Bernhard Peter
Nara: Saidai-ji - der große Tempel des Westens
Teil (1): Beschreibung und Pläne


Lage und Erreichbarkeit
Der Saidai-ji liegt im nordwestlichen Teil der Stadt Nara, jenseits des Heijo-Palast-Bereiches. Da für die meisten Touristen der Todai-ji der bekannteste Bezugspunkt ist: Der Saidai-ji liegt 5,5 km Luftlinie im Westen von diesem, nur wenig nach Norden versetzt. Früher, im alten Stadtraster der Stadt Nara, bildeten diese beiden Tempel einmal ein Paar: So, wie der Todai-ji wörtlich der "große Osttempel" ist, war der Saidai-ji als "großer Westtempel" sein funktionales Gegenstück auf der anderen, westlichen Seite des Palastgeländes, freilich erheblich näher an diesem als ersterer. Wegen der großen Entfernung zu den touristischen Hauptanziehungspunkten liegt der Tempel abseits der touristischen Hauptrouten. Dabei ist das Umfeld recht spannend, Ca. 1,5 km im Osten liegt das weitläufige Palastgelände mit einigen wiedererrichteten Strukturen. 2-2,8 km im Osten liegen gleich drei Kofun-Grabanlagen, im Süden in 1,6 km Entfernung eine weitere. 1 km im Nordwestnorden liegt der Tempel Akishino-dera, und 2,1 km im Südostsüden liegt der Tempel Toshodai-ji, und noch weiter in dieser Richtung liegt der Tempel Yakushi-ji, und 5 km im Süden liegt die Burg Koriyama. Das ist das Umfeld, innerhalb dessen man den Saidai-ji am besten besucht, vor allem auch, weil das von der Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln her sinnvoll ist.

Denn der Erschließungsbahnhof für den Saidai-ji ist Yamato Saidaiji, wo sich drei Kintetsu-Linien treffen. Die Kintetsu Nara Line verbindet Kintetsu Nara in der Nähe des Kofuku-ji mit Ikoma und Osaka. Die von Norden kommende Kintetsu Kyoto Line endet hier. Und nach Süden führt die Kintetsu Kashihara Line. Wer von Kyoto kommt, reist also am besten direkt mit Kintetsu an. Wer mit JR in Nara ankommt, muß erst zu Kintetsu Nara rüberlaufen, dann nach Westen in Richtung Osaka fahren. Und die Südlinie führt direkt zu den Tempeln Toshodai-ji, Yakushi-ji (Haltestelle Nishinokyo) und der Burg Koriyama. Das Palastgelände und der Akishino-dera hingegen sind mit Bus (letzterer mit der Nr. 72 von der Haltestelle Yamato-saidai-ji-eki bis zur Haltestelle Akishino-dera, ersteres mit der Nr. 14 von der Haltestelle Yamato-saidai-ji-eki bis zur Haltestelle Sakicho Taikyokuden) oder zu Fuß zu erreichen. So ergibt sich ein Gesamtpaket für einen Tag im westlichen Nara, das komplett mit Kintetsu zzgl. Bus oder Fußmarsch erschlossen wird.

Vom Bahnhof Yamato Saidai-ji muß man genau nach Westen, die Luftlinie vom Hauptgebäude zur Haupthalle beträgt 300 m. Man darf sich nur nicht davon verwirren lassen, daß der Bahnhof und die angrenzenden Straßen schräg zum Raster stehen. Das Gelände des Saidai-ji ist rechteckig und mißt 250 m in West-Ost-Richtung und 155 m in Nord-Süd-Richtung. Der Kernbereich, in dem die Tempelgebäude zu finden sind, ist freilich kleiner; von den Rändern her nagen Parkplätze und Wohnbauten am Tempelrechteck. Es gibt mehrere Zugänge zum Gelände, einen von Osten her über die Parkplätze, einen von Süden her durch das Minami-mon (Nan-mon) und einen dritten etwa in der Mitte der Nordseite, der aber privat genutzt und normalerweise verschlossen ist. Das Gelände ist frei zugänglich, die beiden Hallen mit sehenswerten Exponaten kosten Eintritt. Insgesamt ist der Tempel völlig untouristisch und wirkt in der Nebensaison ziemlich verschlafen. An einem regnerischen Tag im September gab es außer Einheimischen nur eine einsame Katze als Begleitung. Gemessen an dem, was dieser Tempel einmal war, ist der heutige Saidai-ji wenig spektakulär, aber für sich durchaus besuchenswert. Schöne Gebäude, sehenswerte Statuen im Inneren, aber der heutige Saidai-ji ist keinesfalls vergleichbar mit seinem östlichen Gegenstück oder anderen ehemaligen Großtempeln Naras. Dennoch wäre es aufgrund seiner Geschichte und früheren Bedeutung nicht befriedigend, ihn bei einer Besichtigung der Stadt auszulassen.


Geschichte und Bedeutung
Dieser Tempel gehört zu den Tempelgründungen, die Kaiserin Shotoku-tenno zugeschrieben werden; das Gründungsjahr ist 765. Gegen Ende der Nara-Zeit nahm der Klerus Einfluß auf die Religionspolitik der Regierung, und es war vor allem der Priester Dokyo (-772), der trotz der finanziellen Erschöpfung des Staates nach dem Bau des Todai-ji noch einmal eine weitere Anstrengung zum Bau des Saidai-ji herbeiführte. Die Kaiserin Shotoku-tenno stand diesem Priester sehr nahe, so daß er sie leicht überzeugen konnte. 764 befahl sie den Bau. Der neue Tempel bildete als Großtempel das Gegenstück zum Todai-ji im damaligen Plan der südlichen Hauptstadt. Obwohl seiner Anlage ein gewisser Antagonismus zu diesem zugrunde lag, konnte er sich schon zur damaligen Zeit nicht mit dem Todai-ji messen. Damals sah die Anlage (Garan) völlig anders aus als heute. Was wir heute sehen, ist nicht nur viel kleiner und gegenüber den ursprünglichen Hauptachsen verschoben, sondern auch das Ergebnis mehrfacher Wiederaufbaubemühungen. Die heutige Hauptachse verläuft weiter östlich der Nara-zeitlichen Nord-Süd-Achse, und der heutige Garan ist breiter als tief, während es in der Nara-Zeit umgekehrt war und der Tempel weiter nach Norden reichte. Einzig die östliche Pagodenplattform ist eine in die Nara-Zeit weisende Konstante im Grundriß. Die ursprüngliche Anlage war zudem wesentlich größer dimensioniert. Der Großteil der damaligen Anlage liegt heute unter den angrenzenden Wohngebieten.

Basierend auf Ausgrabungen und historischen Aufzeichnungen ergibt sich folgendes, unvollständiges Bild: Mit großem Abstand im Süden lag das Haupttor (Nan-dai-mon, großes Süd-Tor), integriert in die äußere Umfassungsmauer. Dann folgen beiderseits der Hauptachse mit ca. 80-100 m Abstand die beiden Pagoden auf gleicher Höhe. Dahinter lag ein rechteckiger Kernkomplex mit umlaufendem Korridor und dem inneren Tor (Chu-mon) in der Mitte der Südseite. Im nördlichen Teil des Hofes lag die Goldene Halle (Kondo), an den beiden vorderen (südlichen) Ecken mittels eines Verbindungskorridors an den umlaufenden Korridor angeschlossen. Die Dimensionen sind durch die Aufzeichnungen im Saidai-ji Shizai Ruki-cho bekannt, 119 shaku (1 shaku = 29,59 cm) breit und 53 shaku tief, mit 9 Pfostenabständen auf der langen und 5 auf der schmalen Seite, die Abstände innen breiter, außen schmäler. Weiter im Norden lag in der Hauptachse die Lehrhalle (Kodo). Auch deren Dimensionen sind bekannt, 106 shaku auf der Längsseite und 68 shaku auf der Schmalseite, mit 7 x 5 Pfostenabständen, die inneren 16 shaku messend, die äußeren 12 shaku. Vor dieser lagen Sutra-Bibliothek und Glockenturm. All das stand frei in einem umlaufenden Korridor, wobei die Anbindung an die Haupteinheit unklar ist. Vom Kodo führte ein gedeckter Gang ostwärts zum Refektorium, den umlaufenden Korridor kreuzend. Das Refektorium maß 100 shaku an der Längsseite und 60 shaku an der kurzen Seite, ein Raster von 9 x 5 Pfostenabständen ergebend, wobei wiederum die inneren Abstände breiter sind als die äußeren.

Bereits im Jahr 764 befahl die Kaiserin die Herstellung von vier jeweils zwei Meter hohen Statuen der vier Wächterfiguren oder Himmelkönige, aus vergoldeter Bronze. Schon im Folgejahr wurden sie gegossen. Durch nachfolgende Brände und andere zerstörerische Ereignisse gingen all diese Figuren bis auf die unter ihnen kauernden Dämonen verloren. Im Jahr 767 wurde eine Wandmalerei für den Tempel angefertigt, die das Reine Land des Amida Buddha, das westliche Paradies, zum Thema hatte, und die weiterhin Miroku Bosatsu abbildete, den Buddha Maitreya der Zukunft.

Der Saidai-ji gehört zu den sogenannten Sieben Großen Tempel von Nara (damals Heijo-kyo), den Nanto Shichi Daiji (Nanto = südliche Hauptstadt, shichi = sieben, dai = groß, ji = Tempel). Die Gruppe umfaßt alle diejenigen Tempel in Nara, die zur Blütezeit der Hauptstadt bis zum Umzug derselben nach Kyoto mächtig und einflußreich waren und meistens Repräsentant einer eigenen buddhistischen Schule oder Richtung waren: Die sechs Nara-Schulen (Nanto roku-shu) verteilen sich u. a. auf diese sieben Tempel, z. T. mehrfach vertreten. Die anderen sechs dieser Gruppe sind der Todai-ji, der Kofuku-ji, der Yakushi-ji, der Gango-ji, der Daian-ji und der etwas außerhalb in Ikaruga gelegene Horyu-ji.

Damals gehörte der Saidai-ji zur Sanron-Schule (Sanron-shu, Schule der drei Shastra). Nach dem Ende der Nara-Zeit ging es steil bergab mit dem Tempel. Deshalb haben auch nur wenige Artefakte aus der Nara-Zeit überlebt. Später kam der Tempel während der Heian-Zeit unter die Kontrolle des Kofuku-ji und wechselte deshalb zur Hosso-Schule (Hossou-shuu).

In der Kamakura-Zeit gab es einen erneuten Wechsel der Lehre, wobei der Shingon-Mönch Eison (1201-1290) erheblichen Anteil hatte. Eison durchlief zunächst Stationen in den Tempeln Daigo-ji (Fushimi-ku, Kyoto) und Kongobu-ji (Koyasan, Koya-cho, Ito-gun, Präfektur Wakayama). Danach kam er in den Saidai-ji und traf im Alter von 34 Jahren die Entscheidung, ein voll ordinierter Mönch zu werden. Doch damals gab es keinen richtigen Ordinationsprozeß mehr im Shingon-Buddhismus, deshalb ordinierte er sich mit seinen Gefährten 1236 im Todai-ji selbst. Er zog zunächst als reisender Priester durch das Land, kehrte dann aber in den Saidai-ji zurück. Der Tempel florierte unter seiner Amtszeit als Oberhaupt des Saidai-ji. Vor allem seine tätige Unterstützung des Kaisers durch esoterische Rituale gegen die drohende mongolische Invasion und das tatsächliche Scheitern derselben, wenn auch wahrscheinlich aus anderen Gründen, verband den Priester mit dem Kaiser, der sich durch großzügige Spenden an den Tempel erkenntlich zeigte. Auch vom pensionierten Kaiser Kameyama kamen Grundbesitz-Spenden. Eison bekam nach seinem Tod den posthumen Titel Kosho Bosatsu. Seit der Übernahme 1238 gehört der Tempel zur Shingon-Risshu-Schule, eine Kombination aus Shingon- und Risshu-Lehren. Eison ist der Gründer dieser Schule. Auf den die Ausrichtung des Tempels nachhaltig prägenden Eison folgte als Oberhaupt des Tempels sein Schüler Shinku (Shinkuu). Aber erst in der Meiji-Zeit spaltete sich die Shingon-Risshu-Schule als eigenständiges Lehrsystem von der Shingon-Schule ab; seitdem ist der Saidai-ji Oberhaupt dieser Schule.

   

Abb.: Goshuin des Saidai-ji in Nara, rechte Spalte unten: Datum: 28.8.2019.

Außerdem zählt der Saidai-ji, dessen Bergname Shohozan (Shouhouzan) lautet, zu den Dreizehn buddhistischen Stätten von Yamato (Yamato juu-san butsu reijou), wobei Yamato der historische Name für das Gebiet der heutigen Präfektur Nara ist. Die anderen Tempel dieser Gruppe sind der Daian-ji, der Enjo-ji, der Shigisan Gyokozo-in, der Ryosen-ji, der Shin-Yakushi-ji, der Taimadera, der Yata-dera, der Ofusa-Kannon-Tempel, der Chokyu-ji, der Hozan-ji, der Abe Monju-in und der Chogaku-ji. Von diesen 13 Tempeln gehören 11 diversen Shingon-Richtungen an und 2 der Kegon-shu. Der Saidai-ji wird dabei als Vertreter der Shingon Risshu geführt.

Bekannt ist der Saidai-ji für eine spezielle Tee-Zeremonie, die sich in der Kamakura-Zeit herausgebildet hat. Sie wird O-cha-mori genannt. Typisch ist die Verwendung völlig überdimensionierter Utensilien, wobei die Teeschale mehr als einen halben Meter Durchmesser hat. Auch diese Zeremonie geht auf den Priester Eison zurück. Die Legende sagt, daß sie so entstand: Als Eison ein Ritual in einem Schrein auf dem Tempelgelände beendete, fiel feiner frischer weißer Schnee und verwandelte das Gelände in eine Szene atemberaubender Schönheit. Er sah das als Omen und lud vor dem Schrein spontan zu einer Teezeremonie ein als Zeichen der Ehrfurcht vor dieser Schönheit. Wegen der Vielzahl der Anwesenden benutzte Eison eine riesige Teeschale, um den Tee an alle Anwesenden verteilen zu können. So entstand der Ochamori-Teeritus im Tempel. Zeitpunkte für die Durchführung heute sind das erste Wochenende im April (Samstag und Sonntag) sowie der zweite Sonntag im Oktober.


Rundgang und Beschreibung:
Was wir heute an Gebäuden sehen, ist Edo-zeitlich oder später. Kunstwerke aus älteren Epochen (Nara-Zeit, Heian-Zeit, vor allem Kamakura-Zeit) werden in den Kulthallen und Schatzhausräumen aufbewahrt.

Wenn man sich von Süden her dem Tempel nähert, liegt das Minami-mon (Nan-mon), das ehemalige Haupttor, 33 m von der Straße nach Norden zurückversetzt, und dort verläuft auch eine Quermauer als südliche Abgrenzung des Tempelgeländes, die sich links nach ca. 40 m im Gebüsch verliert und rechts 103 m bis zu einem östlichen Nebentor reicht.

Nach 65 m gerade nach Norden stößt man auf das historische Pagodenfundament (Toto ato, Tou-tou ato, Ruine des Ost-Turmes). Es handelte sich um die östliche von einst zwei Pagoden des Original-Layouts, die beide zwar als achteckige und siebenstöckige Pagode geplant waren, aber am Ende der Nara-Zeit aufgrund von Sparmaßnahmen nur auf viereckigem Grundriß und mit je fünf Stockwerken gebaut wurden. Die Plattform mißt ca. 17 m auf jeder Seite, besitzt vier Treppen und 16+1 Basissteine. Schon kurz nach der Errichtung wurde 928 eine Pagode durch ein Gewitter zerstört. Die Ost-Pagode wurde in der späten Heian-Zeit wiederaufgebaut, brannte aber 1502 ab und ist seitdem Ruine. Die rekonstruierte Höhe der fünfstöckigen Pagode beläuft sich auf 150 shaku, ca. 44 m. Von den Basissteinen ausgehend hatte sie eine Seitenlänge von 28 shaku (8,28 m), wobei die äußeren Kompartimente 9 shaku und das mittlere Kompartiment 10 shaku haben. Im Jahre 1956 ergab ein Grabungsbefund, daß um das Fundament eine achteckige Bodenspur herumführt, was der ursprünglichen, nicht verwirklichten Planung entspricht. Das Fundament wird deshalb heute von einer achteckig begrenzten Grünanlage umgeben. Das Fundament bildet heute das Zentrum der Tempelanlage, war aber früher die östliche Hälfte eines Paares.

Die westliche Pagode befand sich auf gleicher Höhe ca. 80 m weiter westlich des Fundamentes der Ostpagode. Hier haben sich weder die Plattform noch die Basissteine erhalten. Die Position im Gelände ist unter den Bäumen am Westende des heutigen Tempelgeländes zu suchen, etwa so, daß die südliche Schmalseite des Aizen-do genau in der Mitte zwischen beiden Fundamenten liegt. Wenn man vor der im Freien stehenden Statue schräg rechts unter die Bäume schaut, blickt man auf die Stelle. Von den beiden Pagoden hat man dreifarbige Schmuckziegel vom Ende der Dachsparren gefunden, runde und viereckige.

Nördlich des Pagodenfundaments befindet sich die einstöckige Haupthalle (Hondo, Hondou) aus der mittleren Edo-Zeit mit hölzernen Wänden, ziegelgedecktem (Hongawarabuki) Walmdach (Yosemune-zukuri) und vorne und hinten rechteckig ausgezogenem Vordach. Sie ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert und stammt in der gegenwärtigen Form von 1808. Die Konstruktion basiert auf einem Raster 7 x 5 Pfostenabständen. Funktionell ist sie der Nachfolgebau des in der Kamakura-Zeit nördlich der Ostpagode errichteten Komyo Shingon-do (Koumyou Shingon-dou). Der Innenraum ist in drei Andachtsbereiche aufgeteilt, mit Sumidan in der Mitte und Seitenplattformen im Westen und im Osten. Innen gibt es mehrere interessante Statuen: Ein wichtiges Kulturgut ist die Kamakura-zeitliche Figur eines Buddha Shakyamuni, das Hauptkultbild des Tempels (Honzon shaka-nyorai ryuu-zou). Ein weiteres wichtiges Kulturgut ist eine Kamakura-zeitliche Figur eines Bodhisattvas Manjushri auf einem großen Löwen reitend (Monju-bosatsu kishi-zou). Als wichtiges Kulturgut der Präfektur Nara ist die Kamakura-zeitliche Sitzfigur eines Buddhas der Zukunft (Miroku-bosatsu zazou) eingestuft. Weitere Kunstwerke ohne entsprechende Klassifizierung sind eine Edo-zeitliche Figur des Kobo Daishi (Koubou-daishi zazou), eine Edo-zeitliche Figur des Mönches Eison (Koushou-bosatsu zazou), eine Jizo-Standfigur (Jizou-bosatsu ryuuzou) und eine Malerei der 16 Arhat (Juu-roku-rakan-zu).

Westlich des Pagodenfundaments steht die Edo-zeitliche Halle Aizen-do (Aizen-dou), einstöckig mit Irimoya-Dach und Sangawarabuki-Ziegeln. Diese auf einem Schema von 11,5 x 7,5 ken beruhende Halle ist als wichtiges Kulturgut der Präfektur Nara ausgewiesen. Die 1767 entstandene Halle ist im Shinden-Stil erbaut, was daran liegt, daß sie ursprünglich aus einer Residenz der Familie Konoe in Kyoto stammt und als Spende an den Tempel kam. Innen ist das Gebäude in drei Abschnitte aufgeteilt: Die Nordseite ist als Gäste- und Empfangsbereich (Kyakuden) ausgelegt mit bemalten Schiebetüren (Fusuma-e), erhöhtem Alkoven und den typischen Regalen und Staufächern in einer Nische (die Halle Aizen-do dient damit auch als Abtsresidenz mit repräsentativen Räumlichkeiten zum Gästeempfang), der Mittelteil ist der Naijin mit dem verborgenen Bild des Aizen Myoo im zentralen Sumidan, und der südliche Teil dient der Verehrung der Verstorbenen. Im Inneren erwarten uns folgende Kunstwerke: Als wichtiges Kulturgut eingestuft ist die Kamakura-zeitliche, in einem Schrein verborgene Figur des Aizen Myoo (Aizen-myouou zazou), auf einem Lotussockel sitzend, den gleichen Status hat das aus der Kamakura-Zeit stammende schwarz lackierte Podest (O-dan). Als Nationalschatz eingestuft ist der aus der Kamakura-Zeit stammende Mönch Eison (Koushou-bosatsu juzou, Mokuzou eison zazou). Diese 88 cm hohe Figur wurde von Zenshun im Jahre 1280 hergestellt. Sehenswert ist weiterhin die Fassung (O-tamaya) der Medien des Totengedenkens, in der Mitte die zuletzt genannte Figur, in den beiden Seitenteilen die Brettchen und Stäbe zum Gedenken an weitere Personen.

Im Eck zwischen den beiden großen Hallen steht die kleine Edo-zeitliche Halle Daikoku-do, basierend auf einem Grundriß von 2 x 2 ken und mit einfachem Satteldach (Kirizuma zukuri). In diesem Gebäude wird Daikoku-ten verehrt, einer der Sieben Glücksgötter. Die Sitzstatue (Daikokuten zazou) in dem hellen Raum stammt aus der Muromachi-Zeit. Nördlich dieser beiden Gebäude erstreckt sich das eng miteinander vernetzte System aus kleinen Hallen und Korridoren des eigentlichen Klosterbereiches, wo die Mönche privat leben. Dieser Tempelbereich wird Honbo genannt. Es gibt einen Shoin und einen Okushoin. Dort sind auch das Sohonzan-Tempelbüro und das Shingon-Risshu-Büro untergebracht. Die hintere Halle ist mit einem Korridor mit dem Aizen-do verbunden, so daß man gut in den Kyakuden gelangen kann. Wenn man durch das Vordertor (Omote-mon) in diesen Bereich hineinschaut, sieht man schräglinks einen Eingangsbau (Omote-genkan) mit geschwungenem Giebel (Karahafu). 

Im Südwestbereich stehen die beiden modernen Gebäude Komeiden (Koumeiden, Showa-zeitlich, 1978 erbaut, für Tee-Zeremonien erbaut mit Teezimmer, Gästehalle und Foyer) mit Irimoya-Dach und Koshoden mit Walmdach und leicht L-förmigem Grundriß (Heisei-zeitlich, Mehrzweckhalle mit Bühne für die Belange der Tempelgemeinde). Dem ersteren vorgelagert befinden sich die Halle Daishido (1973 zum 1200sten Jahrestag von Kobo Daishi in der jetzigen Form gebaut, auf der Grundlage eines Provisoriums von 1960, sitzende Statue von Kobo Daishi von 1918) und der Glockenturm (Shoro, Shoro-do). Der aus der Edo-Zeit stammende hölzerne Shoro mit stark geböschtem Unterbau basiert auf einer Konstruktion von 3 x 2 ken. Er ist als wichtiges Kulturgut der Stadt Nara ausgewiesen. Ursprünglich stand er im Tada-in in Kawanishi (Präfektur Hyogo), bevor er am Ende der Edo-Zeit oder am Anfang der Meiji-Zeit hierher versetzt wurde. Die Glocke wird jedes Jahr am letzten Tag des Jahres angeschlagen.

Dem Koshoden vorgelagert liegt auf einer kleinen Insel der Shinto-Schrein (Seiryuu-gongen-sha). Südlich davon, nahe der südlichen Umfassungsmauer stehen die winzige Halle Akaido und eine Serie von Kannon-Darstellungen (Kannon reijou). Im Südostbereich östlich des südlichen Zuweges (Sando) liegt nur der Subtempel Gokoku-in (Houshou Gokoku-in, 1283 von Koushou erbaut, nach Brand 1573 wieder aufgebaut, Gästehalle (Kyakuden) Jibutsu-do vom Anfang des 18. Jh., Hauptkultbild ist Fudo myo-o). Es ist der erste von insgesamt fünf Subtempeln auf dem Gelände.

Zwischen Pagodenfundament und Haupthalle nimmt der nach Osten führende Hauptweg seinen Ausgang. Auf der Südseite passiert man nacheinander die Eingangstore der beiden Subtempel Zocho-in (Zouchou-in, in der heutigen Form 1891 wiederaufgebaut, in der frühen Showa-Zeit rekonstruiert, Hauptkultbild eine vermutlich Heian-zeitliche Figur des Fudo myo-o) und Kezo-in (Kezou-in, 16. Jh, nach Brand wieder aufgebaut, Hauptkultbild ist ein Fudo Myo-o, angeblich von Kouei Daitoku 1669 hergestellt, Showa-zeitliche Rekonstruktion). Auf der Nordseite liegt der durch einen Mauerdurchlaß zu erreichende Gomado (Fudo-do), ein wichtiges Kulturgut der Stadt Nara, basierend auf 3 x 3 ken, mit Walmdach (Yosemune-zukuri). Das gegen Ende der Kanei-Ära (1643) erbaute Gebäude stand früher südlich der Halle Aizen-do und wurde 1979 an den jetzigen Standort verlegt. Eine Fudo-Zeremonie wird an jedem 28. eines Monats abgehalten. Innen befindet sich eine Edo-zeitliche Fudo-Statue (Fudou-myouou-zou). Ebenfalls dort liegt dahinter im Norden quer der Saidai-ji Juhokan (Shuhokan, Juuhoukan), das Museum, dazu unten mehr. Dahinter folgt ein Kindergarten nahe der nördlichen Außenmauer.

Ein ganzes Stück weiter nach Osten liegt nördlich des Weges eine wirklich schöne und bedeutende Edo-zeitliche Halle, zweistöckig mit erhöhtem Mittelteil, Shio-do (Shioudou) genannt, und das ist wiederum eine museale Halle, die man genau wie die Haupthalle gegen Eintrittsgebühr besichtigen kann. Die Halle steht auf einer Nara-zeitlichen Stampflehmplattform, die noch von der allerersten Halle an dieser Stelle stammt, ist aber selbst ein jüngerer Wiederaufbau. So entsteht der seltsame Hybrid aus einem alten Typ Unterbau und einem neuen Überbau. Den Namen hat die 1674 wiedererbaute Halle nach den Shi-tenno, den vier Himmelskönigen (Shitennou-zou, wichtiges Kulturgut, jeweils böser Dämon Nara-zeitlich, Standfigur Muromachi-zeitlich). Bei den vier Dämonen handelt es sich um die Reste der oben erwähnten, 765 gegossenen Shi-tenno, und sie gehören zu den wenigen erhaltenen Nara-zeitlichen Artefakten des Tempels. Der Mittelteil basiert auf einem Gerüst aus 3 x 2 ken, der Gesamtplan hat damit 5 ken in der Breite und 4 ken in der Tiefe. Das Hauptkultbild der Halle ist eine Heian-zeitliche elfgesichtige Kannon (Juu-ichi-men Kannon ryuu-zou), ein wichtiges Kulturgut. Nach dem Hauptkultbild wird diese Halle auch als Kannon-do bezeichnet.

Und ganz im Osten liegt der Subtempel Hoju-in (Houju-in), in der Nordostecke des Tempelbezirks. Die Haupthalle ist ein Amida-do, in dem Buddha Amida verehrt wird. Diese Halle wurde 1656 erbaut. Außerdem werden hier Fudo-myo-o und Zenshin Shounin verehrt; beide sind mit einer Statue vertreten. An diesem nicht für Besucher geöffneten Subtempel endet der West-Ost-Weg am Osttor (Higashi-mon). Wiederum auf der Südseite des Weges liegt dort ganz im Osten der Subtempel Seijo-in (Seijou-in, 1984 abgebrannt, 1985 rekonstruiert, Statuen konnten gerettet werden, Hauptkultbild ist ein sitzender Fudo Myo-o von Houzan Tankai, im Subtempel finden regelmäßig Sitzungen zum Sutra-Kopieren statt), südlich davon ein zweiter Kindergarten auf dem Gelände. Jenseits des Osttors liegt auf der anderen Seite der Straße der kleine Saidai-ji Higashimonzen-Park.


Tempelschätze:
Das nördlich hinter dem Gomado gelegene Museum (Juhokan) ist ein 1960 erbauter Ausstellungsraum aus Beton, klassisch auf Pfosten gesetzt, aber auch diese aus armiertem Beton. Im Südosten wurde 1983 eine weitere Halle rechtwinklig zur ersten zur Aufbewahrung der Tempelschätze angebaut. Zu den Tempel-Kunstwerken gehören im einzelnen: 1.) 91 cm hohe, 1270 entstandene, Kamakura-zeitliche Miniatur-Pagode aus vergoldeter Bronze (Kondou houtou) mit Begleitgegenständen (Reliquienbehälter etc., Kondou houjugata sharitou, Kondou tsutsugata youki, Suishou gorintou), Nationalschatz, Leihgabe an das Nationalmuseum Nara, 2.) Kamakura-zeitliche Daijinguu-Darstellung (wichtiges Kulturgut), 3.) Heian-zeitliche Kisshoten-Statue (wichtiges Kulturgut), 4.) vier Heian-zeitliche Buddha-Sitzfiguren (wichtiges Kulturgut), 5.) Kamakura-zeitliche hölzerne und bemalte Bishamonten-Figur, 6.) Edo-zeitliche Sitzfigur eines Mönches, 7.) Edo-zeitliche Sitzfigur von Gyoki Bosatsu (Gyouki-bosatsu zazou, wichtiges Kulturgut), 8.) Kamakura-zeitliches Holz mit Inschriften (wichtiges Kulturgut), 9.) Kamakura-zeitliche Glocke und Vajra, 10.) eine 176 cm hohe, 1284 entstandene, Kamakura-zeitliche eiserne Miniatur-Pagode (Teppoutou) und innen fünf krugförmige Behälter aus Kupfer für Buddhas Asche (Shari-hei), Nationalschatz, Leihgabe an das Nationalmuseum Nara, 11.) ein 37 cm hoher, aus dem 13. Jh. stammender, Kamakura-zeitlicher filigraner Reliquien-Behälter aus vergoldeter Bronze, geschmückt mit Arabesken, Drachen, Löwe, Pönie und Chrysantheme, wurde ursprünglich als Lampe verwendet und dann umfunktioniert (Kondou sukashibari shari-tou), Nationalschatz, Leihgabe an das Nationalmuseum Nara, 12.) zwölf Hängerollen mit Götterdarstellungen (Kenpon chakushoku juu-ni-ten-zou), bemalte Seide, je 160 cm x 134,5 cm, Nationalschatz.

Im Jahre 2017 wurde eine Sonderausstellung von Kunstschätzen des Tempels aus Anlaß der 1250-Jahr-Feier der Gründung im Mitsui Memorial Museum zusammengestellt, mit erheblich mehr Exponaten als den genannten Höhepunkten: Vergoldete Ritualgegenstände aus Bronze für esoterische Praktiken aus der Kamakura-Zeit, ein Kamakura-zeitlicher Schwarzlack-Schrein, Klangschalen aus der Kamakura-Zeit, ein Heian-zeitliches Tokkosho (Vajra mit Klinge), Essensbehälter aus vergoldeter Bronze aus der Kamakura-Zeit, Nara-zeitliche Keramik-Ziegel, teils mit Relief, eine Riesen-Teeschale für die Tee-Zeremonie Ochamori-shiki, diverse Sutra-Rollen (Konkomyo Saisho-o-kyo aus dem Jahr 762 und Daibirushana Jobutsu Jinpenkaji-kyo aus dem Jahr 766) aus der Nara-Zeit (beides Nationalschätze), ein Kamakura-zeitlicher Behälter für Sutras (Nationalschatz) mit Lackarbeit (Mond und Strauchpäonie), vier sitzende Tohonshibutsu aus der Nara-Zeit (wichtige Kulturgüter, ursprünglich in der fünfstöckigen Pagode untergebracht, Amitabha = Amida nyorai, Shakyamuni = Shaka nyorai, Aksobhya = Ashuku nyorai und Ratnasambhava = Hosho nyorai), zwölf Devas (Nationalschatz), eine Heian-zeitliche Figur von Cintamanicakra (Nyoirin Kannon, wichtiges Kulturgut), ein Kamakura-zeitlicher Brief von Eison (wichtiges Kulturgut), eine Autobiographie von Eison aus der Nanbokucho-Zeit, datiert 1359 (Kanjin Gakusho-ki, wichtiges Kulturgut), eine Kamakura-zeitliche Shakyamuni-Triade (Shaka sanzon, wichtiges Kulturgut), eine weitere Kamakura-zeitliche Shaka-Triade mit 16 Wächtern, eine aus der Nanbokucho-Periode stammende Gruppe der fünf großen Akasagarbha (Go-dai-Kokuzo-Bosatsu), ein auf 1414 datierter und aus der Muromacho-Zeit stammender Reliquienbehälter aus vergoldeter Bronze in Form eines flammenden Juwels (wichtiges Kulturgut) u. v. a. m.


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@34.6933522,135.7797884,19z - https://www.google.de/maps/@34.6933522,135.7797884,213m/data=!3m1!1e3
Webseite des Tempels:
http://saidaiji.or.jp/ - Tempelgeschichte: http://saidaiji.or.jp/history/
Übersichtsplan des Tempelgeländes:
http://saidaiji.or.jp/precinct/
Erläuterung der einzelnen Gebäude und Kunstwerke: z. B. Hondo:
http://saidaiji.or.jp/precinct/p01/ - Pagodenfundament: http://saidaiji.or.jp/precinct/p07/ - Aizen-do: http://saidaiji.or.jp/precinct/p03/  - Honbo: http://saidaiji.or.jp/precinct/p02/ - Shiodo: http://saidaiji.or.jp/precinct/p12/ - Gomado: http://saidaiji.or.jp/precinct/p19/  - Daishido: http://saidaiji.or.jp/precinct/p17/ - Daikokudo: http://saidaiji.or.jp/precinct/p18/ etc.
Liste der Nationalschätze:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(crafts:_others) - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(sculptures) - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(paintings)
Die Sieben Großen Tempel von Nara:
https://en.wikipedia.org/wiki/Nanto_Shichi_Daiji
Die Dreizehn buddhistischen Stätten von Yamato:
https://en.wikipedia.org/wiki/Thirteen_Buddhist_Sites_of_Yamato
Der Saidai-ji auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Saidai-ji - https://de.wikipedia.org/wiki/Saidai-ji
Celebrating the 1,250th Anniversary of the Founding of Saidai-ji Temple, Nara, The Treasures of Eison and his school, List of Exhibits, Mitsui Memorial Museum, 2017
Minoru Ooka, D. Lishka: Temples of Nara and Their Art, Heibonsha Survey of Japanese Art, 192 S., Verlag: Art Media Resources 1973, ISBN-10: 0834810107, ISBN-13: 978-0834810105, insbes. S. 40-62 und Grundriß-Kompilationen
Saidai-ji:
https://www.japanese-wiki-corpus.org/geographical/Saidai-ji%20Temple%20(Nara%20City).html
Eison:
https://en.wikipedia.org/wiki/Eison


Saidai-ji, Teil (2): Photos

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