Bernhard Peter
Nara: Nanto Kagami Jinja


Lage und Erreichbarkeit
Der Schrein Nanto Kagami Jinja (Adresse: 468 Takabatake-cho, Nara-shi, Nara-ken) befindet sich im ruhigen, fast ländlichen Stadtviertel Takabatake direkt linkerhand vor dem Tempel Shin Yakushi-ji (Wegbeschreibung siehe dort), ganz grob 730 m südwestsüdlich des Kasuga Taisha oder von diesem eine Viertelstunde zu Fuß. Es handelt sich um einen ruhigen, kleinen Schrein abseits aller Touristenströme. Viel zu sehen gibt es in dem abseits von Veranstaltungen menschenleeren Schrein nicht, aber wenn man sowieso im Shin Yakushi-ji ist, wirft man natürlich auch einen Blick in den Schrein nebenan. Es ist die Geschichte hinter dem Schrein, die den Besuch interessant macht, die Gebäude sind unspektakulär. Das Gelände ist frei zugänglich, aber zum Honden kommt man nicht.


Rundgang und Beschreibung
Von Süden nach Norden sind drei Gebäude in Linie aufgereiht: Eine Treppe führt zu einem breitgelagerten Gebäude mit Durchgang in der Mitte hoch. Das ist schon mal ein ungewöhnlicher Eingang für einen Schrein. Dahinter liegt der allseits offene, innen leere Haiden mit Irimoya-Dach. Direkt dahinter versperrt eine niedrige Mauer den getreppten Zugang zum Honden, hinter dem die südliche Außenmauer des Shin Yakushi-ji den Schreinbereich beendet. Die Lücke in der Quermauer hinter dem Honden wird mit einem Torii gefüllt. Hindurch gehen kann man nicht, das verhindern seitliche Gitter. Den mit einem Dach aus Zypressenrinde gedeckten Honden kann man nur seitlich über die Mauer unter dem dichten Blätterkleid der Bäume erspähen. Sieben Holzstufen führen unter dem Vordach zum Allerheiligsten hinauf. Vor der Trennmauer stehen rechts und links zwei Komainu, und noch weiter außen rahmt ein Paar Steinlaternen symmetrisch die zentrale Mittelachse. Hinter dem Honden steht vor der Abschlußmauer eine Reihe weiterer Steinlaternen. Seitlich befinden sich noch Nebengebäude hinter der Trennlinie zwischen Haiden und Honden. Ein Ema-Ständer steht links vom Haiden an der Westmauer. Rechtwinklig zur Hauptachse führt ein zweiter Eingang vom Tempelvorplatz aus durch ein Torii auf den Haiden zu. Dieses Torii besitzt zwei Hauptsäulen, die jeweils vorne und hinten mit zwei zusätzlichen Pfosten verstrebt sind.


Geschichte und Bedeutung
Im Hauptschrein werden drei Götter verehrt, als wichtigste und ranghöchste Gottheit Amaterasu-o-mikami, die Sonnengöttin und der Abstammungsursprung des japanischen Kaiserhauses, dann Fujiwara no Hirotsugu, der im Jahre 740 die größte Rebellion des 8. Jh. anführte, besiegt und enthauptet wurde, und schließlich eine Lokalgottheit. Neben dem Hauptschrein wird im assoziierten Schrein Akabo jinja (1320 Takabatake-cho) die Gottheit Ameno-koyameno-mikoto verehrt, die in Zusammenhang mit den Ahnen der Fujiwara steht, dazu die damit assoziierte Gottheit Hime-gami. Es gibt noch drei Subschreine auf dem Gelände, im Tenjinja wird Karai tenjin (Nachwuchs von Igami-naishin-nou) verehrt, im Tenman-gu werden Sugawara Michizane und Ichikishima-hime verehrt, und dann gibt es noch den Sorei-sha, in dem verstorbene Diener des Kagami Jinja verehrt werden. In dem abseits rechts neben dem Eingang zum Shin Yakushi-ji stehenden Hilfsschrein Himegami-sha werden Toochi-hime-miko und Ichikishima-hime verehrt.

Fujiwara no Hirotsugu (-28.11.740) ist dabei die interessanteste Persönlichkeit: Er war der älteste Sohn von Fujiwara no Umakai und der Enkel von Fujiwara no Fuhito, die beide mächtige Minister waren. Macht und Einfluß seiner Familie waren dem Adelssproß ein wenig zu Kopf gestiegen, und er sah sich nicht als kleiner Beamter, sondern als Retter des Staates. Im Jahre 737 gewann nach dem Tod seines Vaters eine Gruppe von Leuten unter der Führung des Priesters Genbo (gesprochen: Gembo) Einfluß. Genbo stand für die Einführung chinesischer Kultur. Ein Jahr später wurde Fujiwara no Hirotsugu, der zunächst Gouverneur von Yamato war, eine Stellung in der Militärverwaltung (Dazaifu) auf Kyushu, und dieser entlegene Posten als Dazai no shoni brachte ihn weit weg vom politischen Geschehen in Nara, war für einen so hochgestellten Adelssproß also eine Art freundliche Verbannung. Er hatte großen Anlaß zur Sorge angesichts der politischen Entwicklung und tat seine Meinung kund, ohne danach gefragt worden zu sein: Im Jahre 740 verkündete Fujiwara no Hirotsugu unüberhörbar, daß Genbo und sein Spezi Kibi no Makibi (695-3.11.775) durch ihre Politik den Ruin Japans herbeiführen würden. Dumm nur, daß solche Äußerungen nicht seine Aufgabe waren, und daß niemand ihn um seine Meinung gefragt hatte. Der Minister zur Linken, Tachibana no Moroe, empfand diese Kritik an seinen Leuten als Angriff auf ihn selbst, da er die beiden in diese Stellung gebracht hatte.

Einer von diesem veranlaßten Vorladung des Kaisers leistete er nicht Folge, sondern rebellierte. Er hatte immer noch nicht eingesehen, daß es schlicht nicht sein Job war, Japan zu retten, auch wenn er sich gerne in der Rolle gesehen hätte. Er verband sich mit seinem jüngeren Bruder, Fujiwara no Tsunate. Sie verfügten zusammen über rund 10000 Mann. Und das Zusammenziehen von Truppen war der Moment, wo aus "gut gemeint" nun "richtig schlecht" wurde: Der Hof sandte eine Armee von rund 15000 Soldaten unter der Führung von Ono no Azumahito gegen ihn aus. Die Rebellen teilten ihre Armee in drei Einheiten auf, die über verschiedene Routen vorstießen: Fujiwara no Hirotsugu führte 5000 Mann aus den Provinzen Osumi, Satsuma, Chikuzen und Bungo und zog über die Straße Kurate-do ganz im Nordwesten. Sein Bruder hatte ebenfalls 5000 Mann aus den Provinzen Chikugo und Hizen, und er kam aus Richtung der Provinz Bungo, also aus dem Südosten. Tago no Komaro kam über die Straße Tagawa-do fast genau von Süden mit weiteren Bewaffneten. Am 28.10.740 erklärte der Kaiser Fujiwara no Hirotsugu offiziell zum Rebellen (Gyakuzoku). Am 6.11.740 kam es zur Schlacht an der Nordspitze von Kyushu. Beide Armeen hatten sich an den beiden Seiten eines Flusses bei Itabitsu-chin (heute die Stadt Kitakyushu) aufgereiht. Die kaiserlichen Truppen wurden von den Emissären Saeki Tsunehito und Abe no Mushimaro begleitet.

Es gelang den Rebellen nicht, den Fluß wie geplant zu überqueren. Nach verlorener Schlacht flüchtete der Rebell auf die Insel Chikano-shima (Goto-Inseln), um von da ins Königreich Silla (Korea) zu fliehen. Widrige Winde warfen das Schiff zurück. Am 20.11.740 wurde er von seinen Verfolgern gefunden und festgenommen. In Karatsu wurde er acht Tage später von Ono no Azumahito exekutiert, genau wie sein Bruder. Etliche nahe Verwandte der Rebellen aus der Fujiwara-Familie wurden exiliert. Das war de facto das Ende des Shikike-Zweiges der Familie. Statt dessen begann der Aufstieg des nördlichen Zweiges der Fujiwara. Genbo wurde, wie von dem Rebellen befürchtet, schlimmer und schlimmer, bis es dem Kaiser zu viel wurde. Er verlor 746 seinen Einfluß und wurde nach Chikushi (Fukuoka, Kyushu) ins Exil geschickt, was von vielen als Wirken des zornigen Geistes von Fujiwara no Hirotsugu angesehen wurde. Er starb noch im selben Jahr, am 15.7.746. Auch Kibi no Makibi wurde später nach Hizen geschickt, als man sich politisch neu besann. Die Geister von gewaltsam zu Tode gekommenen Menschen finden schlecht Ruhe, ebenso von Menschen, die zu Tode gekommen sind für ihr Verhalten, obwohl sie doch eigentlich nur das Beste wollten, und genau das macht den Geist dieses Rebellen zum Unheil verursachenden Kami, der beruhigt werden muß.

Der Schrein hier wurde im Jahr 806 gegründet, im ersten Regierungsjahr des Kaisers Heizei, um den zornigen Geist von Fujiwara no Hirotsugu zu besänftigen. Er ist nicht der einzige, denn landesweit entstanden mehrere solcher Schreine zur Besänftigung des Rebellen, der es eigentlich nur gut mit dem Staat gemeint hatte. Aber dieser Schrein Kagami jinja ist insoweit ein besonderer, als er genau an der Stelle steht, wo sich angeblich einst seine Residenz befunden hatte, als er noch in Yamato im Amt war. Und er ist in nächster Nähe zum allgemeinen Familienschrein der Fujiwara, dem Kasuga Taisha. In der Tat war die Beziehung zwischen beiden Schreinen eng, und der Hauptschrein war stets ein Gebäude, das der Kasuga Taisha dem kleinen Schrein überließ, wenn eine Erneuerung anstand. Der gegenwärtige Hauptschrein des Kagami jinja ist der dritte Hauptschrein des Kasuga Taisha. Er wurde im Jahr 1746 hierhin versetzt, als im Kasuga Taisha die 46ste Erneuerung anstand. Gleichzeitig ist dieser Schrein natürlich auch der Schutzschrein des Tempels Shin Yakushi-ji. Das Kultbild im Inneren des Honden ist eine ca. 45 cm hohe Statue aus Holz, welche Fujiwara no Hirotsugu darstellt. Angeblich soll er selber diese Figur im Jahre 738 geschnitzt haben in seiner Zeit beim Dazaifu. Nachher soll die Figur nach Nara geschickt und von seiner Witwe hier eingeschreint worden sein.


Haiden von Südosten aus gesehen

Haiden von Süden aus gesehen

linker Komainu

 

die beiden Komainu an der Trennmauer zum Honden

rechter Komainu

 

Honden

Honden

Auxiliar-Schrein Himegamisha vor dem Eingang zum Shin Yakushi-ji außen rechts


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.675315,135.8459847,20z - https://www.google.de/maps/@34.6753442,135.845994,44m/data=!3m1!1e3
Webseite des Schreines:
http://www1.kcn.ne.jp/~fujishrs/profile_english.html
Fujiwara no Hirotsugu:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/person/FUJIWARA%20no%20Hirotsugu.html
Rebellion des Fujiwara no Hirotsugu:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/history/Rebellion%20of%20FUJIWARA%20no%20Hirotsugu.html
Kibi no Makibi:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/person/KIBI%20no%20Makibi.html
Genbo:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/person/Genbo.html
Rebellion des Fujiwara no Hirotsugu:
https://en.wikipedia.org/wiki/Fujiwara_no_Hirotsugu_rebellion
Aushänge am Schrein mit Informationen zur Geschichte.


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