hügels ausnutzen. Der bewaldete Hügel bietet schöne Natur mitten in der Stadt. Oben angekommen, hat man einen herrlichen Blick über die Stadt und den Biwa-See, denn der Hauptturm ist nur 900 m vom Ufer entfernt. Zu Füßen des Burghügels hat man im Stile eines alten Palastes ein modernes Museum gebaut, dessen Exponate für sich schon die Anreise lohnen. Alles zusammen ergibt ein absolut lohnendes Ziel. Natürlich ist die Burg bekannt und wird auch besucht, vorrangig von Japanern, aber das Gelände ist weitläufig genug, um ein paar Touristen zu vertragen, und wenn man vom Hauptturm aus nordwärts die Wallanlagen hinunter zu den Gärten oder die ganze Runde um den Hügel herum im Norden geht, ist man für sich alleine. Es ist überhaupt kein Vergleich zu dem Massentourismus an anderen Orten. Nur bei der Besichtigung des Hauptturmes mit seinen Engstellen können sich schon mal Schlangen vor dessen Eingang bilden, insbesondere an Wochenenden, in der Goldenen Woche etc. Wer sich für japanische Burgen interessiert, sollte Hikone unbedingt auf seinen Reiseplan setzen. Die Stadt Hikone und das Kultusministerium Japans bemühen sich seit 1992 um Anerkennung der Burg als Weltkulturerbe.

Das Ticketbüro liegt an der Stelle des Omote-mon. Der Eintritt für das Museum alleine liegt bei 500 Yen, bei Sonderausstellungen mehr. Ein Kombinationsticket, das neben der Burg auch den Garten Genkyu-en einschließt kostet 800 Yen. Der Garten alleine kostet 200 Yen. Alle drei zusammen schlagen mit 1200 Yen zu Buche. Saisonale Abweichungen zu jahreszeitlichen Höhepunkten sind üblich. Ein zweites Tickethäuschen steht am Omotemon, ein drittes am Kuromon.


Geschichte und Bedeutung
Das Lehen Hikone (Hikone Han) war seit der Schaffung unverändert in den Händen einer einzigen Familie, der Familie Ii. Der erste Daimyo des im Jahre 1600 gebildeten Lehens war Ii Naomasa, und auf ihn folgten 15 weitere Daimyo aus der gleichen Familie, bis zur Auflösung des Feudalstaates im Jahre 1871. Vor dem Bahnhof der Stadt empfängt bereits die Statue von Ii Naomasa (1561-1602) den Besucher. Er war einer der vier großen Generäle von Tokugawa Ieyasu, denen dieser seine größten militärischen Erfolge verdankte. Diese vier werden Tokugawa-shitennou genannt, die vier "Himmelskönige" der Tokugawa-Dynastie, also die Beschützer des zukünftigen Shoguns. Neben dem hier relevanten Helden waren die anderen drei Honda Tadakatsu (1548-1610), Sakakibara Yasumasa (1548-1606) und Sakai Tadatsugu (1527-1596). Die Familie, die zu den Fudai-Daimyo gehörte, also Parteigänger und Erbvasallen der Familie Tokugawa vor der Schlacht von Sekigahara und damit zu den verläßlicheren Vasallen, blüht weiterhin, auch heute noch. Das Lehen Hikone war relativ groß und einträglich, wobei der jährliche Ertrag zwischen 180000 Koku zu Anfang und 300000 Koku zu besten Zeiten schwankte. Als der Feudalstaat aufgelöst wurde, warf Hikone 200000 Koku ab.

Statue von Ii Naomasa (1561-1602), erster Herr von Hikone, im Hintergrund der Bahnhof von Hikone

Ii Naomasa, der seit 1570 im Dienste von Tokugawa Ieyasu stand, war mit dessen Adoptivtochter verheiratet. Er nahm 1590 an der Belagerung von Odawara teil. Zunächst bekam er das Lehen Takasaki mit der Burg Minowa. In der Schlacht von Sekigahara im Jahre 1600 hatte er Shimazu Yoshihiro besiegt. Seine Loyalität war unzweifelhaft, und deshalb bekam er nun dieses neu geschaffene Lehen Hikone am Biwa-See, an einer strategisch wichtigen Stelle in der Nähe des Nakasendo, nach dem Tokaido die wichtigste Verbindungsroute zwischen Kyoto und Edo. Der Nakasendo verlief u. a. über die Stationen Toriimoto-juku und Takamiya-juku in Hikone. Die Burg konnte auch die in den Nordwesten führende Route Hokurikudo kontrollieren. Außerdem hatten beide Straßen hier eine Anbindung an den Bootsverkehr auf dem Biwa-See. Das damit strategisch wichtige Lehen Hikone in der Provinz Omi umfaßte Hikone, Maibara, Nagahama und Taga. Das Lehen brachte damals 180000 Koku ein.

Zuerst hatte die Familie Ii ihren Feudalsitz in der Burg Sawayama. Das war eine kleine Bergfestung am Rande des heutigen Hikone im Osten der heutigen Burg, jenseits der Eisenbahnlinie auf dem bewaldeten Hügelzug, eine Burg, die von der Familie Azai erbaut worden war. Nachdem die Azai 1570 in der Schlacht von Anegawa von Oda Nobunaga besiegt worden waren, und Azai Nagamasa 1573 Seppuku beging, kam die Burg an Ishida Mitsunari. Nach Sekigahara eroberte Kobayakawa Hideaki die von Ishida Masazumi und Ishida Masatsugu verteidigte Burg, und der für Tokugawa Ieyasu kämpfende General Ii Naomasa (4.3.1561-24.3.1602) nahm die Burg in Besitz.

Ii Naomasa wurde nie richtig warm mit Burg Sawayama, zum einen war sie klein und militärisch altmodisch, zum anderen war es die Burg des Verlierers von Sekigahara, Ishida Mitsunari, und die stetige Erinnerung an diesen war höchst unwillkommen. Seine Pläne zum Neubau einer eigenen Burg konnte er nicht mehr selber verwirklichen, weil er vor Beginn der Bauarbeiten verstarb. Bei der Schlacht von Sekigahara, heute Präfektur Gifu, war Ii Naomasa durch einen Musketenschuß verwundet worden, und diese Verletzung führte letztlich zu seinem verfrühten Tod 1602. Seine rote Rüstung ist im Museum ausgestellt, und Rot war die Farbe seiner Krieger.

Ii Naomasa hatte mit Tobai-in einen Sohn, Ii Naokatsu. Dieser folgte ihm 1602 als ältester Sohn auf dem Lehen Hikone nach. Da er bei dem Tod des Vaters noch ein zwölfjähriges Kind war, entschied der oberste seiner Gefolgsleute, Kimata Morikatsu, zusammen mit Tokugawa Ieyasu, daß die neue Burg gebaut wird. Denn die neue Befestigung war ein Projekt von nationalem Interesse, und eine starke Burg sollte einerseits die Hauptstadt Kyoto vor Angreifern aus dem Nordosten schützen und andererseits verbliebenen Parteigängern der westlichen Allianz und damit potentiellen Rebellen die Lust nehmen, hier vorzudringen. Die neue Burg wurde viel größer geplant als alles, was bisher in der Gegend existierte. Der zentrale Hügel Hikone-yama bildete den Kernbereich, und drei Wassergräbern umgeben den Hügel in konzentrischen Ringen, der innerste oval (Uchi-bori), der mittlere ziemlich rechteckig mit getreppten Kanten (Naka-bori), und der äußere fast rechteckig (Soto-bori). Alle drei Wassergräben mündeten jeweils in der Bucht des Biwa-Sees. Von diesem dreifachen Wassergraben haben sich aber nur die beiden inneren Gräben erhalten, der äußere ist von der modernen Stadt überbaut und nicht mehr nachzuvollziehen.

Man ließ Burg Sawayama weitestgehend zerstören und das Baumaterial für die neue Burg Hikone weiterverwenden, die man ab 1603 erbauen ließ. An der Stelle, an der die neue Burg erbaut wurde, stand früher einmal ein populärer Tempel, in dem eine Kannon verehrt wurde, der um 720 gegründete und 1080 errichtete Hogon-ji. Wegen der Ausschlachtung des Baumaterials gibt es an der Stelle der einstigen Burg Sawayama nichts mehr zu sehen außer einer Erinnerungs-Stele. Aber auch die ehemalige Burg Otsu wurde ausgeschlachtet, von dort kam das Baumaterial für den Hauptturm, der dort 1575 errichtet worden war. Und auch Burg Nagahama wurde ausgeschlachtet und lieferte andere Bauteile. Aus der Burg Nagahama soll der Tenbin Yagura stammen. Baumaterial für die neue Burg kam auch von den in den Bergen gelegenen Burgen Odani und Kannonji, alle in der Provinz Shiga. Aus der Burg Odani soll z. B. der dreistöckige Eckwachturm des Nishi-no-maru stammen, das war angeblich der ehemalige Hauptturm von Odani-jo (zur Beweislage siehe unten). Man baute alte kleine Burgen ab, um eine moderne, große Hauptburg zu errichten. Die nicht mehr zeitgemäßen, ungünstig gelegenen, fortifikatorisch schlechteren, nicht ausbaufähigen und kleineren Anlagen wurden ausgeschlachtet, um eine bessere, stärkere und größere Anlage in kurzer Zeit fertigstellen zu können. Da die Gebäude der typischen japanischen Burg aus zwei ganz verschiedenen Strukturen bestehen, den steinverkleideten Wällen einerseits und den hölzernen Aufbauten andererseits, sind im Grunde nur die Wälle ortsfest. Die Aufbauten wurden in einem für uns unvorstellbarem Maße hin- und hertransportiert, wie man es gerade brauchte. Es war völlig normal, ganze Haupttürme zwischen den Burgen auszutauschen, auch über größere Entfernungen. Das ging nur, weil alles Steckverbindungen ohne Nägel waren und weil das Material leicht war. Außerdem erging zu Beginn der Edo-Zeit der Erlaß, daß jedes Lehen nur eine Burg haben solle. Zur Stärkung dieser einen Burg, die nur noch erlaubt war, wurden eben die anderen Burgen im Lehen ausgeweidet. Und der Feudalsitz konnte 1606 nach Vollendung der neuen Burg offiziell nach Hikone verlegt werden. Die Gesamtanlage mit den Außenwerken wurde aber erst 1622 fertiggestellt.

Ii Naokatsu (= Ii Naotsugu, 1590-24.8.1662) war mit einer Tochter von Torii Tadamasa und mit einer Tochter von Nakazima Shinzaemon verheiratet. Auf dem Lehen Hikone folgte ihm aber sein Halbbruder Ii Naotaka als dritter Daimyo nach. Der Grund war, daß sich Naokatsu geweigert hatte, an der Belagerung von Osaka 1614-1615 und der Vernichtung der Familie Toyotomi teilzunehmen. Das Verhältnis zum Shogun bekam dadurch einen Riß, und nach dem Sieg in Osaka wurde er 1615 gegen seinen fast gleichaltrigen Halbbruder Ii Naotaka als Familienoberhaupt und Lehensinhaber ausgetauscht, der statt seiner in Osaka mitgefochten hatte und sich in der Schlacht beim Tenno-ji durch Tapferkeit ausgezeichnet hatte. Der abgelöste Naokatsu gründete einen neuen Familienzweig im Lehen Annaka (heute in der Präfektur Gunma), einem kleinen Lehen von 30000 Koku Einkommen im Jahr, aber nach zwei Generationen wurde dieser Familienzweig wieder auf andere Lehen versetzt.  In Hikone setzte Ii Naotaka (16.3.1590-16.8.1659) durch Heirat mit Akihime, der Tochter von Hachisuka Iemasa, die Familie fort und vollendete die Anlage der Burg bis 1622. Die ganze Edo-Zeit hindurch blieb die Familie dem Tokugawa-Shogunat eng verbunden

Nach Naotaka folgte als vierter Daimyo von Hikone sein Sohn Ii Naozumi (1625-1676), dann folgten aufeinander Ii Naooki, Ii Naomichi, Ii Naotsune, Ii Naoharu (= Ii Naomori), Ii Naonobu, Ii Naosada, Ii Naoyoshi, noch einmal Ii Naosada für eine zweite Amtszeit, Ii Naohide, Ii Naonaka, Ii Naoaki, Ii Naosuke und schließlich Ii Naonori. Vier dieser Daimyo dienten als Tairo (Tairou), ein Rang ähnlich einem Regenten, der dem höchsten administrativen und judikativen Gremium wichtigster Ratgeber vorstand und an wichtigen Entscheidungen teilhatte. Ii Naotaka war der erste Tairo, nachdem dieses Amt 1632 erneut geschaffen wurde, nachdem es zuvor 1598-1600 einen solchen Rat der fünf Regenten gegeben hatte. Anfangs gab es mehrere Tairo, später nur noch einen. Für die Ii-Familie war das ein absoluter Vertrauensbeweis.

Burg Hikone wurde nach ihrer Fertigstellung nie belagert oder angegriffen. Sie diente, obwohl eine voll verteidigungsbereite Befestigung, dem Daimyo des Lehens Hikone primär als Symbol der Autorität und Landesherrschaft. 1767 brach ein Feuer in einigen Yagura der Außenanlagen des Schlosses aus, das einige der Gebäude schwer beschädigte. Ansonsten fanden auch keine größeren baulichen Maßnahmen bis auf Reparaturen oder Erweiterung der Palastanlagen am Fuße des Hügels statt. Der Daimyo selbst lebte im Palast am Fuße des Burghügels. In der Mitte des 19. Jh. wurde Hikone berühmt für die 1829 erfundene Koto-yaki-Keramik, und 1842 stieg die Familie Ii selbst in die Produktion ein. 1854 wurde der Tenbin-Yagura umfangreich repariert. Einer der bedeutendsten Daimyos des 19. Jh. war Ii Naosuke, dessen bronzene Statue in der Nähe des Wassergrabens steht. Auch er war Tairo, und er favorisierte die Öffnung Japans und den Abschluß von Handelsverträgen mit ausländischen Mächten und er spielte eine wichtige Rolle bei der Entscheidung in dieser Hauptfrage jener Zeit zugunsten der Öffnung. Deswegen wurde er 1860 von radikal-isolationistischen Samurai aus Mito ermordet.

Der Tod der japanischen Burgen kam in der Meiji-Zeit, einerseits mit der Abschaffung des Feudalsystems 1871, andererseits mit der absichtlichen systematischen Zerstörung ab 1868 ff. Die Familie Ii folgte dem kaiserlichen Befehl und zog nach Tokyo um, wo der Kaiser seine Adelsfamilien besser unter Kontrolle halten wollte. Traditionell gehörten die Burgen den Daimyos, die dem Shogun als ihrem obersten Dienstherrn loyal und treu ergeben waren, und die Familie Ii hatte eine besonders enge Verbindung zur Tokugawa-Familie. Mit der Wiederherstellung der kaiserlichen Macht und der Abschaffung des Shogunats waren dem Kaiser die Burgen als Machtbasis des Adels und damit mittelbar des Shoguns ein Dorn im Auge, und er befahl die Zerstörung. Auch für Hikone erging ein Abrißbefehl. Nach 1868 wurde bereits ein dreistöckiger Turm im Yamazaki Guruwa abgerissen. Auch der Tsukimi Yagura auf dem höchsten Punkt des Honmaru wurde abgerissen, ebenso viele andere Gebäude im Honmaru. 1874 wurde die Burg gänzlich aufgegeben. Daß einige historische Aufbauten von Hikone überlebt haben, liegt nur daran, daß der Kaiser 1878, kurz nach dem Abrißbefehl, die Gegend bereist hat und auf guten Rat hin intervenierte, damit die Zerstörung aufgehalten und der Rest von Burg Hikone erhalten blieb. Dadurch wurde Hikone von dem Befehl zum vollständigen Zerstören der Burgen ausgenommen, und wir verdanken dem den Erhalt einer der besten und schönsten Burgen des Landes. 1894 kam Burg Hikone an Ii Naonori, den letzten Burgherrn der Familie. Die Familie Ii gab die Burg 1944 an die 7 Jahre zuvor gegründete Stadt Hikone. Das Gebiet der Keyaki-Residenz wurde zu einer Gartenanlage. 1957-1960 wurde der Hauptturm restauriert. Die Residenz Omote Goten wurde 1985-1987 mit einer Gesamtfläche von 4851 m2 rekonstruiert und als Museum eingerichtet. Diese Residenz enthält sogar eine Noh-Bühne, die original aus der Edo-Zeit stammt. 2007 konnte der 400ste Geburtstag der Burg gefeiert werden.


Rundgang und Beschreibung: Aufbau der Burg
Das System aus Wassergräben ist noch gut nachvollziehbar. Die Burganlage ist eine Kombination aus Höhenburg auf dem zentralen, langgezogenen Hügel, und Flachlandanlage für die Außenbereiche (Typ Hirayama-jiro). Am mittleren Wassergraben gemessen ist die Anlage 960 m tief und 820 m breit. Die kürzeste Strecke zwischen mittlerem Wassergraben und Biwa-See mißt nur 430 m. Früher, also zur Bauzeit, war das Seeufer noch näher, und die Burg reichte mit dem westlichen Zipfel des zentralen Hügelzuges in eine Bucht des Biwa-Sees hinein; erst später ist diese Stelle zunehmend verlandet und durch Schwemm-Material aufgefüllt worden. Heute quert an der Nordspitze des Grabensystems ein kleines Wehr die Verbindung zu dem äußeren Grabenteil, der eine direkte Verbindung zum See hat, weil der Wasserspiegel von See und Wassergraben unterschiedlich hoch ist. Auch zwischen innerem und mittlerem Wassergraben gibt es an der Nordspitze des Zentralbereiches westlich des Yamazaki-tei ein Wehr, auch deren Wasserspiegel ist nicht gleich hoch. Deshalb erscheint die Nordwestecke der Gesamtanlage auch heute in der Verteidigungstechnik nicht ganz nachvollziehbar und wirkt unplausibel, denn früher war hier offenes Wasser. Weil der mittlere Wassergraben im flachen Bereich liegt, ist er gerade und knickt an den Ecken rechtwinklig ab. Die Westecke besitzt zwei Versätze. An der Ostecke geht der Wassergraben diagonal im Zickzack nach Norden und schneidet eine Halbinsel ab, die vom Nordostteil des äußeren Wassergrabens nicht vollständig umfaßt wird. Dieser mittlere Wassergraben ist am Zugang an der Südostseite 40 m breit, an den anderen Seiten zwischen 34 und 46 m. Der innere Wassergraben hingegen folgt dem tropfenförmigen Umriß des zentralen Hügels. An der Nordecke haben innerer (Uchibori) und mittlerer Wassergraben (Naka-bori) eigentlich eine Verbindung, die aber heute durch das oben erwähnte Wehr unterbrochen ist. Der Bereich zwischen den beiden Wassergräben, der Ni-no-maru (zweiter Kreis) wird heute vielfältig genutzt: Im südlichen Bereich dieses Insel-Zwischenstücks liegen ein Baseball-Feld, die Hikone Higashi High School und das städtische Gerichtsgebäude. Im westlichen Bereich liegen Parkplätze, Sportplätze, Wohnviertel und die Hikoneshi Ritsunishi Junior High School. Auf der anderen Seite im nordöstlichen Teil liegen einerseits Sportplätze für Baseball, Fußball und Tennis, andererseits befinden sich hier ganz idyllische Bereiche mit dem Garten Genkyu-en und dem Palast Rakuraku-en. In diesem Bereich lag früher eines der besten Ryokan-Hotels der Gegend, seit ein paar Jahren aber geschlossen. Früher lag hier die Keyaki-Residenz (Keyaki-Goten), von der aber das meiste wieder abgerissen worden ist. Die Nordspitze dieser Halbinsel wird vom Hikone-shi Konki-Park gebildet. Der zentrale Hügel des inneren Bereiches besteht aus einer Aneinanderfügung mehrerer Verteidigungseinheiten, ist also vom Typ Renkaku-shiki. Im äußersten und zweitäußersten Bereich haben sich einige wenige historische Gebäude der ehemaligen Burgstadt erhalten; ansonsten hat die moderne Stadt das Gelände erobert. Der rasterartige Straßenverlauf zeichnet aber noch die Struktur der alten Burgstadt Joka-machi nach.


Rundgang und Beschreibung: außerhalb des Ninomaru
Wenn man sich vom Bahnhof der Burganlage nähert, stößt man am Shigaken-gokoku-Schrein, der den Kriegstoten der Provinz Shiga gewidmet ist, auf den mittleren Wassergraben (Naka-bori). Früher war es der zweitäußerste Wassergraben, es gab noch einen weiteren noch weiter außen, der aber heute verschwunden ist. Wo dieser mittlere Graben rechtwinklig abknickt, überspannt eine erste, moderne Straßenbrücke den Wassergraben. Die Straße wird von Kiefern gesäumt, Iroha-matsu genannt. Iroha ist der Name eines alten japanischen Alphabets, das 47 Zeichen hatte. Weil es genau 47 Kiefern waren, bekamen sie diesen Namen. Diese Kiefern stammen aus Tosa (Shikoku, Kochi) und werden auch Tosa-Matsu genannt. Sie entwickeln keine über den Erdboden herausragenden Wurzeln und bilden daher keine Stolperfallen auf den Wegen. Natürlich gab es in Zeiten, als Burg Hikone eine militärische Bedeutung hatte, keinerlei Bäume entlang des Wassergrabens, um Angreifern keine Deckung zu bieten.

In der Nähe dieser Kiefern steht ein Steinmonument mit einem Gedicht, das hatte Ii Naosuke über ein von Kano Eigaku angefertigtes Portrait von ihm geschrieben, das dem Tempel Seiryo-ji in Hikone gegeben wurde. In diesem Gedicht vergleicht der Schreiber die gegen die Felsen des Ufers immer wieder neu anbrandenden Wellen des Biwa-Sees mit den aufeinanderfolgenden Wellen von Problemen, mit denen Ii Naosuke als Regent (Tairo) zu kämpfen hatte. Ii Naosuke (29.11.1815-24.3.1860) wurde wenige Monate später beim Sakuradamon-Zwischenfall (Sakurada-mon-gai-no-hen) von Aktivisten der gegen das Tokugawa-Shogunat agierenden Sonnou-joui-Bewegung, wegen der Unterzeichnung des Harris-Vertrages gegen den Willen des Kaisers, am Sakurada-Tor der Burg Edo ermordet. Eine bronzene Statue erinnert an ihn.

Nordöstlich des Shiga-ken-gokoku-Schreines befindet sich die Residenz Umoregi-no-ya, in der Ii Naosuke seine jungen Jahre verbrachte. Er wurde 1815 im Keyaki Goten geboren und hatte zunächst keine Aussicht auf Erbe des Lehens. Im Alter von 17-32 Jahren lebte er im Gebäude Umoregi-no-ya am Wassergraben der Burg Hikone, wo er verschiedene Künste studierte, Cha-do, Ikebana, Kampfkünste, Zen, Waka-Dichtkunst, Kokugaku (alte Literatur), Noh kyo-gen (Theaterspiel) etc. Sein Haus nannte er Umoregi, eine Allegorie auf sein Dasein als Adelssproß ohne Aussicht auf Erbfolge. Denn er verfaßte ein Waka-Gedicht: Yononaka-wo Yosoni Mitsutsu-mo Umoregi-no Umore-te Oramu kokoro-naki Miwa - auch wenn ich ein einfaches Leben als Eremit führe und nur aus den Augenwinkeln auf die Welt blicke, wurde mein Geist nicht begraben, sondern ich werde mich schulen und vollständig meine Persönlichkeit entwickeln. Im Alter von 36 Jahren wurde er dennoch Daimyo des Lehens Hikone, durch den Tod seines Bruders Ii Naomoto, mit bekanntem Ausgang. Die restaurierte Residenz kann manchmal besichtigt werden, allerdings kann man nur in die Räume hineinsehen, sie aber nicht betreten. In diesem Haus gibt es auch einen Teeraum, den Jyuro-ken.

Dort, wo der mittlere Wassergraben einen weiteren Knick macht, steht noch ein weiteres historisches Gebäude, das Kyuu ikeda yashiki nagayamon, ein Tor vom Typ Nagaya-mon, das in die alte Samurai-Residenz der Familie Ikeda führte (kyuu = alt, yashiki = Samurai-Residenz).

Ein zweites Tor dieser Art kann man sehen, wenn man am Shigaken-gokoku-Schrein nicht geradeaus die Kiefernreihe entlang zur Burg geht, sondern dem Wassergraben nach links folgt, am Kindergarten St. Joseph vorbei kommt man zum Kyuu suzuki yashiki nagayamon, dem Nagaya-mon der alten Residenz der Familie Suzuki.

Es gibt hinter dem nächsten Knick des Wallgrabens noch eine zweite Brücke, die auf den Ninomaru führt, das ist die Kyo-bashi, die in Verlängerung der von Südwesten heranführenden Straße liegt, der Yume-kyobashi kyassuru kuchi ichi do, und zur Hikone Higashi High School führt. Diese Straße ist eine Hauptgeschäftsstraße mit vielen historischen Gebäuden, Tempeln, Geschäften und Restaurants. Natürlich kann man den Ninomaru auch über diese Kyo-bashi betreten, jenseits der Brücke befindet sich ein Tor vom Masugata-Typ, das Kyo-bashi-guchi-mon.


Rundgang und Beschreibung: der Ninomaru und seine Gebäude
Auf der anderen Seite des Grabens stehen die ersten historischen Gebäude entlang des Wassers. Hoch über den Steinwällen verläuft rechts des Straßendurchbruchs ein gedeckter Wehrkorridor entlang der Wallkante; an beiden Enden steht ein zweistöckiger Wachturm (Yagura). Die Straße folgt dem alten Torweg und knickt zweimal ab, denn der Wehrkorridor auf der linken Seite knickt erst einwärts und dann erneut rechtwinklig ab, um einen kleinen Zwingerbereich zu schaffen. Dahinter betritt man den Ni-no-maru (zweiter Kreis), nicht zu verwechseln mit dem Nishi-no-maru des inneren Bereiches. Rechts des Torweges steht der zweistöckige Wachturm des Ninomaru Sawaguchi-Tamon-Yagura, der ursprünglich aus dem Jahr 1622 stammt. 1960 wurde der rechte Teil umfassend saniert, wobei einige Partien ersetzt werden mußten; so ist der Turm ganz rechts eine Replik mit einem Betonkern. Anlaß für die Sanierung war das 100ste Todestag von Ii Naosuke im Jahr 1960. An den beiden Längsseiten besitzt der Turm beim Torweg jeweils ein Zwischendach, auf der dem Torweg zugewandten Längsseite auf jeder Ebene zwei vertikal gestäbte Fenster. Als Tamon Yagura bezeichnet man langgestreckte Wehrkorridore, also Verteidigungsaufbauten, die sich über einen ganzen Wallabschnitt wie ein Korridor erstrecken. Diese Gebäude sitzen rittlings dem Wall auf, außen wachsen sie absatzlos aus der steinernen Außenhaut empor, innen ist die Steinverkleidung des Walles getreppt. Im rechten Teil befindet sich das Kaikoku-Kinenkan-Museum, in dem auch ein großes Modell der Burg Hikone zu Anfang der Edo-Zeit steht (Photos s. u.).

Der Teil links des Torweges ist als wichtiges Kulturgut eingestuft, stammt aber aus der Zeit 1769-1771, als die von 1622 stammenden Bauten dort nach einem Feuer im Jahr 1767 erneuert wurden. Dieser linke Teil besitzt am linken, südlichen Ende einen integrierten, zweistöckigen Wachturm. Der linke Teil des Ninomaru-Sawaguchi Tamon Yagura wurde 2008 für Publikum geöffnet, dabei wurde an den südlichen zweistöckigen Turm eine moderne Außentreppe angebaut; mittlerweile (2017, 2023) ist sie wieder verschwunden, und weder Turm noch Korridor können besichtigt werden.

Der Sawaguchi genannte Eingang in den Ni-no-maru besaß früher noch zwei Einbauten: Vorne an der Brücke stand ein leichtes Tor vom Typ Korai-mon, und rechts um die Ecke stand ein starkes Yagura-mon mit Verteidigungseinrichtungen im Obergeschoß im rechten Winkel dazu, einen klassischen Masugata-Zwinger bildend, was ein so geschütztes Tor sehr widerstandsfähig gegen Eindringlinge macht. Durch den Graben und das leichte Hindernis des Korai-mon kann der Feind nicht in breiter Front eindringen, und der Zwinger bildet einen Kessel, in dem Eindringlinge von drei Seiten aus beschossen werden können, und das starke Hindernis des zweiten Tores ist rechtwinklig gedreht, so daß der Angriff nicht von außen unterstützt werden kann, weil das Tor selbst nicht im Schußbereich von außen liegt, so daß die Eindringlinge auf sich alleine gestellt sind. Vom zurückspringenden Teil des Ninomaru-Sawaguchi Tamon Yagura aus öffnen sich mehrere vertikal mit Stäben verschlossene Fenster zur Masugata-Fläche, um den Eindringling wirkungsvoll unter Beschuß nehmen zu können, wobei die Gitterstäbe ein Hochklettern und Eindringen verhindern, und genau so müssen wir uns das Obergeschoß des heute fehlenden Yagura-mon vorstellen.

Rückseitig grenzt an die Masugata des Sawaguchi ein aus zwei Flügeln bestehendes, L-förmiges Gebäude an, das früher noch ein wenig länger war und bis zur Omote-mon-Brücke reichte. Das sind die historischen Pferdeställe (Umaya, Uma = Pferd). Hikone ist die einzige Burg, die noch intakt erhaltene Pferdeställe dieser Größe besitzt, deswegen sind sie auch als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Der einzige Eingang liegt im westlichen Flügel, ansonsten ist das Gebäude zur Straße hin fensterlos bis auf einen einzigen, wie ein Erker gestalteter Ausguck rechts des Durchganges. Das Dach ist vom Kokera-buki-Typ. Das Gebäude kann frei besichtigt werden. Hier standen einst permanent 21 Pferde des Daimyo in den hölzernen, zum Gang hin offenen Boxen. Eine halbe Zwischendecke über dem Gang sorgte für Lagerungsplatz für Heu und Stroh. Die Pferde-Bediensteten, die sich um die Tiere kümmerten und auch dem Daimyo bei seinen Ausritten zur Seite standen, werden als Uma-yaku bezeichnet. Nur auf der Ostseite, wo der Stall an den Tamon Yagura angrenzt, befand sich ein Tatami-Matten-Raum. Die Endziegel des Dachfirstes tragen das Ii-Wappen, eine geometrische Figur aus zwei Vertikalen und zwei Horizontalen mit jeweils überstehenden Enden, etwa wie ein gerades "Doppelkreuz"-Zeichen oder Lattenkreuz. Das gleiche kann man an den End-Ziegeln des Ninomaru Sawaguchi-Tamon-Yagura beobachten. Und wir sehen es im Museum z. B. auf einer roten Fahne. Ansonsten führt die Familie Ii das Kamon mit einem Zweig der Tachibana (einer Zitrusfruchtart).

Eine Kirschbaumreihe begleitet den Weg grabenseitig zur nächsten Brücke. Eine Steintafel sagt aus, daß Burg Hikone zu den Omi Hakkei gehört, zu den acht Ansichten des Landes Omi im Frühling, eine der Variationen der klassischen acht Ansichten des Biwa-Sees, von denen es eine Vielzahl von Hiroshige und anderen Künstlern gibt. Die leicht gebogene Omote-mon-Brücke kennzeichnet den Übergang vom Ni-no-maru zum inneren Bereich.

Doch Halt - es gibt, bevor wir die Brücke zum inneren Bereich überschreiten, weiter links noch zwei Sehenswürdigkeiten im Ninomaru-Bereich. Wenn wir im Uhrzeigersinn 270 m dem Grabenverlauf folgen, an der Hikone Higashi High School vorbei, passiert man erst die Überreste der Wakiya-Residenz (Karo waki kaoku shikiato) mit einem langgestreckten Gebäude mit schräggegittertem plastisch hervortretenden Fugenmuster im unteren Teil der Wand, und dann kommt man kurz vor dem städtischen Gerichtsgebäude in der Nähe der Brücke Kyo-bashi zu einem langgestreckten, einstöckigen historischen Bauwerk, dem Kyuu Saigo yashiki nagayamon, dem Nagaya-mon der Samurai-Residenz der Familie Saigo (kyuu = alt, yashiki = Samurai-Residenz). Ein Nagaya-mon ist ein langgestrecktes Gebäude mit mehreren Räumen unter einem durchgehenden Dach, bei dem eine Einheit als Tor dient. Beiderseits des Tores ist ein hölzerner vergitterter Ausguck angebracht; es ist ein exquisites historisches Beispiel dieses Tortypes, wie er typisch für Samurai-Residenzen ist. Wie in anderen Burgen auch befanden sich in Hikone die Samurai-Residenzen im dritten und im zweiten Bereich, wobei die im zweiten Bereich besonders wichtigen Gefolgsleuten vorbehalten waren. Der innerste Bereich war hingegen für den Daimyo selbst reserviert. Wo jemand wohnte, war damit Ausdruck seiner sozialen Stellung. Je höher der Rang war, desto weniger Wassergräben waren zwischen ihm und seinem Daimyo. Insgesamt können wir also in der ehemaligen Burgstadt vier Tore dieses Typs sehen, ebenso vielen ehemaligen Samurai-Residenzen entsprechend, zwei im Ninomaru, zwei außerhalb im ehemaligen Sannomaru (s. o.).

Von diesem letztgenannten Nagayamon sind es nur ein paar Schritte zum Kyo-bashi-guchi-mon, die Wälle des einstigen Masugata-Tores sind noch vorhanden, und die Straße windet sich S-förmig hindurch. Auch hier stand früher außen zum Wassergraben hin ein leichtes Tor vom Typ eines Korai-mon, und rechtwinklig dazu den Walleneden aufsitzend ein schweres Watari-yagura-mon, mit dem Tordurchlaß unten und einem Wehrkorridor oben. Die beiden anderen Wallabschnitte ohne Durchlaß trugen früher einstöckige Tamon-yagura. Die dem Wassergraben bzw. dem Masugata-Zwinger zugewandten Wälle sind nur auf der Feindseite fast vertikal mit Ishigaki verkleidet, auf der Innenseite sind sie auf ganzer Breite mit Stufen versehen. Über diese "Gangi" genannten Stufen konnten die Verteidiger auf ganzer Breite zur Wallkrone hinauflaufen.


Rundgang und Beschreibung: der zentrale Bereich und der Omote-Palast
Den Kern der Anlage bildet der tropfenförmige Hügel. Der ihn umgebende innere Wassergraben (Uchibori) läßt nur wenig Platz zwischen Graben und steilem Hang. An der Nord- und an der Ostseite wurde früher an der Innenseite des Wassergrabens eine Wehrmauer entlanggeführt, im Norden ist sie größtenteils erhalten, heute sieht man aber rechts und links der Omote-mon-Brücke nur noch die Wälle. Nur das Omote-mon hat noch die mit Ishigaki verkleideten Wälle, auf denen früher die Tamon-yagura und das Watari-yagura-mon aufsaßen. Im Nordwesten bildet eine starke umwallte Verteidigungseinheit den Abschluß. Im Süden hingegen genügte ein Erdwall zur Verteidigung; die Steinreihen sind niedrig. An der Längsseite des Hügels im Westen befanden sich früher Lagerhäuser für Reis. Das ist das Gelände im Westen des Hügels zwischen zwei schräg den hang hinunter laufenden Mauern, wo sich das Gelände etwas aufweitet. Diese Reisspeicher enthielten nicht nur die Verpflegung für den Belagerungsfall, das war vor allem das Einkommen der Lehensinhaber, das in Koku gemessen wurde, was einer festgesetzten Reismenge entsprach. Insgesamt gab es hier früher 17 Reisspeicherhäuser für insgesamt 50000 koku. Heute erstreckt sich hier auf dem 7400 m" großen Gelände eine Anpflanzung von Pflaumenbäumen (Ume) mit ca. 450 weiß oder rosafarben blühenden Bäumen, die den Bereich in der zweiten Märzhälfte in ein Meer aus Blüten tauchen. Diese Bäume wurden angepflanzt, um zu feiern, daß Burg Hikone 1950 zu einem der 100 besten Plätze für Sightseeing in Japan gewählt wurde. Hier gibt es ein interessantes Detail: Zwei hochgemauerte und zum Wasser hin vorspringende Steinwälle flankieren eine Treppe zum Wasser, vermutlich war das ein Warenanlandeplatz für Boote, die den Reis brachten. Denn der Reis wurde über den Biwa-See herangeschafft, in Booten über den Matsubara-Inland-See bis zu diesem Uzumi-mon gebracht und dann hier eingelagert. Im Norden und im Süden dieses gut abriegelbaren Bereichs gab es Tore und Wachhäuser, immerhin wurde hier das Jahreseinkommen des Lehens gelagert, ein beträchtlicher Wert.

Die größte Freifläche befindet sich im Osten, wo der Wassergraben weiter ausgreift und mit seinem rechten Winkel eine rechteckige Fläche bildet, die vom Palast eingenommen wird. Die umwallten Bereiche oben auf dem Hügel sind zu klein für einen flächenmäßig ausgedehnten Palast, hier schuf man den Platz für den Omote-Goten, den Vorderseiten-Palast. Seit 1987 ist er aus Anlaß der 50-Jahr-Feier der Stadt Hikone (der bisherige Cho Hikone wurde am 11.2.1937 durch Zusammenschluß mit einigen Dörfern zur Stadt = Shi) wiederaufgebaut und innen als modernes Museum gestaltet. Der Besuch ist sehr lohnend; ausgestellt werden sehr viele Kunstgegenstände aus dem Besitz der Ii-Familie, Rüstungen (familientypisch rot) und Helme, Schwerter und Schwertklingen, Schwertschmuck, andere Waffen, lackverzierte Reitersättel und Steigbügel, historische Musikinstrumente für die Gagaku-Musik, Kimonos, Masken für das Noh-Theater, Stellschirme und viele andere Kulturgüter. Der berühmte Hikone Byoubu (Nationalschatz) wird jeweils nur für ein paar Wochen im April und Mai ausgestellt. Die Edo-zeitliche Noh-Bühne, die einzige originale Architektur des Palastes, wird auch für Aufführungen im Frühjahr und im Herbst genutzt. Im Palastbereich werden ferner die persönlichen Wohnräume des Daimyos nachempfunden, darunter befindet sich auch ein Teeraum.

Der Palastbereich liegt zwischen den beiden wichtigsten Toren im Osten, dem Omote-mon, dem Vordertor im Südosten, und dem Ura-mon, dem Hintertor im Norden. Im Süden des Hügels gab es ein weiteres Tor, das Ote-mon (Haupttor) mit der Brücke Otemon-bashi. Ein viertes Tor lag noch ganz im Nordwesten, das Yamazaki-mon (auch: Yamazaki-guchi), das führte in den Bereich ganz im Westen am Fuß des Hügels. Es ist ein einfaches zweiflügeliges Holztor, das man sehen kann, wenn man auf dem Rundweg um die Nordspitze des Hügels läuft, jenseits der den Hügel herablaufenden nordwestlichen Schrägmauer. Und ein fünftes Tor, das Kuro-mon (Schwarzes Tor), regelte den Übergang in den Bereich, in dem sich früher die Keyaki-Residenz (Keyaki-Goten) befand und wo heute die Residenz Rakuraku-en und der Garten liegen.


Rundgang und Beschreibung: östliche Verteidigungseinheiten und Tore
Das schmale und langgezogene Plateau des Gipfels ist in mehrere separat umwallte Bereiche unterteilt, insgesamt fünf von Osten nach Westen. Zwischen dem westlichsten und den drei mittleren befindet sich ein breiter Trockengraben, ebenso zwischen dem östlichsten und den drei mittleren. Ganz im Osten liegt der Kane-no-maru (wörtlich: Glocken-Kreis), in dem sich der Palast Goshuden befand. Dieser Bereich wird durch den großen Trockengraben vom Rest der Burg abgetrennt, in den die Aufgänge sowohl vom Omote-mon im Westen als auch vom Ote-mon im Süden münden, also Omote-zaka und Ote-zaka. Wer ins Innere der Burg will, muß erst vom Trockengraben, der von zwei gegenüberliegenden Seiten aus beschossen werden kann und noch zusätzlich von der Brücke aus, hoch auf den Kane-no-maru, weil dort die Brücke über den Graben ihren Anfang nimmt. Diese Brücke war früher nicht so offen wie heute, sondern wie ein geschlossener Korridor gestaltet mit Dach und Wehröffnungen an der Seite, so daß sie von den Verteidigern benutzt werden konnte, um aus der Luft Eindringlinge unter sich im Graben bekämpfen zu können. Deshalb wurde die Brücke gemäß ihres früheren Aussehens auch Roka-bashi genannt, Korridor-Brücke. Und falls der Feind es bis auf den Kane-no-maru geschafft haben sollte, konnte man die Brücke leicht zum Einsturz bringen (Otoshi-bashi), was jede Eroberungsabsicht jäh zum Erliegen brachte.

So ein Graben wird O-hori-kiri oder auch Kara-bori genannt, kara = trocken, bori = Graben, im Gegensatz zum wassergefüllten Graben, dem Mizu-bori. Da hier der Weg des Ote-zaka durch den Graben führt, spricht man von einem Hori uchi michi, einer innen im Graben liegenden Straße.

Die zweite umwallte Einheit ist diejenige, die man nach Überqueren des Trockengrabens (O-hori-kiri) über die Brücke erreicht, das ist der Taiko-maru (wörtlich: Trommel-Kreis). Zum Graben hin wird dieser Bereich durch den mächtigen, die ganze Breite einnehmenden Tenbin-yagura (Waage-Verteidigungsaufbau) mit dem Waage-Tor in der Mitte und zweistöckigen Wachtürmen an den beiden Ecken (Niju-yagura) verteidigt. Das Element trägt diesen Namen, weil es in seiner Symmetrie mit den beiden endständigen Türmen, dem balkenförmigen Wehraufbau dazwischen und dem "Loch" in der Mitte entfernt an eine Kaufmannswaage mit zwei Lasten im Gleichgewicht erinnert, oder an eine auf die Schulter gelegte Stange mit zwei Lasten an den beiden Enden. Die beiden endständigen Türme sind ähnlich, aber nicht identisch - was allein schon am Dach augenfällig wird, denn die Hauptfirste sind um 90° gegeneinander verdreht. Die Konstruktion des Tores zeigt, daß in der Mitte früher der Brückenkorridor angesetzt war. Zu beiden Seiten der Ansatzstelle befindet sich ein rechteckiges, mit vertikalen Gitterstäben verschlossenes Fenster. Das Tenbin-yagura, das ursprünglich aus Toyotomi Hideyoshis Burg Nagahama kommen und dort als Otemon gedient haben soll, ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Das Mauerwerk der Wälle rechts und links der Brücke ist unterschiedlich: Die rechte Hälfte besitzt weitgehend natürliche, nur an der Sichtfläche behauene Steine (Stil: Uchikomi hagizumi oder auch Gobozumi) mit kleinen Steinen in den Lücken; die linke Hälfte besitzt glatter behauene Blöcke, wenige Füllsteine und ein diagonal dominiertes Fugenmuster (Stil: Otoshizumi). Die Steine verkeilen sich durch ihr eigenes Gewicht sehr gut ineinander. Das liegt daran, daß diese Stelle 1854 repariert wurde und die Steine in einer neuen Technik zusammengefügt wurden.

Exkurs: Wie unmöglich es war, gegen den Willen der Besatzung eine solche Stelle zu passieren, wie vielfältig man von allen Seiten bedroht werden kann, ist cineastisch schön umgesetzt in der Verfilmung des Romans und Weltbestsellers "Shogun" von James Clavell als vierteilige Fernsehserie, als der Pilot Blackthorne den Daimyo "Toranaga" aus der Burg "Osaka" herausführt, ersterer in wildem Tanz die Samurai von "Ishido" ablenkend, "Toranaga" in der Sänfte verborgen: Genau diese Szene wurde hier in der Burg Hikone am Treppenweg zwischen dem Taiko-mon und dem östlichen Trockengraben mit seiner Brücke gedreht. Am Chosho-an tauschten die Personen in der Sänfte schnell ihren Platz. Am Tenbin yagura mon kommt es zum Abfangen durch "Ishido", der seinen Brief persönlich übergeben will. Der wilde Tanz führt über die Brücke, und dann vom Kane-no-maru hinunter in den Tockengraben und auf den Anfang des Weges zum Otemon. Und noch schwieriger als das Herauskommen dürfte das Hineinkommen gewesen sein. Diese Geschichte hat übrigens reale historische Personen zum Vorbild: Toyotomi Hideyoshi (1536-1598) ist als Taiko bzw. als Nakamura verarbeitet, sein minderjähriger Sohn Toyotomi Hideyori (1593-1615) als Yaemon, seine Mutter Yodo-dono (1569-1615) als Dame Ochiba, Ishida Mitsunari (1561-1600) als Ishido Kazunari, Tokugawa Ieyasu (1543-1616) als Yoshi Toranaga. Seine Söhne Tokugawa Hidetada (1579-1632) und Takeda Nobuyoshi (1583-1603) tragen im Roman die Namen Yoshi Sudara und Yoshi Naga. Und hinter Blackthorne = Anjin-san verbirgt sich William Adams (1564-1620). Toda Mariko hat Hosokawa Gracia (1563-1600) zum Vorbild, die dritte Tochter von Akechi Mitsuhide (1528-1582, im Roman: Akechi Jinsai), der Oda Nobunaga (1534-1582, im Roman: Goroda) verriet und zum Seppuku zwang. Ihr Verwandter Hosokawa Fujitaka (1534-1610) wird als Toda Hiro-matsu umgesetzt. Sein Sohn Hosokawa Tadaoki (1563-1646) tritt in Gestalt des Buntaro auf. Und Hosokawa Tadatoshi (1586-1641) wird als Toda Saruji umgesetzt. Auch die anderen Regenten haben historische Vorbilder, hinter Onoshi steckt Otani Yoshitsugu (1558-1600), hinter Harima steckt Arima Harunobu (1567-1612), hinter Kiyama verbirgt sich Konishi Yukinaga (1555-1600), Vorbild für Sugiyama war Maeda Toshiie (1539-1599), und Zataki hat sein Vorbild in Matsudaira Sadakatsu (1560-1624). Nur - im Drehort Hikone waren die historischen Vorbilder alle nicht, dennoch eignet sich diese extrem schwer zu überwindende Stelle in ihrer Dreidimensionalität für die Verfilmung dieser Szene optimal.

Hinter dem Tenbin-yagura führt der Weg mit unregelmäßigen, breiten, auch versetzt diagonal geschnittenen Stufen weiter bergan, rechterhand begleitet von den Wallmauern der höchstgelegenen Einheit. Ein kleines Teehaus, das Chosho-an, steht am Wegrand. Es erinnert daran, daß Ii Naosuke eine Teeschule gegründet hatte. Hier kann man für 500 Yen eine Tasse grünen Tees mit einer Süßigkeit bekommen. Bevor das Gebäude zum Teehaus umfunktioniert wurde, war hier die Stube des für die Glocke zuständigen Bediensteten, denn linkerhand des Weges steht auf einem hohen Steinsockel ein Holzgestell mit einer 1844 gegossenen Glocke, mit der die Zeit geschlagen wurde. Auch heute noch wird sie fünfmal täglich im Dreistundenintervall angeschlagen, um Punkt 6, 9, 12, 15 und 18 Uhr. Der Glockenturm (dieser Glockenstuhl heißt Jiho-sho) stand früher auf dem Kane-no-maru, erst Ii Naoaki ließ ihn 1844 hierhin versetzen, näher zum Hauptturm als vorher. Deshalb steht heute der Glocken-Turm heute nicht auf dem Glocken-Wallkreis, sondern auf dem Trommel-Wallkreis, die Trommel fehlt und der Glocken-Wallkreis ist ohne Instrument.

Wenn man den Stufenweg hinaufgegangen ist, erreicht man den nächsten Verteidigungsriegel. Das ist der Taiko-mon-yagura (wichtiges Kulturgut) mit dem darin eingebauten Tor, dem Taiko-mon (Trommel-Tor), und mit dem Tsuzuki-yagura (wichtiges Kulturgut) daneben. Beide stammen aus Momoyama-Zeit und wurden aus einer anderen Burg hierher versetzt. Das Taiko-mon, das seinen Namen nach einer einst hier aufgestellten Signaltrommel trägt, die die Übermittlung von Befehlen über das weitläufige Burggelände erlaubte, ist der Vordereingang in den Kernbereich der Burg. Linkerhand konnte man einen natürlichen Felsen nutzen. Die Konstruktion ist einzigartig, weil die Rückseite des Obergeschosses eine offene Galerie mit Geländer angebracht ist. Nach vorne zur Feindseite gibt es Fenster mit vertikalen Gitterstäben (musha-mado). Im Obergeschoß des Tores befindet sich eine Ausstellung mit Photos japanischer Burgen und mit einem Modell der Burg Hikone. In diesem Raum blickt man auf den offenen hölzernen Dachstuhl des Tores.


Rundgang und Beschreibung: innerer Bereich, Honmaru
Danach gelangt man in den innersten Bereich, den Honmaru (gesprochen: Hommaru). Dort befindet sich der als Nationalschatz gelistete Hauptturm (Tenshu-kaku) der Burg. Er ist dreistöckig und wird ergänzt durch einen "unterirdischen" Raum im Sockel und eine Eingangshalle. Das Dach ist mit Hongawarabuki gedeckt. Seitlich ist ohne Zwischenstück ein einstöckiger Turm angebaut, der Tsuke-yagura, ebenfalls ein Nationalschatz. Beide wurden 1606 errichtet, stammen also aus der Übergangszeit zwischen Momoyama- und Edo-Zeit. Da aber das Material von der Burg Otsu, deren Daimyo Kyogoku Takatsugu gewesen war, hierher gebracht wurde, ist der Tenshukaku korrekter der Momoyama-Zeit zuzuordnen und einer der ältesten erhaltenen Haupttürme einer Burg. Kyogoku Takatsugu hatte Burg Otsu gegen das westliche Bündnis verteidigt, mußte aber schließlich 1600 die Burg aufgeben und wurde daraufhin Mönch im Miidera (Onjo-ji) und ging dann auf den Berg Koya. Nach dem Krieg gab Tokugawa Ieyasu ihm die Burg Obama-jo in der Provinz Wakasa. Er selbst gab Burg Otsu auf, und so kam das transportable Material der Burg einerseits an die Burg Hikone, andererseits an die neue Burg Zeze-jo in der Stadt Otsu. Soweit zur Herkunft des Aufbaus des Tenshu-kaku von Hikone. Zum Namen: Tenshu bezeichnet den Hauptturm, und der ist immer in zwei wesentliche und ganz unterschiedliche Teile geteilt, den steinverkleideten Sockel, Tenshu-dai (dai = Plattform), und den hölzernen Aufbau, Tenshu-kaku (kaku = Pavillon). Dieser Tenshu-kaku ist vom Borogata-Typ (Turm sitzt rittlings einer Halle auf), außerdem vom Fukugoshiki-Typ mit angefügtem kleinem Turm.

Ebenfalls aus dieser Zeit stammt der nördlich angebaute langestreckte Tamon-yagura, der als Galeriebau den tiefer gelegenen Nordzugang deckt und in dem der Eingang zur Besichtigung des Hauptturmes liegt. Auch der Tamon Yagura ist ein Nationalschatz. Auch dieser ist mit Hongawarabuki-Ziegeln gedeckt.

Der Hauptturm der Burg ist einerseits militärisch der innerste Verteidigungsbereich, andererseits als am höchsten aufragendes Gebäude ein Symbol der Herrschaft. Er war nie der dauerhafte Lebensbereich des Daimyo, sondern diente als Lagerhaus für Waffen und Rüstungen. Deshalb fehlt innen auch eine wohnliche Einrichtung. Der Sockel ist eine Ishigaki-Steinverkleidung. Den Stil der Steinsetzung bezeichnet man als Uchikomi hagizumi oder auch Gobozumi. Dazu werden natürliche, weitgehend unbehauene Steine verwendet, und die Lücken zwischen den Großsteinen werden sukzessive durch kleinere Steine geschlossen. Das ergibt eine stabile Packung, die auch einen guten Schutz bei Erdbeben bietet. An der Sichtfläche werden die Steine glatt geschlagen, damit man nicht so leicht hinaufklettern kann. An mehreren Stellen sieht man recht gut, wo die Keile zur Spaltung des Steines angesetzt wurden; da sind am Rand entsprechende Kerben in Reihe zu sehen. Der Hauptturm wurde 1957-1960 komplett auseinandergenommen, restauriert und exakt so wieder zusammengebaut, wie er war.

Auch wenn der Tenshukaku klein ist und nur dreistöckig ist, ist er architektonisch und künstlerisch einer der besten. An diesem Turm existieren viele verschiedene Giebeltypen übereinander: Über der untersten Ebene befinden sich zwei Giebelsatteldächer ohne verbindendes Fußstück, das nennt man Kirizuma-hafu. Das Dach darüber besitzt einen Giebel mit Fußstück vom Typ eines Irimoya-hafu. Das Dach der nächsthöheren Ebene besitzt einen geschweiften Giebel vom Typ Karahafu, in symmetrisch geschweifter Linienführung ohne Fußbalken. Und das oberste Geschoß, das glockenförmige Fenster und eine umlaufende Galerie mit hölzernem Geländer (Mawari-en) besitzt, wird oben mit einem echten Irimoya-Dach abgeschlossen, das aber an den beiden Längsseiten wiederum einen geschwungenen Karahafu besitzt. Einen dem eigentlichen Dach aufgesetzten dreieckigen Ziergiebel ohne eigene Fenster oder Lüftungsöffnungen nennt man auch Chidori-hafu (wörtlich: Regenpfeifer-Giebel). Seine Funktion ist eine rein dekorative. Hikone besitzt relativ viele dieser Irimoya-Giebel, insgesamt 18 Hafu, mehr als seinen tatsächlichen drei Ebenen entspricht. Und mehr als an jedem anderen historischen Tenshukaku dieser Größe (Himeji hat 20 Hafu, Nagoya hat 22 Hafu, aber die sind auch fünfstöckig). Vermutlich wollte man, daß es aus der Ferne imposanter aussah und mehr Stockwerksebenen vortäuschte als tatsächlich vorhanden waren. So wirkt die Ansicht des Hauptturmes wie ein Lehrbuch über verschiedene Dach- und Giebeltypen. Ebenso gibt es verschiedene Fensterformen, unten die rechteckigen, gestäbten Musha-mado zum Verteidigen, oben die zierlichen, glockenförmigen Katou-mado mit einer mittig nach oben gezogenen Spitze als Abschluß, wie in einem Zen-Tempel geformt. Solche glockenförmigen Fenster gibt es auch an den Haupttürmen von Matsumoto und Inuyama. Noch ein Wort zur Galerie, Kouran tsuki mawari-en: Sie dient dem Schmuck, denn es gibt keine Tür, nur Fenster in diesem Geschoß. Außerdem könnte man nicht außen herumgehen, weil der Weg durch die angesetzten Giebel unterbrochen ist.

Innen ist noch alles original, inclusive ein paar sehr steilen Treppen mit engen Deckendurchlässen. Der Blick auf die offenen Dachkonstruktionen offenbart erstaunliche Konstruktionen mit Balken in Form natürlich krumm und schief gewachsener Kiefern-Stämme, die äußerst geschickt miteinander verbunden sind, damit dennoch gerade Dachlinien möglich sind. Es gibt etwa doppelt so viele Längs- wie Querbalken. Innen kann man auch die unterschiedlichen Typen von Schießscharten sehen: Es gibt dreieckige Schießscharten (Teppou-zama) für Gewehre (Musketen) und viereckige Schießscharten (Ya-zama) für Bogenschützen. Man sieht diese Öffnungen nur von innen, weil sie von außen kaschiert sind, so daß die Außenseite wie eine normale verputzte Wand aussieht. Im Verteidigungsfall durchstieß man einfach die dünne Putzschicht und konnte die Löcher benutzen. Insgesamt gibt es im Hauptturm der Burg 75 solche Schießlöcher.

Im Inneren des Burgturmes gibt es mehrere Geheimräume (Kakushi-beya), in denen 4-5 Personen maximal Platz fanden und die zum Hauptraum hin durch niedrige Schiebetüren verschlossen wurden, die unauffällig in die Wandverkleidung eingelassen waren. Es gibt auf der zweiten Ebene je einen solchen Raum im Osten und im Westen, und auf der dritten Ebene gibt es je einen solchen Raum im Norden und im Süden. Im Falle einen nicht mehr abzuwehrenden Angriffs konnte sich der Burgherr hier zur Not verbergen. Möglich werden diese geheimen Räume, die in vielen Tenshukaku zu finden sind, durch die Toträume außerhalb des kubischen Innenraumes der Stockwerke, die sich durch die komplexe Dachkonstruktion ergeben. Von außen kann man die Position hinter den jeweiligen Irimoya-hafu gut erkennen. Natürlich ist so etwas ein praktisches Versteck, andererseits sollte man die Bedeutung nicht übertreiben oder mystifizieren, weil erfolgreiche Angreifer meistens den Hauptturm einfach anzündeten, Fall erledigt. Außerdem hätte es wohl kaum dem Wesen eines militärischen Anführers von Samurai-Ehre entsprochen, sich hier zu verbergen, während seine Gefolgsleute draußen draufgehen. Hier hätte man vielleicht ungesehen Seppuku begehen können, um nicht in Feindeshand zu fallen, aber auch diese Idee taugt wenig, weil kein Platz für den Sekundanten gewesen wäre. Was wir heute als Geheimraum gezeigt bekommen, war vermutlich früher einfach nur ein praktischer zusätzlicher Stauraum. Aber so wie jedes "anständige" englische Schloß ein "priest's hole" besitzt, so werden in japanischen Burgen zugängliche Toträume zum Geheimversteck.

Die Nordseite des Hauptturmes hat im ersten, also untersten Stockwerk des Aufbaus eine interessante Bauweise: Zwei Schalmauern sind mit kleinen Steinchen im Zwischenraum gefüllt. Das war die mögliche Angriffsseite für Geschützte, und diese Konstruktion sollte die Wucht eintreffender Kugeln weich abfangen. Vom obersten Stockwerk hat man einen guten Blick auf die moderne Stadt ringsum und den Biwa-See mit der Insel Takeshima. Zu den jahreszeitlichen Höhepunkten wie Kirschblüte kann man hier die zahllosen Kirschbäume des Nishi-no-maru überblicken. Im Nordosten des Honmaru gibt es eine erhöhte Plattform, Tsukimi-dai genannt. Hier am höchsten Punkt der ganzen Anlage stand einmal der Tsukimi Yagura, der weit ins Land sehen konnte und von wo aus man das nordöstliche Vorland gut überwachen konnte. Dieser zweistöckige Turm wurde in der Meiji-Zeit im Jahre 1868 ff. abgerissen.

In diesem Honmaru-Bereich lag ferner die Halle Ohiroma als Repräsentationsgebäude. Es war ein sehr großes Gebäude, ca. 12 m tief und 30 m breit, und stand in Ost-West-Richtung. Ganz am Anfang war es der Wohnbereich des Daimyo, bis der Omote Goten am Fuße des Hügels fertiggestellt war. Später wurde das Gebäude, in dem sich auch eine Küche und Räume für Bedienstete befanden, anderen Nutzungen zugeführt. Auch dieses Gebäude fiel um ca. 1868-1870 dem Abriß zum Opfer, ebenso wie viele andere Gebäude des Kernbereiches.


Rundgang und Beschreibung: westliche Verteidigungseinheiten und Tore
Weiter westlich und geringfügig tiefer liegt der Nishi-no-maru (wörtlich: im Westen gelegener Kreis), nicht zu verwechseln mit dem Ni-no-maru. Der Übergang ist unspektakulär, klein und wenig geschützt. Zwischen Honmaru und Nishi-no-maru gibt es im Norden eine weitere Aufstiegsmöglichkeit, dieser Zugang wird von der abseits im Norden und tiefer gelegenen Walleinheit Ido-guruwa beschützt, eine Art Vorwerk, um einen Zwinger zu bilden. Aber wer von hier kommend in den Honmaru möchte, muß zuerst in den Nishi-no-maru hinein, dann dreimal links, um dann in einem rechteckigen Bereich des Honmaru zu landen, wo man von der Seite und von gegenüber aus beschossen werden kann, und natürlich vom Hauptturm aus.

Der Nishi-no-maru ist parkartig gestaltet mit einer Vielzahl von Kirschbäumen. Im Nordwesten des Nishi-no-maru gibt es ein ähnlich schwer zu überwindendes Verteidigungssystem wir auf der Ostseite: Auch hier trennt ein Trockengraben (O-hori-kiri, o = groß, hori = Graben) die zwei Kuruwa voneinander. Als Kuruwa wird eine von Verteidigungswällen umschlossene Einheit bezeichnet, im Kontext wird das zu -guruwa angeglichen, wenn davor noch ein Wort kommt.

An der Nordwestecke des Nishi-no-maru thront der Wachturm Sanju-Yagura auf den Mauern wie über einer steilen Klippe, der Name bedeutet einfach nur "dreistöckiger Wachturm". Der Turm ist als wichtiges Kulturgut gelistet. Angeblich war er früher der Hauptturm der Burg Odani bei Nagahama, auch wenn man bei der Restaurierung in den 1960er Jahren keinerlei Anhaltspunkt dafür gefunden hat. Statt dessen stellte man fest, daß 80% des Baumaterials wie Pfosten und Balken von einer Reparatur im Jahre 1853 stammen. Deswegen ist dieser Turm von Material und Aussehen her zu 80% spät Edo-zeitlich und stammt nicht aus der Momoyama-Zeit. Vom Nishi-no-maru aus gesehen besitzt nur das oberste Geschoß auf jeder Seite zwei mit Stäben vergitterte Fenster. Auf der Außenseite gibt es diese Fenster auf allen drei Ebenen. Um ihn besichtigen zu können, muß man Glück haben, normalerweise ist er geschlossen. Innen beeindruckt vor allem der Blick in den offenen Dachstuhl der angrenzenden Galeriebauten mit den vielen Steckverbindungen der Hölzer; alles wirkt sehr authentisch. Weil dieser Turm die rückwärtige Flanke schützte, ist er besonders stark mit drei Verteidigungsebenen, und das erklärt auch die immense Höhe der Flanke der Ishigaki-Wälle. Der Turm bildet die Ecke zwischen zwei rechtwinklig zueinander angebauten Tsuzuki-yagura, von denen einer nach Nordosten und einer nach Südosten verläuft. Dieser Turm an der Ecke war so wichtig für die Verteidigung, daß er nach Fertigstellung der Burg dem obersten Gefolgsmann des Daimyo unterstellt wurde, Kimata Morikatsu. Tokugawa Ieyasu hatte ihn selbst ausgesucht und Ii Naomasa unterstellt. Er hatte seine Residenz im Bereich Yamazaki-guruwa, also an absolut bevorzugter Stelle weit innen im System aus Gräben und Bereichen, und er mußte 20 Tage im Monat Dienst auf dem Turm tun. Das zeigt, für wie wichtig man diese Stelle zur Verteidigung der ganzen Anlage erachtete.

Exkurs: Wie sehr original erhaltene dreistöckige Sumi-yagura-Türme aus der Edo-Zeit sind, läßt sich an folgender vollständiger Liste ablesen (Burg, Turmname, Höhe des Aufbaus, Baujahr bzw. Bauzeit):
- Burg Hirosaki, Ushitora-yagura, 11,92 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Hirosaki, Tatsumi-yagura, 11,87 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Hirosaki, Hitsujisaru-yagura, 11,98 m, 1611 (Keicho 16)
- Burg Edo, Fujimi-yagura, 15,5 m, 1659 (Manji 2)
- Burg Nagoya, Kiyosu-yagura (nordwestlicher Eckturm, Seihoku sumi yagura), 16,3 m, 1619 (Genna 5)
- Burg Hikone, Nishinomaru-yagura, 11 m, Keicho-Zeit
- Burg Akashi, Hitsujisaru-yagura, 13,28 m, 1620 (Genna 6), ehemals aus Burg Fushimi
- Burg Akashi, Tatsumi-yagura, 12,53 m, 1620 (Genna 6), ehemals aus Burg Funage
- Burg Fukuyama, Fushimi-yagura, 13,5 m, 1622 (Genna 8), ehemals aus Burg Fushimi
- Burg Takamatsu, Tsukimi-yagura, 1676 (Enpo 4)
- Burg Takamatsu, Ushitora-yagura, 11,5 m, 1677 (Enpo 5)
- Burg Kumamoto, Uto-yagura, 19,1 m, 1601-1615, innen sogar fünfstöckig

An der Nordecke liegt ein kastenförmiges Tor (masugata), das einen rechteckigen eigenen Zwinger bildet. Auf der anderen Seite der hölzernen, zum Tor hin steil ansteigenden Brücke, die früher vermutlich als Galerie mit einem Dach versehen war und auch so konstruiert war, daß man sie im Bedarfsfall in den Graben abbrechen konnte (Otoshi-bashi), liegt weiter westlich die Walleinheit De-guruwa. Aufgrund des starken Gefälles sind dessen Mauern nur halb so hoch wie die des Nishi-no-maru auf der anderen Seite des Grabens, denn hier ragt die Ishigaki-Mauer 10 m in die Höhe. Hier liegt also im Prinzip die gleiche Kombination aus O-hori-kiri und Otoshi-bashi vor wie auf der anderen Seite, eine selten zu beobachtende Kombination bei japanischen Burgen, die Hikone fast uneinnehmbar machte.

Von dort gelangt man durch eine weitere Tor-Stelle auf dessen Westseite in den Kannon-dai genannten Bereich, vor dem aber der Weg hangabwärts nach Osten abknickt. Hier stand früher, bevor Burg Hikone erbaut wurde, der 720 von Fujiwara no Fusasaki (nördliche Fujiwara) gegründete Kannondai-Tempel (Kannon = Bodhisattva der Barmherzigkeit, dai = Plattform). Der Tempel wurde erbaut, um eine winzige Statue der Kannon zu verehren, sie war nur 5,4 cm groß und stand auf dem Rücken einer goldenen Schildkröte. Hier befanden sich während der Edo-Zeit auch Unterkünfte, in denen man Personen der Gegenseite (Geiseln, Gefangene) sicher verwahrte. Der weitere Verlauf des Weges liegt an der Ostseite des Hügelrückens und führt durch nach Norden um die Spitze herum. Ganz im Norden liegt neben dem Yamazaki-mon auf der Westseite noch eine separat umwallte Einheit, Yamazaki-guruwa genannt, eine eigenständige Verteidigungseinheit, welche die komplette, früher in die offene Bucht des Biwa-Sees hineinragende Hügelrückenspitze einnimmt. Der Name enthält yama = Berg, bedeutet also Berg-spitzen-Walleinheit. Hier stand früher noch ein dritter dreistöckiger Turm, der ist aber schon 1868 Abbrucharbeiten zum Opfer gefallen.

Dazu sind mehrere Mauern den Berghang entlang nach unten gezogen, um zu verhindern, daß man am Fuße des Hügels außenherum läuft. Solche Mauern (Nobori ishigaki) gehen im Nordosten vom Honmaru zum Ura-mon, im Osten vom Kane-no-maru zum Omote-mon, im Südwesten vom Kane-no-maru zum Otemon, vom Westende des Nishi-no-maru zum südlichen Grabenrand und ebenso von der Nordwestecke der gleichen Verteidigungseinheit zum nördlichen Grabenrand. Solche Mauern, von denen es hier fünf gibt, sind eine Seltenheit in japanischen Burganlagen, sie sind nur noch von den Burgen Sumoto-jo, Iyo Matsuyama-jo und Takatori-jo bekannt. Das Verteidigungssystem ist also extrem komplex und nutzt das Gelände maximal aus. Die beiden Hauptzugänge im Osten und im Westen werden durch gigantische Trockengräben gesichert, im Westen zusätzlich durch eine Zwinger-Toranlage, im Osten zusätzlich durch eine über die erhöhte Außeneinheit geleitete Wegeführung. Beide Anlagen perfektionieren das Zwinger-System. Der Zugang von Norden wird durch die Zickzack-Wegeführung und durch Vorwerke, die immer neue Situationen des Einkesselns und Beschusses von zwei Seiten bieten, ebenfalls geschickt geschützt.


Rundgang und Beschreibung: Ninomaru: Genkyu-en und Raku-raku-en
Wenn man den zentralen Bereich nach Osten durch das Kuro-mon (schwarzes Tor) verläßt und den Uchibori überquert, gelangt man zum Garten Genkyu-en. Hier zieht sich eine gut erhaltene Wallmauer den ganzen Wassergraben entlang. In der Nähe des Eingangs zum Genkyu-en starten Bootstouren, die über den inneren Graben führen, in Yakata-bune genannten Booten mit niedrigem Dach und Tatami-Matten auf dem Boden. Das Boot fährt den ganzen inneren Wassergraben ab, unter den beiden Brücken von Omote-mon und Ote-mon hindurch bis zum abschließenden Wehr an der Nordspitze. Auf dem Wassergraben fallen mehrere schwarze Schwäne auf, die waren ein Geschenk der Stadt Mito in der Präfektur Ibaraki. Wir erinnern uns - aus Mito kamen die Samurai, die 1860 Ii Naosuke ermordet haben. 1968 begruben die beiden Städte die Vergangenheit und schlossen Freundschaft: Mito schenkte schwarze Schwäne, Hikone schenkte im Gegenzug weiße Schwäne, und Mito schenkte Pflaumenbäume aus dem berühmten Garten Kairaku-en.

Der Genkyu-en wurde ab 1677 von Ii Naooki angelegt, dem fünften Daimyo des Lehens Hikone und dem vierten Daimyo auf Burg Hikone. Die Fertigstellung nahm 7 Jahre in Anspruch. Der Name ist abgeleitet von einem Garten, der zum chinesischen Hof gehörte, denn den nannte man Genkyu. Er ist angeblich dem Palastgarten von Kaiser Genso aus der Tang-Dynastie nachgebildet worden. Der Garten ist rings um einen großen See angelegt, dessen zahlreiche Inseln mit 9 Brücken untereinander und mit dem Ufer verbunden sind. Der einstige Palast nahm den nordwestlichen Bereich des Ninomaru ein, bis etwa dort, wo sich heute die Sportplätze befinden. Der Eingang zum Garten liegt im Osten bei den Parkplätzen. In dem Garten vom Typ eines Teich-Wandel-Gartens (Chisen-kaiyu-shiki-teien) werden mehrere Landschaften nachgebaut, darunter die berühmten acht Ansichten des Biwa-Sees, die Insel Chikubu-shima und die weißen Felsen Oki-no-Shira-ishi im Biwa-See, drei beliebte touristische Attraktionen im westlichen Honshu. Am Seeufer stehen die Hakke-tei-Teehäuser, teilweise über die Wasserfläche hinausragend. Der Name erinnert an die Omi Hakkei, die acht Ansichten von Omi. Zu diesen gehört z. B. eine im Bogen über einen Hohlweg gespannte Holzbrücke, die die Seta Karahashi in Otsu zum Vorbild hat. Die Dächer der Gebäude des Hakke-tei sind mit Stroh gedeckt, und das Stroh wird von einer durch Reisstrohschnüre verknüpften Konstruktion aus Bambusquer- und Längsstegen getragen.

Besonders malerisch ist der Blick vom Nordufer des Sees mit dem hinter den Teehäusern aufragenden Burghügel mit dem Hauptturm und der Spiegelung im Wasser. Auf dem Hosho-dai (Houshou-dai) genannten künstlich aufgeschütteten Hügel befindet sich ein weiteres Gäste- und Teehaus, von dem aus man einen schönen Blick über den Garten hat. De Teehäuser sind im Sukiya-Stil erbaut. In diesem Bereich brachte die Ii-Familie ihre besonders geschätzten Gäste unter. Hier ist auch heute Tee erhältlich. Und in diesen ganzen Gebäuden betrieb eine engagierte Familie, die es seit drei Generationen gepachtet hat, das Ryokan "Hakkei-tei". Hier konnte man als Gast die verfeinerte Kultur der gehobenen Unterbringung in einem traditionellen Gasthaus genießen, den Luxus der Sukiya-Eleganz in Reinform erleben, das Gefühl haben, zu leben wie einst ein Gast der Familie Ii. Es gab nur wenige Zimmer, das Ryokan machte keinerlei Werbung, dafür war es eines der exquisitesten und schönsten seiner Art. Die teils über dem Wasser schwebenden Gebäude werden als Riuchi-kaku bezeichnet, und hier lagen die beiden größten Gästezimmer. Die auf dem künstlich aufgeschütteten Hügel liegenden Gebäude bilden das Hosho-dai. Hosho-dai ist die Plattform des Hosho, die Höhe, von dem aus der Vogel Hoo, der Phönix, gegen Himmel flog. Ende der 1980er Jahre stellte das Ryokan seinen Betrieb ein. Die Gebäude scheinen derzeit (2023) auf einen neue Nutzung zu warten und verfallen unterdessen; die Renovierungsbedürftigkeit ist langsam unübersehbar.

An dieser Stelle noch ein Wort zum Sukiya-Stil: Wörtlich bedeutet "Sukiya" Wohnstatt von Veredelung. Es basiert letztendlich auf dem Shoin-Stil, ist aber eine Weiterentwicklung, eine exzentrische Neuinterpretation. Das ist vor dem Hintergrund der Entwicklung der Teekultur zu verstehen. Die Teekultur, die sich aus den Eremitagen der Anachoreten und der Gelehrten-Einsiedeleien entwickelte, steht für raffinierte Rustikalität, für die Schönheit des Einfachen, des Unvollendeten. Wabi-sabi-Geschmack, Raku-Keramik, roh behauene Stützpfosten und ungeschliffene Wände in den kargen Teeräumen, offene Decken, schlichte Tuscheskizzen als Dekoration, wenn überhaupt - das ist typisch für die inszenierte Einfachheit der Teekultur (nichts ist so aufwendig, wie alles vollkommen unaufwendig erscheinen zu lassen). Die Sukiya-Ästhetik ist der Gegenpol: Das diskrete Understatement, die nonchalante Atmosphäre und die unauffällige Raffinesse inszenieren eine ästhetische Noblesse durch unaufdringliche Kostbarkeit der Details. Es war die gesellschaftliche Elite, die hier keine Mittel scheute, das Kostbare unauffällig wirken zu lassen, die Raffinesse in die Details zu legen, und kostbare Räume von hoher Individualität bei gleichzeitigem Understatement zu schaffen. Solche raffinierten Details sind z. B. durchbrochenes Gitterwerk in den Zwischenflächen, verzierte Metallbeschläge, Kato-mado (Fenster von glockenförmigem Zuschnitt mit S-Bogen Form und Spitze oben). Ergänzt werden diese dekorativen Details durch die sichtbaren natürlichen Materialien in ihrer naturgegebenen Schönheit mit ihrer typischen Textur. Was hingegen fehlt, sind manche Elemente der klassischen Shoin-Architektur wie die dekorativen Türen, die eckigen Pfosten etc. Der klassische Shoin-Stil war zu wuchtig, zu imposant und wurde in der Form des Sukiya-Stils für den Privatbereich der Oberschicht als intimere, individuellere und zugleich kapriziösere Variante weiterentwickelt, wobei die transformierten ästhetischen Ideen der Teekultur dieser Entwicklung den Weg bereitet haben.

Auch in diesem Garten Genkyu-en wurden Szenen der Verfilmung von "Shogun" gedreht. Zu Zeiten der Herbstfärbung von Mitte November bis in den frühen Dezember wird der Garten abends im Rahmen von Sonderöffnungszeiten illuminiert.

Vom einstigen Palast, dem wegen seiner Schönheit hochgelobten Keyaki Goten, sind einige Gebäude erhalten. Er wurde 1677-1679 von Ii Naooki als Zweitresidenz erbaut. Die aus hartem und dauerhaftem Zelkovenholz erbauten Gebäude der privaten Residenz wurden zwar mehrfach repariert, sind aber im Kern noch original erhalten. Ii Naoaki ließ kurz nach 1800 einen Anbau hinzufügen, der Raku-raku-no-ma genannt wurde, und seitdem wurde der ganze Palast Rakuraku-en genannt. "Raku" bedeutet in diesem Zusammenhang "genießen", "sich an etwas erfreuen" (nicht verwechseln mit raku = einfach), und der Name geht auf ein Gedicht zurück: Kühne Menschen genießen die Berge, weise Menschen genießen das Wasser. Das bedeutet so viel wie, daß auch die Oberen am besten das genießen sollen, was das einfache Volk genießt. Deshalb bedeutet Raku-raku-en so viel wie der Garten, in dem man als Daimyo das genießt, was auch das Volk genießt. Die Front dieses Gebäudes besteht aus vielen Schiebetüren, so daß man die Vorderseite gut zum Garten hin öffnen konnte. Ein weiteres erhaltenes Gebäude dieses Palastes wird Jishin-no-ma genannt. Der ganze Palastbereich war früher etwa zehnmal so groß wie heute; viele Gebäude wurden aus Kostengründen nach dem Tod von Ii Naooki wieder abgerissen.


Kunstschätze:
Nationalschätze:
- Tenshu-kaku = dreistöckiger Hauptturm, seit 1952
- Tsuke-yagura = einstöckiger, seitlich angebauter Turm neben dem Tenshu-kaku
- Tamon-yagura = einstöckige gedeckte Verbindungsgalerie neben dem Tenshu-kaku
- sechsteiliger Hikone-Stellschirm im Palastmuseum = Hikone byoubu = shihonkinji chakushoku fuuzokuzu, 1. Hälfte des 17. Jh., 94,5 cm x 278,8 cm groß

Wichtige Kulturgüter:
- Tenbin-yagura - Waagen-Wachturm
- Umaya - Stall
- Taikomon-yagura - Trommeltor-Turm
- Nishinomaru Sanju-yagura - dreistöckiger Turm der westlichen Walleinheit
- Ninomaru Sawaguchi Tamon Yagura - Wehrbauten am Ninomaru, ursprünglich von 1622, zu verschiedenen Zeiten nach Brand wiederhergestellt

Burg Hikone ist weiterhin seit 1951 als historische Stätte und seit 1956 als spezielle historische Stätte (Tokubetsu shiseki) geschützt. Den gleichen Status besitzt das 1985-1991 restaurierte Gebäude Umoregi-no-ya, wo Ii Naosuke seine jungen Jahre verbrachte.
Der Garten Genkyu-en ist als Stätte besonderer landschaftlicher Schönheit gelistet.


Modell und Zeichnung im Museum des Ninomaru Sawaguchi-Tamon-Yagura

Honmaru, Ninomaru (rot umrandet) und Sannomaru (gelb umrandet), Burgstadt

von Norden

von Osten

von Südosten

von Südosten

von Westsüdwesten

von Nordwesten

von Nordosten

von Nordosten

von Südosten


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.2761347,136.2518647,17z - https://www.google.de/maps/@35.2759726,136.2528388,292m/data=!3m1!1e3
Jennifer Mitchelhill, David Green: Castles of the Samurai - Power and Beauty, 112 S., Verlag: Kodansha International 2013, ISBN-10: 1568365128, ISBN-13: 978-1568365121, S. 29, 72, 86, 95, 98, 100
Jennifer Mitchelhill, David Green: Samurai Castles - History / Architecture / Visitors Guides, 128 S., Verlag: Tuttle Pub. 2018, ISBN-10: 4805313870, ISBN-13: 978-4805313879, S. 48-51, mit zahllosen Fehlern und falschem Plan
Toshitaka Morita, Takahiro Miyamoto: Castles in Japan (Landscapes of the Japanese Heart), 304 S., Verlag: Mitsumura Suiko Shoin, 2018, ISBN-10: 4838105606, ISBN-13: 978-4838105601, S. 103-106
Miura Masayuki, Chris Glenn: Samurai Castles, Bilingual Guide to Japan, Uchida Kazuhiro/Shogakukan, 2017, ISBN 978-4-09-388543-0, S. 94-95
Faltblätter der Stadt Hikone zur Burg
vor Ort aufgestellte Informationstafeln mit Grundrissen
Das Lehen Hikone auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hikone_Domain
Die Ii-Familie auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ii_clan - https://de.wikipedia.org/wiki/Ii_(Klan)
Ii Naomasa auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ii_Naomasa
Ii Naokatsu auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ii_Naokatsu
Ii Naotaka auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ii_Naotaka
Burg Sawayama auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Sawayama_Castle
Burg Sawayama auf dem Hikone Travel Guide:
https://visit.hikoneshi.com/en/plan_your_visit/sightseeing/culture-history/former-site-of-sawayama-castle/
Burg Hikone auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Burg_Hikone - https://en.wikipedia.org/wiki/Hikone_Castle
Photoalbum von Philbert Ono: Burg Hikone, Honmaru:
https://photoguide.jp/pix/thumbnails.php?album=25 - Nishinomaru: https://photoguide.jp/pix/thumbnails.php?album=1118 - Genkyuen: https://photoguide.jp/pix/thumbnails.php?album=162
Liste der Nationalschätze betr. Burgen:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(castles)
Burg Hikone auf dem Hikone Travel Guide: Geschichte:
https://visit.hikoneshi.com/en/castle/history/ - Beschreibung: https://visit.hikoneshi.com/en/castle/the_castle/ - Karte mit Gebäudebeschreibungen: https://visit.hikoneshi.com/en/castle/map/ - Plan mit Erläuterungen: https://visit.hikoneshi.com/wp/wp-content/uploads/2017/09/map_E_omote.pdf - Reise nach Hikone: https://visit.hikoneshi.com/wp/wp-content/uploads/2017/09/hikone-e.pdf und im Detail: https://visit.hikoneshi.com/wp/wp-content/uploads/2019/03/jikkuri-hikone-2019.pdf
Der Hikone-Faltschirm:
https://shiga-ken.com/blog/2013/04/hikone-byobu-national-treasure-folding-screen/
Burg Hikone auf Japanliebe:
https://japanliebe.de/reisen/burg-hikone/
Burg Hikone auf Japan Guide:
https://www.japan-guide.com/e/e7001.html
Burgmuseum Hikone:
https://hikone-castle-museum.jp/en/
Burg Hikone auf Japan Visitor:
https://www.japanvisitor.com/japan-city-guides/japanese-castles/hikone-castle
Burg Hikone auf JCastle:
http://www.jcastle.info/view/Hikone_Castle - http://jcastle.info/view/Hikone_Castle_-_Climbing_Stone_Walls - http://jcastle.info/view/Hikone_Castle_-_Main_Areas - http://jcastle.info/view/Hikone_Castle_-_Main_Keep_Interior - http://jcastle.info/view/Hikone_Castle_-_Outer_Moat_Area - http://jcastle.info/view/Hikone_Castle_-_Castle_Town
Burg Hikone auf Samurai World:
https://samurai-world.com/hikone-castle-shigas-national-treasure/
Unesco-Liste:
https://whc.unesco.org/en/tentativelists/374/
Burg Hikone auf Visit Omi:
https://visit-omi.com/poi/article/hikone-castle
Ii Naomasa:
https://visit-omi.com/people/article/ii-naomasa
Ii Naosuke:
https://visit-omi.com/people/article/ii-naosuke
Burg Hikone auf Travel around Japan:
http://www.travel-around-japan.com/k65-07-hikone-castle.html
Burg Hikone auf Japanese Castle Explorer:
http://www.japanese-castle-explorer.com/castle_profile.html?name=Hikone
Gabriele Fahr-Becker, Narimi Hatano, Klaus Frahm: Ryokan - Zu Gast im traditionellen Japan, 335 S., Könemann Verlag 2005), ISBN-10: 3833112220, ISBN-13: 978-3833112225, S. 240 ff.
Masao Yamada: The Anatomy of Castles in Japan, revealed by an Urban Design Expert, jap. und engl., Nitto Shoin Honsha Co. Ltd., Japan 2017, 288 S., ISBN: 4-528-02011-4, intl. 978-4-528-02011-5, S. 92-105
Das Modell und die Zeichnung im letzten Abschnitt wurden im Museum des rechten Teils des Ninomaru Sawaguchi Tamon Yagura photographiert, Urheber der Objekte mir nicht bekannt.


Hikone-jo, Teil (2): Wälle und Gebäude des Ni-no-maru - Hikone-jo, Teil (3): östliche und zentrale Verteidigungsanlagen, vom Omotemon zum Honmaru - Hikone-jo, Teil (4): Honmaru und Tenshukaku - Hikone-jo, Teil (5): nordwestliche Verteidigungsanlagen vom Nishinomaru zum Deguruwa und am Graben entlang bis zur Omotebashi, östliche Verteidigungsanlagen vom Honmaru zum Kuromon und bis zur Nordspitze - Hikone-jo, Teil (6): Umaya, Nagayamon und andere Reste von Residenzen - Hikone-jo, Teil (7): Garten Genkyu-en und Hakketei - Hikone-jo, Teil (8): Palast Rakuraku-en

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