Bernhard Peter
Otsu (Präf. Shiga): Berg Hiei, Enryaku-ji (1): Geschichte und Beschreibung


Lage und Erreichbarkeit
Der Enryaku-ji ist eine ausgedehnte Tempelanlage auf dem 848 m hohen Hiei-zan, dem Berg Hiei, der sich im Nordosten der Stadt Kyoto zwischen dieser und dem Biwa-See erhebt, auf der Grenze zwischen den Präfekturen Kyoto und Shiga. Deshalb wird die religiöse Stätte auch Hiei-zan-ji genannt, Tempel des Berges Hiei. Er ist eines der wichtigsten spirituellen Zentren des japanischen Buddhismus. Mehrere Gebäudegruppen liegen verstreut in dem weitläufigen Bergareal (Adresse: 4220, Sakamotohommachi, Otsu Shi, Shiga Ken, 520-0116, Japan). Es gibt zwei prinzipielle Wege der Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln, eine von Westen und eine von Osten.

Östlicher Zugang: Von Kyoto Hauptbahnhof (Kyoto Eki) aus nimmt man die Tokaido-Sanyo Line bzw. Kosei Line nach Omi-Imazu (selber Zug, nur die Linienbezeichnung wechselt in Yamashina) am Westrand des Biwa-Sees entlang bis zur Haltestelle JR Hieizan-Sakamoto. Von da kann man den Bus ab Hieizan-sakamoto-eki bis zur Haltestelle Cable Sakamoto-eki nehmen, alternativ sind es 1,5 km zu Fuß genau nach Westen leicht bergan. Für JR-Paß-Besitzer ist das der kostengünstigere Weg. Es gibt aber noch einen näheren Bahnhof, die Endhaltestelle Sakamoto-hieizan-guchi (OT21) der Keihan Ishiyama Sakamoto Line. Dazu fährt man mit der JR Kosei Line bis zum Bahnhof JR Otsukyo und wechselt zum Bahnhof Keihan Otsukyo, wo man den Zug in nördliche Richtung bis zur Endhaltestelle nimmt;  diese Bahn wird aber nicht vom JR-Paß gedeckt und muß extra bezahlt werden. Dafür spart man sich am anderen Ende den halben Fußweg und muß nur 850 m genau nach Westen gehen bis zum Cable Sakamoto.

Dann folgt der Anstieg auf den Berg mit der Standseilbahn Cable Sakamoto (Sakamoto Keiburu), die offiziell Hieizan Tetsudou-sen oder Hieizan Railway Line heißt. Diese Fahrt ist ein Erlebnis für sich, zum einen, weil die Wagen der 1927 eröffneten Bahn ein historisches Flair haben, zum andern, weil sich atemberaubende Ausblicke auf den Biwa-See und die umliegende Landschaft bieten, wenn der Waggon auf der bis auf die Ausweichstrecke in der Mitte eingleisigen Route hochgezogen wird, über Brücken, durch einen Tunnel, durch enge farnbewachsene Schluchten. Es ist die längste Standseilbahn in Japan; auf 2,025 km Länge werden 484 Höhenmeter überbrückt. Es gibt nur zwei Waggons (En-go und Fuku-go = Glückswaggon) im europäischen Stil der Zeit, von denen immer einer aufwärts und einer abwärts unterwegs ist und die sich in der Ausweichstrecke in der Mitte begegnen. Es gibt entlang des Weges zwar noch zwei weitere Stationen, hier wird aber nicht angehalten. Der erste Zug fährt von März bis November um 8:00 Uhr, von Dezember bis Februar um 8:30 hoch, der letzte Zug fährt um 17:30 Uhr runter, in den drei Wintermonaten um 17:00, Abfahrt alle halbe Stunde, immer um Punkt und um Halb. Hin und Zurück kostet das 1660 Yen einfach 870 Yen. Von der Bergstation läuft man etwa 650 m bis zum Tickethäuschen des Enryaku-ji, Teil To-do.

Westlicher Zugang: Das ist günstiger für Keihan-Benutzer: Man nimmt am Bahnhof Shichijo (ca. 1.1 km zu Fuß ab Bahnhof Kyoto) die Keihan Main Line nach Norden bis zur Endhaltestelle Demachiyanagi (ca. 10 min., 5 Haltestellen). Dort wechselt man den Bahnhof und steigt in die Eizan Main Line nach Yase-Hieizanguchi (Endstation). Achtung: Die Eizan Line gabelt sich, man darf nicht die Kurama Line erwischen. Nach wenigen Metern zu Fuß kommt man an die Talstation der Keifuku Cable Line (Eizan Keiburu), die zweite Standseilbahn, die von Westen her den Berg hinauffährt. Sie wird zwar "Eizan" genannt, wird aber von der Gesellschaft Keifuku Electric Railways betrieben. Auch das ist eine historische Linie, denn sie wurde 1925 eingerichtet, zwei Jahre vor der östlichen Alternative. Diese Standseilbahn ist zwar kürzer, nur 1,3 km lang, aber sie überwindet eine größere Höhendifferenz als die andere, nämlich 561 m. Damit ist sie die steilste solche Bahn im Lande, es geht hier also steiler bergauf als im Osten. Von der Konstruktion her ist sie ähnlich gebaut, zwei Waggons, ein Gleis mit Ausweiche in der Mitte. Die Bahn fährt alle 15-20 Minuten und kostet 540 Yen einfach und 1080 Yen hin und zurück.

Dann ist man aber noch nicht ganz oben, denn an der Endstation muß man noch zur Eizan Ropeway wechseln, einer echten Seilbahn (einfach 310 Yen, hin und zurück 620 Yen). Von Demachiyanagi bis zum Gipfel sollte man eine Stunde einplanen. Oben kommt man direkt am Garden Museum Hiei an. Am Osteingang desselben kann man den Shuttle-Bus nehmen, der die verschiedenen Teile des Enryaku-ji miteinander verbindet, einmal pro Stunde fährt und die Bereiche Ost-Pagode (To-do), Enryaku-ji Bus-Center, West-Pagode (Sai-to), Mine-michi und Yokawa miteinander verbindet (Tagespaß: 800 Yen).

Natürlich gibt es auch einen Wanderweg von 1.5 km Länge bis zum Zentrum des Bereiches To-do, angenehmer zu laufen als den asphaltierten Hieizan Driveway entlang zu gehen. Eine Alternative ist der Bus ab Bahnhof Demachiyanagi: Der Keihan Bus Nr. 57 fährt bis Hiei Sancho (53 min., 820 Yen). Es führt von der Westseite auch ein Wanderweg von Shugakuin aus hoch, das ist aber extrem anstrengend bei sommerlicher Hitze und / oder Schwüle, so viel Wasser kann man gar nicht mitnehmen, wie man braucht.

Die einzelnen Bereiche sind To-do, Sai-to und Yokawa. Diese werden durch die Straße Okuhiei Driveway miteinander verbunden. Gleichzeitig führt ein angenehmerer Wanderweg von einer Gebäudegruppe zur nächsten. Was dermaßen gut erschlossen ist, zieht auch entsprechend viele Besucher an. Umgekehrt gilt aber: Sobald man sich abseits schlägt, kann man mutterseelenallein auf Entdeckungstour gehen. Die meisten Besucher tummeln sich im Bereich To-do, ja, das kann man durchaus als touristisch bezeichnen, hier stehen auch die größten und schönsten Gebäude. Kleine Einschränkung: Derzeit (2016-ca. 2026) wird das Hauptgebäude des Bereichs To-do, der Konpon-chudo, restauriert und ist vollständig eingerüstet. Innenbesichtigung ist temporär möglich. Schon im Bereich Sai-to wird es ruhiger. Und zum Yokawa-Komplex schaffen es nur die ganz Harten. Und man muß ja nicht dem Bus auf der Hauptstraße folgen, sondern kann einfach wandern gehen in einem wunderbaren Bergwald, der eine unglaubliche Geräuschkulisse an Vögeln und Zikaden bereithält, während man selber in der dämpfigen Schwüle auf den steilen Wegen am Japsen ist und Wasserflasche um Wasserflasche leert. Dazu gibt es noch lohnenswerte Wanderungen seitwärts der Straße zum Ruri-do und zum Seiryu-ji. Beides sind Ziele, zu denen man richtig weit durch den Wald laufen muß, die aber mit absoluter Einsamkeit und Touristenfreiheit belohnen. Südlich der östlichen Bergstation befindet sich am Hang ein weiterer Tempelkomplex, auch dies ist eine angenehme Wanderung abseits der Standardrouten, ebenso touristenfrei. Wer also nicht nur den To-do sehen will, sondern ein bißchen den Bergwald genießen möchte und abgelegenere Bauwerke sehen möchte, sollte für den Berg Hiei wirklich einen ganzen Tag einplanen, denn die abgelegeneren Tempel sind die stimmungsvolleren. Alternativ kann man sich auf die südlichen Bereiche beschränken und die Tour mit dem Schrein Hiyoshi Taisha in Otsu kombinieren, nahe der Talstation gelegen.

Das Gelände kostet 700 Yen Eintritt, ab 1.3.2020 1000 Yen. Die Schatz-Halle (Kokuho-den), also das Museum, kostet noch einmal extra 500 Yen Eintritt, ebenso einzelne andere Gebäude (Konpon-chudo, Monju-ro). Man folgt dem bewährten Mittel, sagen wir es positiv, durch multiple Eintrittserhebung jedem zu ermöglichen, ein individuelles Innenbesichtigungsprogramm zusammenzustellen und sich bei weniger Zeit repräsentative Gebäude herauszupicken, oder sagen wir es negativ, den interessierten Besucher maximal zu schröpfen. Wenn man dann zusammenrechnet: Standseilbahn, Shuttle-Bus, Gelände, Einzelgebäude, noch ein paar Goshuin oder andere Andenken, dann kostet der Tag Enryaku-ji ein erkleckliches Sümmchen. Andererseits sind das Ausgaben, die man gerne tätigt, weil man genau deswegen gekommen ist und weil man so zum Erhalt dieser Kulturgüter beiträgt, deren Instandhaltung und Renovierung Unsummen verschlingt. Wichtig: Wenn man vom Bereich To-do zum Bereich Sai-to läuft, passiert man ein weiteres Tickethäuschen - das To-do-Gelände-Ticket hier nur vorzeigen, es gilt für das gesamte Gelände, bei anderen Kontrollpunkten analog.

Ganz grob läßt sich der Enryaku-ji also in drei Teilbereiche einteilen, von Süden nach Norden sind das To-do, Sai-to und Yokawa. Daneben gibt es noch kleinere Bereiche und Einzelbauwerke, die mehr oder weniger willkürlich einem der drei Bereiche zugerechnet werden. Der Bereich Todo ist der wichtigste Bereich, denn hier begann alles, hier lag die Keimzelle des gesamten Areals, hier steht auch heute noch mit dem Konpon-chudo der oberste Tempel des ganzen Berges. Im Bereich Sai-to hingegen stehen die ältesten Gebäude des Berges Hiei. Am meisten Touristen sind im Bereich Todo. Bereits der Bereich Saito ist deutlich ruhiger. Ein paar Meter Fußmarsch trennen wie überall die Massen von den Interessierten. Die untouristischsten Bereiche sind Rurido, Seiryu-ji und das Tal des Mudo-ji.


Geschichte und Bedeutung: Gründungszeit und Fraktionsbildung
Gegründet wurde der Enryaku-ji während der Nara-Zeit im Jahre 788 von Saicho (Dengyo Daishi, 767-822, Saicho = wörtlich "Höchste Klarheit"). Die Anfänge bestanden in einer kleinen Hütte in den Bergen, einer Einsiedelei, dann 788 einer kleinen Halle, in der ein Yakushi Nyorai (heilender Buddha, Medizin-Buddha) als Hauptbild verehrt wurde. Damals wurde das Heiligtum Ichijo-shi-kan-in genannt. Dieses allererste Heiligtum entstand also schon vor seiner China-Reise, die er 804 antrat und in deren Verlauf er am Berg Tiantai die Grundlagen seines späteren Tendai-Buddhismus erlernte.

Der Berg Hiei selbst hat etwas Heiliges an sich, das elegante Profil, die phantastische Natur an seinen Hängen, das Meer an Bäumen rings um die Sakralbauten, die beherrschende Lage zwischen der Hauptstadt und dem Biwa-See - nicht umsonst haben ihn die Poeten als "Fuji-san von Kyoto" bezeichnet, um seine Einzigartigkeit zu unterstreichen. Der Ichijo-shi-kan-in beschützte ab 794 die neue Hauptstadt Heian-kyo aus der nach Feng Shui gefährlichsten Richtung, Nordosten. Deshalb förderte Kaiser Kammu die Entwicklung des seit 788 bestehenden Tempels, als er die Hauptstadt verlegte, und Saicho war bereits an den Einweihungsriten für die neue Stadt beteiligt worden. Dieser Kaiser schickte den Mönch auch auf die China-Reise, um ihn zu fördern. Saicho kehrte 805 zurück mit vielen Lehrschriften, Sutras, Kommentaren und neuen Erkenntnissen. Da Saicho im Todai-ji in Nara ordiniert wurde, müssen wir ihn bis dahin formal noch als erfolgreichen heterodoxen Angehörigen der Kegon-shu mit kaiserlicher Protektion betrachten. Erst 806 wurde mit kaiserlicher Erlaubnis die Tendai-Schule gegründet, und die Lösung vom Bisherigen war vollzogen. Deshalb gab es zwar ab 788 ein Heiligtum, aber erst seit 805 bzw. 806 Tendai-Buddhismus auf dem Berg Hiei. Die Anerkennung als unabhängige buddhistische Schule erhielt der Tendai-Buddhismus erst später. Saicho etablierte ein Zwölfjahresprogramm für die Ausbildung seiner Schüler.

Der Tempel entwickelte sich noch zu Lebzeiten des Gründers zu einem bedeutenden Zentrum des Tendai-Buddhismus. Dennoch mußten 806-822 die Mönche für die Ordination immer noch nach Nara pilgern. Wichtig war für die weitere Entwicklung des Enryaku-ji, daß der Tempel schon kurz nach dem Tod des Gründers das heißbegehrte eigene Ordinationsrecht bekam, gegen den heftigen Widerstand der Nara-Schulen. Das war ein bedeutender Akt der Emanzipation gegenüber den starken Nara-Schulen, die bislang das Ordinationsrecht als eine Art Monopol innehatten. Das 822/823 kurz nach dem Tod des Gründers erhaltene Ordinationsrecht war gleichbedeutend mit der Anerkennung als unabhängige buddhistische Schule, und 828 wurde das Gebäude zur Ordination erbaut, der erste Kaidan-in. Der Tendai-Buddhismus war nun sozusagen flügge geworden.

Zu Lebzeiten des Gründers müssen wir uns einfach eine Ansammlung einfacher Eremitagen um ein Yakushi-Heiligtum herum vorstellen. Erst 824, nach dem Tod des Gründers Saicho, erhielt seine Gründung den Namen Enryaku-ji. Der Name Enryaku-ji bezeichnet das Ganze, die Einheit aus dem Berg Hiei mit den dort vorhandenen Sakralbauten, denn es gibt heute kein einzelnes Gebäude dieses Namens. Der Enryaku-ji ist der oberste Tempel der Tendai-Schule. Tendai ist abgeleitet vom chinesischen Tien-tai, Himmelsterrasse. Da diese Schule eine der wichtigsten des japanischen Buddhismus war und etliche bedeutende Priester hervorgebracht hat, gilt der Enryaku-ji als "Mutter des japanischen Buddhismus": Hier begannen jeweils ihre Karrieren:

Und natürlich nahmen die unterschiedlichen Zweige des Tendai-Buddhismus mit ihren Gründern ebenfalls hier ihren Anfang:

Deshalb ist der Enryaku-ji ein Schlüsseltempel für die Geistes- und Religionsgeschichte Japans. Und er war einst mit ca. 3000 Gebäuden einer der größten Tempelberge der Welt. Der heilige Berg und der Bereich Yokawa werden übrigens im Epos "Geschichte des Prinzen Genji" erwähnt, in den Uji-Kapiteln. Und die Halle Hokke-do im Bereich Saito wird ebenfalls in dem Epos erwähnt: Genji stiftet die Lesung der Lotus-Sutra am 49. Tag nach dem Tod von Yugao.

Nach dem Tod des Gründers Saicho (Saichou) gab es einen Richtungsstreit (Schisma). Es gab eine Traditionslinie, die auf Ennin (794-864) zurückgeht, und eine andere, die auf Enchin (814-29.10.891) zurückgeht. Enchin (= Name zu Lebzeiten), oder Chisho (postumer Name, den ihm Kaiser Daigo gab) Daishi (= großer Lehrer), war derjenige, der den Miidera (= Onjo-ji) groß und bedeutend gemacht hat. Diese beiden Richtungen, Sanmon-ha (Tempeltor-Gemeinschaft) mit dem Sitz auf dem Enryaku-ji und Jimon-ha mit Sitz im Miidera, waren sich spinnefeind, weil sie zu nah zu groß und mächtig waren und sich gegenseitig ihre Interessen störten. Im 10. Jh. nahm der Disput zwischen beiden Richtungen bürgerkriegsähnliche Formen an. Gleichzeitig hatte der Enryaku-ji gegen Ende des 10. Jh. seinen Höhepunkt der Macht und des Einflusses erreicht und war bereits baulich in die drei Bereiche untergliedert, wie wir heute vorfinden.

Stellung Name Titel Lebensdaten Amtsdaten als Zasu Lineage Sonstige Anmerkungen
Tendai-
Gründer
Saicho (Saichou) Dengyo Daishi (Dengyou Daishi) 767-822 --- Tiantai zong, wurde zum 1. der Sanmon-Linie brachte Tendai von China nach Japan und gründete den Tendai-Buddhismus und den Enryaku-ji. Gründete den Bereich To-do.
1. Zasu Gishin Shuzen Daishi 781-833 824-833 wurde zum 1. der Jimon-Linie Nach seiner Amtszeit wurde Enshu als Zasu gewählt, aber von Encho und Kosho vom Hiei vertrieben.
2. Zasu Encho (Enchou) Jakko Daishi (Jakkou Daishi) 771-836 833-836 Linie Saicho Gründete den Bereich Sai-to.
--- Kojo (Koujou) Betto Daishi (Betttou Daishi)   836-854   kein Zasu, nur ein Kengyo oder Betto = Administrator, Titel Betto Daishi (Betttou Daishi) = Administrator-Lehrer
3. Zasu Ennin Jikaku Daishi 794-864 854-864 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie Anführer der Partei auf dem Berg und im Enryaku-ji. Gründete den Bereich Yokawa.
4. Zasu Annen (An-e, Anne) Himitsu Daishi 794-868 864-868 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie Wechsel der Rolle des Zasu von einem reinen Oberhaupt der Lehre auch zu einem administrativen Oberhaupt
5. Zasu Enchin Chisho Daishi (Chishou Daishi) 814-891 868-891 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie Anführer der Partei im Tal und im Miidera
6. Zasu Yuishu   826-893 891/892-893 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie studierte bei Henjo (Henjou), Tokuen und Enchin. Kompromißkandidat mit Wurzeln in beiden Linien. 891 2. Abt des Onjo-ji = Miidera
7. Zasu Yuken (Yuuken)   827-894 893-894 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie studierte bei Tokuen. 3. Abt des Onjo-ji = Miidera
8. Zasu Kosai (Kousai)   828-899 894-899 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie studierte bei Kojo (Koujou). 894 4. Abt des Onjo-ji = Miidera
--- Yusen (Yuusen)   835-899 899-899 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie kein Zasu, nur ein Betto (Bettou) = Administrator. Schüler von Ennin. Ehemaliger Abt des Ninna-ji.
9. Zasu Choi (Choui)   836-906 899-906 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie studierte bei Ennin und Annen
10. Zasu Zomyo (Zoumyou)   843-927 906-922 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie 899 Abt des Onjo-ji = Miidera
11. Zasu Ryoyu (Ryouyuu)   855-923 922-923 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie Schüler von Ennin und Enchin, Ausgleich der Spaltung
12. Zasu Genkan   861-926 923-926 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie  
13. Zasu Son-i   866-940 926-940 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie  
14. Zasu Gikai   871-946 940-946 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie Schüler von Gensho (Genshou), Genkan und Son-i.
15. Zasu Ensho   880-964 946-964 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie baute ein enges Verhältnis zu Fujiwara no Tadahira auf. Die Verbindung zwischen den Fujiwara und der Sanmon-Linie entstand.
16. Zasu Chincho (Chinchou)     964-965 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie  
17. Zasu Kikyo (Kikyou)   889-966 965-966 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie  
18. Zasu Ryogen (Ryougen) Ganzan Daishi, Mame Daishi oder Tsuno Daishi, postum Jie daishi 912-985 966-985 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie endgültige Spaltung in zwei Richtungen. Reformer und Erneuerer des Enryaku-ji.
19. Zasu Jinzen   943-990 985-989 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie Sohn von Regent Fujiwara no Morosuke (908-960), resignierte 989
20. Zasu Yokei   919-991 989-989 Linie Gishin-Enchin = Jimon-Linie Ryogens Rivale, aus dem Onjo-ji, nur drei Monate im Amt wegen starker Opposition, letzter Zasu der Gishin-Enchin-Linie auf dem Berg Hiei, danach wieder im Onjo-ji
21. Zasu Josho (Joushou)   -1003 989-991 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie  
22. Zasu Senga   914-998 991-998 Linie Saicho-Ennin = Sanmon-Linie  

Persönlichkeiten: Ennin
Ennin (794-24.2.864) war nach dem Gründer eine der bedeutendsten Persönlichkeiten auf dem Hiei-zan. Er war ein Sproß der Familie Mibu und stammte aus Shimotsuke (Präfektur Tochigi, Kanto). Seine Familie führt ihre Abstammung bis auf Toyoki Irihiko no Mikoto zurück, einen Sohn des halblegendären Tenno Sujin. Zwar nur Provinzadel, aber von allerhöchster genealogischer Qualität sozusagen. Im Alter von 9 Jahren wurde er dem Mönch Kochi (Kouchi) im Dai-ji zur Ausbildung übergeben. Im Alter von 15 Jahren wurde er von seinem Lehrer auf dem Enryaku-ji vorgestellt, woraufhin Saicho ihn als Schüler übernahm. Im Jahre 814 bestand er seine Examina, wurde Mönch und wurde 816 im Todai-ji in Nara ordiniert, denn damals hatte der Enryaku-ji noch kein Recht zur eigenen Ordinierung. Im Jahre 834 ließ er einem Traum folgend eine Benzaiten-Statue auf der Insel Chikubushima aufstellen.

Ennin sticht dadurch hervor, daß er wie der Gründer selber auch eine Lehrreise nach China unternommen hat, 34 Jahre später als dieser. Er reiste 838 los als Begleitung einer diplomatischen Mission zum Tang-Kaiserhof und verbrachte ein halbes Jahr in den Klöstern des Wutaishan-Gebirges (Shanxi). Später hielt er sich in der Stadt Chang'an (heute Xi'an, Shaanxi) auf. Dort erlebte er auch 845-846 die Buddhisten-Verfolgungen und Klosterauflösungen in der Hui-ch'ang-Zeit unter dem Tang-Kaiser Wuzong (814-846), einem fanatischen Daoisten. Von seiner neuneinhalb Jahre dauernden Reise brachte er bei seiner Rückkehr im Jahre 847 neben zahlreichen Schriften und Ritualgegenständen nicht nur esoterische Einflüsse mit, sondern auch die Vorstellungen des Reinen Landes, des westlichen Paradieses von Amida, gewannen unter Ennin stärker an Einfluß.

Ihm gelang es, den Einfluß des Tendai-Buddhismus erheblich zu stärken. Auf dem Klosterberg setzte rege Bautätigkeit ein, zum einen zur angemessenen Unterbringung der aus China mitgebrachten Schriften (immerhin 559 an der Zahl) und Devotionalien (der Hauptzweck war es, bislang in Japan unbekannte buddhistische Texte in Abschriften zu sammeln), sondern auch zur Stärkung der Tendai-shu. Der wichtigste Neubau war eine Amida-Halle im Bereich Todo, in der eine neunzigtägige Amida-Meditation mit Nembutsu-Anrufung und Circumambulation geübt wurde. In der Nähe wurde mit finanzieller Hilfe des Kaisers Montoku der Soji-in erbaut, der für die esoterischen Schriften gedacht und die Pflege des Taimitsu-Zweiges des Tendai-Buddhismus gedacht war. Diese Bauten sind alle untergegangen; heute stehen neue Bauten gleichen Namens an der Stelle. Im Jahre 862 baute er den Konpon Dojo des Enryaku-ji neu. Er gründete den Bereich Yokawa des Enryaku-ji als eigenständigen Bereich und baute dort den Yokawa Chudo und die Pagode Konpon Nyoho-to. Auch außerhalb des Enryaku-ji tat sich Ennin als Tempelgründer hervor, auch in seiner alten Heimat in der Region Kanto. Er gründete z. B. im Jahre 848 den Jingu-ji in Nikko (heute Rinno-ji Sanbutsudo). Um 850 soll er angeblich den Chuson-ji (Chuuson-ji) in Hiraizumi (Präfektur Iwate) gegründet haben (lt. dem Tempel selbst, vermutlich wurde er aber erst 1095 von Fujiwara no Kiyohira gegründet). Auch der Motsu-ji in Hiraizumi nimmt die Gründung durch Ennin für sich in Anspruch. Er gründete auch den Ryushaku-ji in Yamadera. Die Figur einer Kannon im Asakusa Jinja soll von ihm selbst geschnitzt worden sein; sie wird nur am 13.12. eines jeden Jahres gezeigt und ist ansonsten den Blicken verborgen.

Im Jahre 848 wurde er vom kaiserlichen Hof zum Dai-hosshi ernannt, zum "großen Priester". Ennin war regelmäßiger Gast am kaiserlichen Hofe und unterwies Mitglieder der Kaiserfamilie in buddhistischen Lehren. Er wurde später zum Abt des Enryaku-ji und danach 854 zum Zasu gewählt, dem dritten nach des Gründers Tod. Ennin verfaßte in seinem Leben mehr als hundert Bücher selbst, darunter seinen für die Forschung unschätzbar wertvollen Reisebericht aus China (Nitto Guho Junrei Koki, Nittou Guhou Junrei Kouki), der die erste bekannte Beschreibung des chinesischen Kaiserreiches, seiner Bauten, seiner Sitten, seiner Gesellschaft und des Lebens im Reich war, der nicht von einem Chinesen verfaßt wurde, sondern mit dem Blick eines Außenstehenden, der aber aufgrund der langen Zeit sehr tiefe Einblicke bekommen hatte.

Ennin verstarb 864 im Alter von 70 Jahren an Gelbfieber. Ennin, der postum erst den Titel Hoin Daishi (Hou-in Daishi, höchster Priester-Rang, sinngemäß "hoher Priester großer Lehrer"), und zwei Jahre später den Titel Jikaku Daishi (etwa "großer Lehrer hingebungsvoller Achtsamkeit") bekam, wurde im Zuge der nach ihm einsetzenden Spaltung zur Kristallisationsfigur der Sanmon-Linie. Sein Nachfolger als Zasu wurde sein Schüler Annen (An-e).


Persönlichkeiten: Ryogen
Ryogen (Ryougen, 15.10.912-16./31.1.985) stammt aus Torahime, Azai-gun, in der Provinz Omi (heute Präfektur Shiga). Sein ursprünglicher Name als Kind war Kizu Kannonmaru oder auch Kizu Hiyoshimaru. Ryogen gilt einerseits als Reformer des Tendai-Buddhismus und des Enryaku-ji. Als Ryogen 11 Jahre alt war, wurde er ein Schüler von Risen. Da dieser vor seiner Ordinierung starb, mußte er sich einen neuen Förderer suchen, und er fand ihn in der Hosso-Schule, und dort wurde er ordiniert. Am Enryaku-ji mußte er sich durch den Wegfall seines Mentors aus eigener Kraft hocharbeiten, was ihm dank seiner Intelligenz und Redegewandtheit gelang.

Protektion suchte er durch enge Beziehung zur Familie Fujiwara, insbesondere zum Kanzler Fujiwara no Tadahira und zu dessen Sohn Fujiwara no Morosuke (909-960). Ryogen hatte seinen Sitz im Gebiet Yokawa. Für dieses Gebiet finanzierte Fujiwara no Morosuke, der den Berg Hiei 954 selbst besuchte, eine Lotus-Meditationshalle. Der Deal lautete, daß die Ryogen mit seinen Leuten hier Rituale und Gebete zugunsten der Familie Fujiwara durchführen, im Gegenzug unterstützt die Familie seine Fraktion innerhalb der Tendai-shu, Protektion gegen Gebete. Die enge Beziehung beider Partner zeigt sich auch darin, daß der Sohn von Fujiwara no Morosuke, Jinzen (943-990) im Tempel aufgenommen wurde und von Ryogen bevorzugt behandelt und als sein Nachfolger im Amt des Zasu aufgebaut wurde. Der Tempel hatte auch etwas davon, weil Jinzen Erbe einträglicher Ländereien war, die letztendlich dem Tempel zugute kamen.

Die zweite Stütze Ryogens, insbesondere nach dem Tod von Fujiwara no Morosuke, wurde der kaiserliche Hof. Eine Schlüsselszene war seine Teilnahme im Jahr 963 an den Owa-Debatten über die Lotus-Sutra, die im Kaiserpalast stattfanden und fünf Tage dauerten. Er muß sich dabei so gut geschlagen haben, daß er 964 Im Sogo (Sougou), einer Art Amt für Klosterangelegenheiten, angestellt wurde und zum Hofprediger und zum Naigubu Juzenji, Meditationsmeister, erhoben wurde. Am kaiserlichen Hof stieg er im Laufe der Zeit bis zum Dai-sojo (Dai-soujou) 981 auf, einer Art oberster Hofpriester und Chef der Klosterverwaltung. In dieser Position schaffte er etliche seiner Mitbrüder im Sogo unter, so daß der Einfluß der Tendai-Schule bei Hofe erheblich gestärkt wurde.

Im Jahre 966 schließlich wurde er aufgrund seines hervorragenden Rufes und seiner einflußreichen Stellung sowie seiner guten Verbindungen zum obersten Leiter der Tendai-Schule, zum Zasu, ernennt. Damals war er erst 54 Jahre alt. Jetzt war der Weg für Reformen in seinem Sinne frei: Nur zwei Wochen nach Amtsantritt reichte er seine ersten Vorschläge bei Hofe ein. Zu seinen Leistungen gehört eine Reform des Prüfungssystems auf dem Klosterberg. Er balancierte esoterische und exoterische Strömungen untereinander aus und unterstellte alle Prüfungen, die im Bereich Yokawa stattfanden, seiner Kontrolle. Im Jahre 970 führte er als weitere Reform 26 Verhaltensregeln verbindlich für die Mönche des Klosterberges ein, die der Wiederherstellung der Disziplin dienten. Der Orden war zu schnell zu groß geworden, wodurch die innere Disziplin nachgelassen hatte. Eine der wichtigsten Regeln war die bereits vom Ordensgründer aufgestellte, daß jeder Karriere ein 12jähriger geschlossener Lehraufenthalt auf dem Berg Hiei voranging, während dessen der Berg nicht verlassen werden durfte.

In Ryogens Amtszeit als 18. Zasu gab es 966 ein großes Feuer, das einen Großteil der Gebäude im Bereich Todo zerstörte. Bereits in den Jahren 935 und 941 hatten zwei Feuer auf dem Berg Schäden hinterlassen. Insgesamt fielen 31 Gebäude dem neuen Feuer des Jahres 966 zum Opfer. Innerhalb von nur sechs Jahren schaffte es Ryogen, die Geldmittel zum Wiederaufbau zu beschaffen und den Bereich wiederherzustellen, sogar noch besser als vorher. Kaiser Murakami (926-967, amtierte 946-967) unterstützte ihn dabei. Da sein eigenes Gebiet eher der Bereich Yokawa war, ließ er auch dort Erneuerungen an den Gebäuden durchführen.

Ryogen gilt allgemein als Reformer, andererseits konnte er trotz seiner Maßnahmen wie die eingeführten 26 Regeln die endgültige inneren Spaltung der Tendai-Schule nicht verhindern, und er konnte trotz Verbot des Waffentragens für die Mönche und einem Vermummungsverbot die spätere Wandlung zum kriegerischen Orden nicht bremsen. Die allgemeine Stimmung im Land war im ausgehenden 10. Jh. bereits so, daß die Richtungsstreitigkeiten zwischen den miteinander im Wettbewerb liegenden Tempeln jenseits aller buddhistischen Grundprinzipien unversöhnlich und mit Waffengewalt ausgetragen wurden. Politische und wirtschaftliche Interessen wurden erbittert und mit allen verfügbaren Mitteln unter dem Deckmäntelchen der Religion verfolgt. Dieser gegenwärtigen und zukünftigen Entwicklung konnte er im Vorfeld nur mit guter Absicht, aber nicht wirklichem Erfolg entgegensteuern. Er selbst hat jedenfalls eher dazu beigetragen, die Mönche zu ent-, nicht zu bewaffnen. Dennoch etablierte der Enryaku-ji im Jahre 970 aus purem Selbsterhaltungstrieb eine kleine Truppe von Söldnern zum Schutze des Tempelberges und auch zur Durchsetzung seiner Interessen, eine Truppe, die sich aber nicht aus Mönchen rekrutierte. Deshalb wird Ryogen dennoch als derjenige angesehen, der das spätere Sohei-Unwesen lostrat und die Militarisierung des Enryaku-ji einleitete, wenngleich er sie in Bezug auf seine Mönche noch unter Kontrolle halten konnte.

Ryogen wurde 73 Jahre alt. Postum bekam er den Titel Jie Daishi (in etwa "Großer Lehrer der barmherzigen Weisheit") verliehen. Ryogen trug aber mehrere Ehrentitel, offizielle und inoffizielle, die das Volk ihm beigab. Ihm wurden die Titel Gansan Daishi (in etwa "Großer Lehrer des dritten Tages des ersten Monats") und Tsuno Daishi ("Großer Lehrer mit Hörnern", weil er einmal die Gestalt eines Teufels angenommen hatte) gegeben. Mame Daishi ("Großer Lehrer der Bohne"), bezieht sich einerseits eine bohnengroße und bohnenartige Darstellung auf Amulettbildchen, andererseits hat "mame" eine zweite linguistische Bedeutung als "Vertreiber des Bösen". Hier ergibt sich ein direkter Bezug zu Gebräuchen zu Setsubun (Neujahr), wo man Bohnen (das eine "mame") wirft, um Dämonen zu vertreiben und Teufel auszumerzen (das andere "mame"). Ryogen wird auch als ein Yakuyoke Daishi (Großer Lehrer zur Abwehr von Übel) bezeichnet, wobei dieser Titel nicht exklusiv war. Ryogen wurde so sehr verehrt, daß man ihn sogar unter die 33 Erscheinungsformen des Bodhisattva Kannon einreihte.


Geschichte und Bedeutung: Kriegermönche
200 Jahre nach der Gründung war aus dem Enryaku-ji etwas geworden, das der Gründer ganz bestimmt nicht beabsichtigt hatte: Der Enryaku-ji war nicht nur religiös aktiv, sondern auch politisch. Um als Macht im nationalen Spiel der Kräfte mitwirken zu können, unterhielt der Tempel eine eigene Armee. Die Ursache dieser Entwicklung war, daß auf dem heiligen Berg keine staatliche Polizeigewalt galt. Also bewaffnete man sich selbst. Der Enryaku-ji war zeitweise bekannt und berüchtigt für seine Kampfmönche und seine Rolle in den gewaltsamen Auseinandersetzungen mit dem nahen Miidera und mit anderen Tempeln. Sohei nennt man sie, So = buddhistischer Mönch oder Priester, Hei = Krieger, Soldat, also Priestersoldaten oder Kriegermönche. Der Enryaku-ji wurde im späten 10. Jh. der erste Tempel, der eine stehende Privatarmee unterhielt - und nach Belieben zur Durchsetzung seiner Interessen einsetzte. Über 500 Jahre unterhielt der Tempelkomplex die stärkste Armee des Landes. Der ehemals dem Tendai-Buddhismus angehörende Miidera zog nach, die zweite Privatarmee stand kurz darauf bereit. Waren das zuerst noch Söldner, so sollte sich das bald ändern, als sich die Mönche selbst bewaffneten. Anfangs regte man sich 981 nur über einen Abt (Yokei) auf, der aus dem Miidera stammte und auf dem Enryaku-ji nicht akzeptiert wurde. Dann zerstörte man sich 993 gegenseitig die Erinnerungsorte an Ennin und Enchin. Das Gleiche wie 981 passierte 1039 wieder und führte erneut zum Gewaltausbruch. Man zündete sich bald darauf gegenseitig die Tempel an und verheerte die Landgüter, um den Gegner an der wirtschaftlichen Basis zu treffen. Um das Jahr 1100 hatten alle Klöster der Tendai-Schule stehende Privatarmeen und kämpften sowohl gegeneinander als auch gegen andere buddhistische Schulen. Die Kriegermönche des Enryaku-ji zerstörten den Miidera bis 1214 insgesamt sechsmal durch Niederbrennen, 1074, 1081, 1121, 1141 und im genannten Jahr 1214 gleich zweimal. Und das im Grunde wegen Nichtigkeiten, die fast ein halbes Jahrtausend lang zum Kriegsgrund aufgebauscht wurden: Einer der Hauptstreitpunkte war, daß der Jimon-Zweig im Miidera eine eigene Ordinationsplattform haben wollte, genauso wie der Enryaku-ji eine auf dem Berg Hiei hatte. Der Jimon-Zweig wollte gleiche Rechte für beide Zweige herstellen, der Sanmon-Zweig wollte das nicht tolerieren. Aber im Grunde genommen war das nur vorgeschoben, denn es waren gerade keine Kriege um religiöse Fragen, keine Religionskriege. Es ging eigentlich gar nicht um Dogmen oder Auslegungen, sondern es ging um Macht, Einfluß, Politik und Wirtschaftskraft.

Und so zogen die Krieger auch gegen die Staatsmacht und gegen die Hauptstadt und forderten die Regierung im Kampf um die Kontrolle und Macht heraus. Die Armee bedrohte selbst den Kaiserpalast und nahm die Stadt als Geisel zur Durchsetzung ihrer Interessen. Gnadenlos setzten sie den in Form eines Tragschreines mitgeführten Gott des Hiyoshi Taisha als Erpressungsmittel ein, weil jeder Widerstand dagegen ein Sakrileg gewesen wäre. Wie stark der Enryaku-ji im Grunde ein Staat im Staate war, der seine mafiösen Strukturen und Methoden zur Sicherung seiner Wirtschaftsinteressen einsetzte, sieht man daran, daß um 1280 der Enryaku-ji 80 % aller Sake-Brauer und Geldverleiher in Kyoto kontrollierte, diesen Schutz gewährte, deren Schuldner unter Druck setzte und aus den Schutzgeldern glänzende Einnahmen generierte. Ironie der Geschichte: Sollte einst der Tempel die gefährlichste Richtung bewachen und den Einfall von Dämonen in die Hauptstadt blockieren, so wurde der Tempel jetzt selber zum Quell über die Hauptstadt hereinbrechender Dämonen aus Fleisch und Blut. Die im Niedergang begriffene Politik des Reiches war unfähig, die Mönchskrieger in ihre Schranken zu verweisen. Wie bekannte Kaiser Go-Shirakawa im 12. Jh.: "Es gibt drei Dinge, die ich nicht kontrollieren kann: die Stromschnellen dem Kamo-gawa, die Würfel beim Spiel und die Bergmönche."


Geschichte und Bedeutung: Zerstörung und Wiederaufbau
Wie so viele Tempel litt auch der Enryaku-ji mehrfach unter Feuerzerstörung. Die exponierte Lage machte Blitzschlag zu einer häufigen Brandursache. Jedesmal wurden die Gebäude wiederhergestellt, früher oder später. Die Ursache für das wirkliche Ende des Enryaku-ji war aber das Unwesen der Kampfmönche: Wo man in Zeiten des Bürgerkrieges und des Machtverfalls des Shogunats noch machtlos zugesehen hatte, wehte mit der beginnenden Reichseinigung ein neuer Wind durchs Land, und die großen Heerführer waren nicht mehr bereit, dieses Kampfmönchunwesen zu dulden, und noch weniger, daß diese mit dem Gegner paktierten: Schließlich bereitete Oda Nobunaga (1534-1582) diesem permanenten Aufruhr durch Mönchskrieger 1571 ein Ende, indem er mit 30000 Samurai anrückte und den Enryaku-ji als Sitz der schlimmsten und übergriffigsten Kriegermönche mit all seinen Tempelbauten vollständig zerstörte und ca. 3000 Kampfmönche auf die nachhaltigste Weise zum ewigen Frieden zwang. Der Grund war, daß sich der Tempelberg mit den Familien Asai und Asakura verbündet hatte, seinen Erzfeinden. Gefangene wurden nicht gemacht - insgesamt forderte der Akt ca. mindestens 20000 Menschenleben. Auf dem Zenit seiner Macht gab es auf dem Berg Hiei ca. 3000 Gebäude. Davon hat eines überlebt. Von den Bewohnern vermutlich niemand. Die völlige Vernichtung des riesigen Tempelkomplexes und die Härte des Durchgreifens sollte eine Vorsichtsmaßnahme und eine ernste Warnung an alle anderen Kampfmönche sein. Der Miidera in Otsu hatte natürlich Oda Nobunaga unterstützt.

Erst nach 1582 ging man an den Wiederaufbau des Enryaku-ji, der jedoch erst unter Tokugawa Iemitsu abgeschlossen war. Im Jahr 1595 wurde der Kondo des ehemals konkurrierenden Miidera in Otsu auf Befehl der Regierung unter Toyotomi Hideyoshi abgebaut und auf den Enryaku-ji versetzt, wo er heute den Shaka-do bildet. Denn der Miidera, damals als Bundesgenosse gegen den Enryaku-ji geschätzt, war nach wie vor ein möglicher Unruheherd und wurde nun von Toyotomi Hideyoshi geschwächt. Von diesem 1571 erfolgten Schlag erholte sich die Tendai-Schule zwar wieder langsam, aber erlangte nie mehr ihre einstige Machtstellung. Seitdem ist der Enryaku-ji nur noch ein Schatten seines früheren Selbst. Aber die Tendai-Kriegsmönche tyrannisierten auch nicht mehr das nun befriedete Land. Für die Bauwerke auf dem Berg Hiei bedeutet das, daß alles, was wir heute sehen, nach 1582 entstanden ist. Mit einer einzigen Ausnahme: Der abgelegene Ruri-do hat die Zerstörung 1571 überlebt. Für die Rekonstruktion hat man auch ältere Gebäude von anderen Stellen geholt und auf den Berg Hiei versetzt, vor allem aus dem Miidera in Otsu. Deswegen sind zwar einige der Gebäude sehr alt, aber noch nicht lange an der heutigen Stelle und nicht mehr an ihrem ursprünglichen Ort. Das ist Segen und Fluch der japanischen Holzarchitektur ohne Nägel und Schrauben: Man versetzte die Gebäude, wie man es gerade brauchte, verschenkte nicht mehr benötigte Hallen und bestrafte Tempel durch Entfernung ihrer Gebäude und belohnte andere damit. In der Tokugawa-Zeit legte sich ein enges und erfolgreiches System der Zivilverwaltung über das Land, das jede Ambition auf Opposition im Keim unterdrückte. Die Aktivitäten der Tempel wurden strikt auf Religiöses beschränkt. Unter diesen Bedingungen war weiter an Wiederaufbau und Wiederaufnahme des religiösen Lebens zu denken. 1642 wurde erst die wichtigste Halle auf dem Berg, der Konpon-chudo, wiederaufgebaut, 71 Jahre nach der Zerstörung.


Geschichte und Bedeutung: Enryaku-ji heute
Heute gibt es etwa 5000 Tendai-Tempel mit ca. 216000 Priestern und Mönchen im Land. Auf dem Berg Hiei leben ca. 56 Jushoku, ca. 100 Mönche und ca. 1000 Schüler. Und sie widmen sich brav dem Gebet und der Meditation und erfüllen wieder ihren ursprünglichen Daseinszweck. Die Hieizan-Universität stellt die Ausbildung sicher. Insgesamt gibt es auf dem Berg Hiei heute rund 150 Gebäude, verstreut über eine Fläche von 500 ha, wobei die meisten Gebäude drei Cluster bilden, den drei Bereichen entsprechend.

Die Mönche des Enryaku-ji sind für eine extreme asketische Übung bekannt, wegen der man sie auch als "Marathon-Mönche" (Gyoja) bezeichnet: Extreme körperliche Anstrengung soll den Weg zur Erleuchtung ebnen. Dazu übt man sich im Ritual des "Sennichi Kaiho Gyo", bei dem innerhalb von 7 Jahren an tausend Tagen bis zu 84 km pro Tag gelaufen wird, wobei über 250 Ziele auf und um den Berg Hiei herum erreicht werden. Den Abschluß markiert ein siebentägiges Fasten. Nur eine geringe Zahl von Menschen hat die Durchhaltekraft, um diese 1000-Tage-Prüfung (Kaiho-gyo) zu schaffen, die immerhin einer Erdumrundung entspricht.

2006 gab es einen riesigen Skandal um den Enryaku-ji: Tempel sind gerne Gastgeber für Zeremonien im Auftrag von Gesellschaften, das bringt gutes Geld, das man dringend benötigt. Doch am 4.4.2006 richtete der Enryaku-ji eine Zeremonie für eine der größten Yakuza-Organisationen aus, die Roku-daime Yamaguchi-gumi (2007 ca. 20400 aktive Mitglieder, ca. 18600 assoziierte Mitglieder). Rund 100 Führungsmitglieder sollten teilnehmen. Warnungen der Polizeiverwaltung der Präfektur Shiga schlug man in den Wind, das Ereignis fand wie geplant statt. Nach massiver Kritik seitens der Japan Buddhist Temple Association, die immerhin 75000 Tempel vertritt und selbst eine Kampagne gegen die Yakuza leitet, traten am 18.5.2006 alle Verantwortlichen des Enryaku-ji unter den üblichen Entschuldigungen zurück.


Rundgang und Beschreibung: Bereich Todo
Der Kern des Bereichs To-do (östliche Pagode, das eine tou = Osten, das andere tou = Turm, verschiedene Kanji) ist der Konpon-chudo (Konpon-chuu-dou, gesprochen Komponchuudoo), welche als Haupthalle des Tempels dient. Dieses Bauwerk, das größte historische Bauwerk auf dem ganzen Berg, ist als Nationalschatz Japans klassifiziert. Es liegt etwas tiefer in einer Senke und stammt aus der frühen Edo-Zeit und wurde 1640/1642 unter Tokugawa Iemitsu erbaut. Die einstöckige Halle steht in Kontinuität der ersten, 788 von Saicho (Dengyo Daishi, 767-822) gegründeten Hütte und der späteren Haupthalle. Genau hier hatte der Gründer anfangs seine allererste, bescheidende Hütte erbaut. Dieses erste Heiligtum wurde 880, 940 und noch einmal 980 erweitert und 1571 niedergebrannt, dann 1642 rekonstruiert, erheblich eleganter als der Vorgängerbau. Die eigentliche Halle (ohne den vorne angebauten, einen schmalen Hof einschließenden Korridor, Kairou, wichtiges Kulturgut) ist 11 x 6 Säulenabstände groß und mißt 37,6 m × 23,9 m. Von vorne nach hinten ist die Halle dreigeteilt, die äußere Andachtshalle (Gejin) ist 1 Pfostenabstand tief, dann folgt die innere Andachtshalle (Chujin), ebenfalls 1 Pfostenabstand tief, zuletzt das eigentliche Heiligtum (Naijin) von vier Pfostenabständen Tiefe, unterteilt in drei einzelne Bereiche nebeneinander, jede mit Kassettendecke. Der innere Bereich besitzt einen Fußboden aus Stein, der äußere einen aus Holzdielen. Die Gläubigen befinden sich also in den äußeren Bereichen höher als der Boden, auf dem die Priester ihre Rituale durchführen, aber auf der gleichen Höhe wie die Altäre, ein einzigartiges Konzept. Die Halle ist einstöckig und besitzt ein Dach im Irimoya-Stil, das mit Kupferblechtafeln auf Holzplanken gedeckt ist.

Im Inneren wird ein Yakushi Nyorai (heilender Buddha, Medizin-Buddha) als Hauptbild verehrt, vor dem seit über 1200 Jahren ein "unauslöschliches Dharma-Licht" (Fumetsu no Houtou) in mehreren Lampen brennt, wobei immer ein Mönch oder Priester in der Nähe ist, um eine mögliche Unterbrechung zu verhindern. Man sagt, daß man die Flamme auch während der Zerstörung 1571 retten konnte, indem man sie sicher versteckt hatte - brennend natürlich. Nun ja, gebrannt hat es in jenem Jahr wirklich kräftig, und zwar überall auf dem Berg. Jedenfalls soll diese Flamme bis zum Erscheinen des Buddha Maitreya brennen. Auf den drei Laternen befindet sich die 16strhlige Chrysantheme, das kaiserliche Wappen. Die Tempeltradition behauptet, dieses Motiv sei von Saicho im Tempel zuerst benutzt worden, und Kaiser Kammu hätte dieses Symbol von Saicho als Kamon erhalten. Müßig zu diskutieren, weil die Auslegung letztendlich ein Machtspielchen ist und die jetzigen Laternen frühestens 1642 angefertigt worden sind. Der Yakushi Nyorai ist ein verborgenes Bildnis, das angeblich von Dengyo Daishi selbst geschnitzt worden sein soll. Das Original ist im Innern des Altars verborgen; zu sehen ist eine Kopie. Flankiert wird die Figur von Nikko und Gakko, Symbole für Sonne und Mond. An den Seiten sind die 12 himmlischen Generäle und Figuren von Saicho und Prinz Shotoku aufgestellt. In den vier Ecken bewachen die Shitenno die Lehre. Diese Halle dient auch der 2008 gegründeten "Shinto and Buddhism Spiritual Spot Society" als Ketsu-gan, als spirituelles Zentrum. 2019 war das Gebäude komplett in Renovierung begriffen und eingerüstet, Innenbesichtigung war teilweise möglich, wofür separater Eintritt erhoben wird. Vermutlich wird die Restaurierung bis 2026 andauern. Im Osten steht auf der anderen Seite des Weges das Handwaschbecken (Chouzusha). Dort befindet sich auch eine Statue von Dengyo Daishi.

Höher auf einem kleinen Hügel im Osten des Konpon-chudo steht inmitten einer Baumlichtung der zweistöckige Monju-ro, unten wie ein Tor mit Durchgang, leiterartigem Treppenauf- und Abgang in den Seitenkompartimenten und einem Andachtsraum im Obergeschoß in der Mitte. Außen läuft im Obergeschoß eine Galerie über dem unteren Dach um, oben wird das Gebäude mit einem Irimoya-Dach abgeschlossen. Früher diente er als Torgebäude. Der in seiner heutigen Form im Jahre 1642 erbaute Monju-ro ist als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Sein Hauptkultbild ist ein Monju Bosatsu (Sanskrit: Manjushri), der Bodhisattva der Weisheit, des Wissens und des Lernens. Es ist umgeben von den Shi-tenno. Innenbesichtigung des Obergeschosses ist möglich, wofür separater Eintritt erhoben wird. In der Nähe steht ein Glockenturm mit der Glocke des Weltfriedens (Sekai-heiwa-no-kane).

An der "Hauptstraße" des Bereiches, die zum Enryaku-ji-Kaikan Ryokan Shiga führt, steht die Halle Daikoku-do, in der Daikokuten verehrt wird, einer der sieben Glücksgötter "Shichi-fuku-jin", sieben-Glück-Gott). Er gilt als Gott des Wohlstandes, des Reichtums, der reichen Ernte und Nahrung etc. und wird gerne als wohlbeleibter stets lachender Mann mit dicken Ohrläppchen mit einem Sack über der Schulter und einem Glückshammer in der Rechten dargestellt, auf dem Kopf eine nach hinten herabhängende Mütze. Die Halle besteht aus einem Mittelgebäude mit Irimoya-Dach, von dessen Rand viele goldene Lampen herabhängen, und zwei zurückgesetzten Seitenteilen, im linken das Büro mit Talismanverkauf und Goshuin-Gewährung.

Schräg gegenüber der Halle Daikoku-do steht am Südrand der Straße eine Reihe von Gebäuden, darunter auch ein Soba-Restaurant, Geschäfte und Imbisse. Darunter befindet sich auch das quadratische Gebäude mit Pyramidendach, Manhai-do, in dem als Kultbild eine tausendarmige Kannon verehrt wird, der Bodhisattva der Barmherzigkeit. Im Osten der Baugruppe befindet sich die Tempelverwaltung (Jimusho).

Folgt man der Straße zwischen Daikoku-do und Manhai-do weiter nach Osten, gelangt man zum Dai-shoin, dem "großen Shoin", ein komplex strukturiertes Gebäude mit einer weit vorgezogenen Wagenvorfahrt mit Karahafu-Giebel. Der Bau wird als Empfangsgebäude benutzt. Seine Bausubstanz stammt nicht original von hier, sondern aus Tokyo, wo ein Teil der Residenz von Murai Kichibe (1864-1926, Geschäftsmann im Tabakgeschäft, Bank-Präsident) abgebaut wurde und aus Anlaß der 1928 stattgefunden Krönung von Kaiser Showa hier wieder neu zusammengebaut wurde.

Die Straße biegt nun weiter in nördliche Richtung ab und führt am Yakuyoke Fudoson Shokaku-in (Shougaku-in, Tempel für Fudo-Myo-o) vorbei zum Enryaku-ji-Kaikan Ryokan Shiga, der Tempelherberge, einem Hotel mit phantastischem Ausblick. Im Nordosten von diesem liegen zwei weitere Strukturen, die Halle Honen-do (Kinsho-in, an dieser Stelle lebte einst Honen, der Gründer der buddhistischen Schule Jodo-shu) und das Gebäude Seison-in-do Kame-do. Weiter nördlich im Wald liegt noch ein Schrein für Jikaku Daishi (Ennin). Damit ist die Entdeckungstour in nordöstliche Richtung erschöpft.

Wenn man nun zum Fudo-Tempel zurückkehrt, kann man entweder von hier auf breitem Weg oder vom Monju-ro auf einem Waldweg zu einem Shinto-Schrein (Hoshimine Inari-sha) im Wald gelangen, einem Inari-Schrein mit Irimoya-Dach und leuchtend zinnoberrot gestrichenen Holzelementen, dem Hoshimine Inari-sha. Beiderseits der Frontseite kauern auf ihren Sockeln zwei Füchse. Das in diesem Gebäude verehrte Hauptkultbild ist Dakiniten, die buddhistische Manifestation der Shinto-Gottheit Inari. Eigentlich handelt es sich um eine "konvertierte" Hindu-Gottheit namens Dakini. Sie wird oft auf einem Fuchs reitend dargestellt, welcher das Botentier von Inari ist, der Göttin (Kami) der Fruchtbarkeit, des Reises und der Füchse. Dieser Schrein liegt im Nordosten des Hauptgebäudes Konpon-chudo. Im Norden des Schreines liegt jenseits des Hauptweges der Rennyo-do (Lotushalle, Lotustempel).

Folgen wir dem Hauptweg wieder nach Westen und wenden wir uns der Baugruppe südlich und südwestlich des Konpon-chudo zu: Das größte und zentrale Gebäude ist der Dai-kodo (dai = groß, Kodo = Lehrhalle). Er ist architektonisch wertvoll und als wichtiges Kulturgut klassifiziert. Das elegante Irimoya-Dach ist relativ flach und weit ausladend. Im Innern wird als Hauptkultbild Dainichi Nyorai (wörtlich: "großes Licht", Sanskrit: Maha-Vairocana) verehrt, der kosmische Buddha. Er ist in den esoterischen Formen des Buddhismus, wie er in der Shingon-shu und in Teilen der Tendai-shu gepflegt wird, der wichtigste Buddha. Es ist der einzige Buddha, der nicht aus einer menschlichen Existenz hervorgeht, sondern schon immer da war und mit dem universalen Dharma verschmolzen war. Auch wenn das Bauwerk aus der frühen Edo-Zeit stammt und 1634 errichtet wurde, kam es erst in der Showa-Zeit 1964 an diese Stelle. Die alte zweistöckige Halle, die unter Tokugawa Iemitsu 1642 errichtet worden war und 9 x 6 Pfostenabstände maß und innen wie die Haupthalle in einen äußeren und inneren Bereich um das Heiligtum aufgebaut war, ist 1956 abgebrannt, und diese jetzige Halle stand zuvor als Sanbutsu-do (Drei-Buddha-Halle) in Sakamoto, ehe sie 1963 hierhin versetzt wurde. Hier finden Lehrveranstaltungen über buddhistische Schriften statt, und alle 5 Jahre findet hier ein Hokke Daie (Kogaku Ryugi) statt. Weil der ursprünglich hier vorhandene Dainichi Nyorai auch beim Brand verloren gegangen ist, nahm man einen ebenfalls aus der Zeit um 1600 ff. stammenden Dainichi Nyorai aus einem anderen Tempel für die heutige Halle. Im Inneren werden weiterhin lebensgroße Statuen wichtiger buddhistischer Lehrer aufbewahrt und verehrt, die acht Meister der Tendai-Schule und ihrer Derivate, Saicho, Ennin, Enchin, Kosho, Ryogen, Genshin, Honen Shonin, Shinran Shonin, Dogen, Ippen Shonin. Dazu kommen an den Wänden der Halle Bilder vergangener Oberhäupter der Tendai-shu.

Rechts etwas vorgezogen steht vor dem Dai-kodo der Glockenturm (Shoro) mit zinnoberrot gestrichenen Holzelementen und einem gewaltigen, kupferbeschlagenen Dach auf einem mächtigen Unterbau mit Klammerkonstruktionen, einer der mächtigsten "vierbeinigen" und reihum offenen Glockenstühle des Landes. Das Schlagen der Glocke soll glückverheißend sein; man darf es ausprobieren. Deswegen heißt sie auch Kaiun no kane. Der Zento-in markiert die Stelle, wo einst Ennin gelebt hatte.

Links hinter dem Dai-kodo befinden sich der Zuiun-in, das ist ein Dojo (Übungsraum) der Tendai-Schule für Hokke-Zanmai = Lotus-Meditation, und die Halle Mae-no-to-in. Im Mae-no-to-in wird als Hauptkultbild eine Figur des Priesters und Tendai-Führers Ennin (Jikaku Daichi, 793-864) verehrt, drittes Oberhaupt (Zasu) der Tendai-Schule. Noch weiter im Norden und tiefer am Hang steht der moderne Museumsbau Kokuhou-den, kurz vor Erreichen des großen Busparkplatzes, wo auch der Shuttle-Bus zu den anderen Bereichen hält (Hieizan basu-taminaru baiten). Im Kokuhou-den werden die Tempelschätze feuersicher aufbewahrt. Dort befindet sich am Weg auch eine weitere Rezeption für Besucher (Uketsuke).

Zurück zum Hauptweg: Als nächstes wenden wir uns den Gebäuden weiter südwestlich des Hauptgebäudes Konpon-chudo zu: Kurz bevor die Hieizan-Autostraße überquert wird, steht nördlich des Hauptweges auf einem kleinen Hügel der zweistöckige Kaidan-in, ein als wichtiges Kulturgut eingestuftes Gebäude. Es stammt stilistisch aus der Momoyama-Zeit und ist 1604 erbaut worden. Typisch für diese Zeit ist der Schmuckreichtum der Architektur sowie die Übernahme vieler Gestaltungselemente aus der Zen-Architektur wie die Fensterformen. Wie der Name sagt, wird in diesem Tempel (-in) die buddhistische Zeremonie "Kaidan" durchgeführt. "Kai" steht für "seltsam", "mysteriös", "geheimnisvoll", und "dan" steht für "Gespräch", erzählende Rezitation" o. ä.  Hinter der "Erzählung des Geheimnisvollen" verbirgt sich die traditionell Unterrichtung in den buddhistischen Regeln und Grundsätzen. Der Kaidan-in ist also ein Tempelgebäude für die entsprechende Zeremonie im Rahmen der Ordinierung, bei der die Betroffenen die Regeln und Grundsätze des Ordens empfangen, die Ordinationsplattform. Andere Namen sind Daijou-kaidan-in und Hokke-kaidan-in (Lotus-Ordinations-Tempel). Nach dem Tod des Gründers, Dengyo Daishi, wurde das religiöse Geschehen auf dem Berg im Jahre 828 institutionalisiert, also mit bereits 822/823 erhaltener kaiserlicher Erlaubnis ein Tempel zur Ordination erbaut. Das war unter Gishin, dem ersten Zasu (Tendai-Oberhaupt). Eingangs wurde erwähnt, wie wichtig der Erhalt des Ordinationsrechtes für den Tempel war, und daß dieses Recht gleichbedeutend war mit der Anerkennung als unabhängige buddhistische Schule. Entsprechend hoch wurde dieses Gebäude in Ehren gehalten, es war eigentlich das für das Ego wichtigste Gebäude überhaupt, denn es war gebaute Anerkennung und gebautes Selbstbewußtsein. Auch im Streit mit dem Miidera ging es vordergründig um Ordinationsrechte und eine zweite Ordinationsplattform, welche der Enryaku-ji dem Miidera verweigerte. Im Inneren des Kaidan-in werden Figuren von Shaka Nyorai (Buddha Shakyamuni) als Hauptkultbild, Monju Bosatsu und Miroku Bosatsu verehrt. Im Südwesten steht ein Glockenturm (Shoro) auf hohem Steinsockel, mit zinnoberrot gestrichenen Holzelementen.

Nachdem man die in einem kurzen Tunnel verlaufende Hieizan-Autostraße überquert hat, kommt man zu drei auf einer Plattform eng benachbarten Gebäuden: Im Norden liegt die Amida-Halle (Amidado), in der Mitte die zweistöckige Pagode Hokke Soji-in Toto (Toudou, Ost-Turm, Toto-in, Ostturm-Tempel), und im Süden befindet sich der Kanjo-do (Kanjou-do, Einweihungshalle). Die beiden erstgenannten Gebäude sind rückwärtig mit Galeriegängen (Kairou) miteinander verbunden. Alle Holzelemente sind zinnoberrot gestrichen. Hier stand früher eine Trainingshalle (Konpoin Dojo), die bereits von Dengyo Daishi geplant und im Jahre 862 von Jikaku Daishi Ennin verwirklicht worden war. Nachdem Oda Nobunaga den gesamten Enryaku-ji zerstört hatte, blieb hier 400 Jahre lang Ruine. Erst 1980-1987 wurde der Hokke Soji-in wiederhergestellt, und zu ihm gehören die Pagode Toto, der Kanjo-do und der Jakko-do.

Die Amida-Halle ist Showa-zeitlich und wurde bereits 1937 errichtet. Wie der Name sagt, ist das Hauptkultbild ein 4,80 m hoher Amida Nyorai (Amitabha, "Buddha des unermeßlichen Lichtglanzes"), ein Buddha, der über das Reine Land im Westen gebietet und Herr der Buddhas der Lotusfamilie ist. Er ist in Japan einer der verbreitetsten Buddhatypen. In dieser Halle werden Gedächtnisriten für Verstorbene abgehalten, und zahlreiche Ihai (hölzerne Brettchen mit den Namen der Verstorbenen) sind an den Wänden aufgereiht.

Auch die zweistöckige Pagode ist mit dem Baujahr 1980 relativ neu. Sie ist von quadratischem Grundriß und behält diesen im Gegensatz zum Tahoto-Typ auch im Obergeschoß bei. Beide Geschosse haben eine umlaufende Galerie. Die untere Ebene ist auf der Basis von 5 x 5 Pfostenabständen konstruiert, die obere Ebene auf einer Basis von 3 x 3. Die Pagode steht auf einer Plattform erhöht, so daß die erste Treppe von Osten auf die Plattform, die zweite Treppe dann auf die Galerie führt. Innen werden die Go-chi Nyorai verehrt, die fünf Tathagata oder die Fünf Großen Buddhas (Go-dai Nyorai, go = 5, dai = groß) bzw. die fünf Weisheitsbuddhas (go-chi = fünf-Weisheit) oder Dhyani-Buddhas. Zu ihnen gehören allgemein Dainichi Nyorai (Skt. = Vairocana oder Mahavairocana) als Hauptgottheit im Zentrum, Ashuku Nyorai (Skt. = Aksobhya) im Osten, Houshou Nyorai (Skt. = Ratnasambhava) im Süden, Amida Nyorai (Skt. = Amitabha) im Westen und Fukuujyoju Nyorai (Skt. = Amoghasiddhi) im Norden. Auch dieser Bereich besitzt einen eigenen Glockenturm.


Goshuin des Enryaku-ji, Bereich Todo
Mindestens neun verschiedene Goshuin kann man auf dem Enryaku-ji sammeln. Davon sind in diesem Kapitel sieben abgebildet. Zusätzlich (ohne Abb.) gibt es noch ein Goshuin am Konpon-chudo im Bereich To-do, dessen Sumigaki (schwarze Tusche-Schrift) den Wortlaut "Io-den" trägt, wobei der Begriff allgemein ein Tempelbauwerk bezeichnet, das eine Figur eines Medizin-Buddha zur Verehrung besitzt. Das heißt, allein im Bereich Todo gibt es sechs verschiedene Goshuin. Im Bereich Saito gibt es eines, im Bereich Mudo-ji-dani ebenfalls mindestens eines. Und im Bereich Yokawa gibt es in der Halle Chu-do ein Goshuin mit dem Wortlaut "Dai-hi-den" (ohne Abb.), wobei der Begriff allgemein eine Tempelhalle bezeichnet, in der ein Bildnis des Kannon Bosatsu zur Verehrung bereitgehalten wird. Hier fünf der sechs Goshuin des Bereichs Todo:

 

Abb. links: Goshuin des Enryaku-ji, Berg Hiei, Otsu (Präfektur Shiga), Teil Todo, Gebäude Monjuro, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019. Abb. rechts: Goshuin des Enryaku-ji, Teil Todo, Gebäude Daikokudo, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019.

 

Abb. links: Goshuin des Enryaku-ji, Berg Hiei, Otsu (Präfektur Shiga), Teil Todo, Gebäude Daikodo, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019. Abb. rechts: Goshuin des Enryaku-ji, Teil Todo, Gebäude Amidado, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019.

   

Abb.: Goshuin des Enryaku-ji, Berg Hiei, Otsu (Präfektur Shiga), Teil Todo, Gebäude Amidado, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019.


Rundgang und Beschreibung: Sanno-in und Jodo-in
Von der westlichsten Gebäudegruppe des Todo-Bereiches aus kann man auf dem zwischen der Amida-Halle und der Pagode entspringenden Weg westwärts zum nächsten Teil des Enryaku-ji laufen. Auf dem Waldweg passiert man die Quelle Benkei-sui, benannt nach dem berühmten starken Kriegermönch Musashibo Benkei (1155-1189) im Dienste von Minamoto no Yoshitsune.

Auf diesem Weg überquert man die Hieizan-Autostraße auf einer kleinen Brücke und kommt direkt am anderen Ende zum Sanno-in (San-nou-in) auf einer kleinen Anhöhe. Das überall von seinen offenen Holzoberflächen geprägte Gebäude mit zwei Steinlaternen davor ist alles, was auf dem einstigen Anwesen von Enchin (Chisho Daishi, 814-891) steht, dem 5. Oberpriester (Zasu) der Tendai-Schule. Enchin gründete hier nach seiner Rückkehr aus China 858 den Senju-in. In diesem wurde eine tausendarmige Kannon verehrt. Davor stand hier ein Shinto-Schrein für einen Gott des Berges, den bereits Saicho an den Fuß des Berges nach Sakamoto verlegt und mit den Berggöttern des Hiyoshi Taisha zusammengelegt hatte. Die Nähe des Ortes des neuen Kannon-Tempels führte zu einer Übertragung der alten Bezeichnung, denn wo einst der Sanno-Schrein stand, steht jetzt der Sanno-Tempel, der Sanno-in, Tempel des Berggottes. Freilich stammt das heutige Gebäude nicht aus der Zeit von Enchin, sondern wurde nach der Komplettzerstörung des Enryaku-ji neu errichtet. Innen wird eine Kannon-Figur aus der Zeit um 1600 ff. verehrt.

Auf dem weiteren Weg (Sando) zum Saito-Bereich passiert man noch den Jodo-in (Paradies-Tempel). Das malerischste ist der Weg dorthin, ein breiter Treppenweg zwischen den schlanken Baumstämmen des umliegenden Waldes zieht sich in großem Bogen abwärts und wird beiderseits von Steinlaternenpaaren gesäumt. Je tiefer man kommt, desto mehr prägt das Moos den Bewuchs der Stufen und der Laternendächer, während helle Lichtflecken des durch die Bäume dringenden Sonnenlichts ihr immer wieder wechselndes Muster erzeugen. Dieser Weg ist der mit der größten Mystik auf dem ganzen Enryaku-ji. Man gelangt auf diesem Weg abwärts direkt vor das Tor Hira-Kara-mon. Durch das Tor fällt der Blick nordwärts auf den Haiden oder Hondo, die Anbetungshalle oder Haupthalle, in dem ein Bildnis von Saicho verehrt und täglich mit frischen Opfergaben versorgt wird. Das eigentliche Schrein-Heiligtum (Gobyo) befindet sich dahinter. Der Jodo-in (Joudo-in), als wichtiges Kulturgut klassifiziert, enthält hinter der Haupthalle das Mausoleum (Gobyo, Gobyou) für den Gründer Saicho (Dengyo Daishi, 757-822), welcher am Todai-ji in Nara ordiniert wurde und später die Tendai-Schule nach seiner China-Reise nach dem Vorbild der chinesischen Tiantai-Schule gründete und damit den Enryaku-ji ins Leben rief. Das macht dieses Mausoleum zum heiligsten Ort des ganzen Enryaku-ji. Saicho hatte den Jodo-in als Amida-Tempel selber noch gegründet. Ennin hatte im Jahre 854 die Asche von Saicho hier begraben. Alternative Namen für den Jodo-in sind neben Dengyo-Daishi-Gobyo noch Hokke-seijo-Jodo-in und Gokuraku-Jodo-in. Dadurch, daß der Gründer selbst hier beerdigt ist, werden besondere Anforderungen an den hier Dienst tuenden Priester gestellt: Dieser, als Jishin bezeichnet, muß sich besonders strikt an buddhistische Regeln der mönchischen Lebensführung halten und ein Gelübde ablegen, hier 12 Jahre in den Bergen zu bleiben und sich in dieser Zeit nur um Meditationsübungen und den Dienst an Dengyo Daishi zu kümmern. Westlich der Haupthalle befindet sich noch eine Amida-Halle, in der eine Amida-Figur verehrt wird, die Saicho selbst geschnitzt haben soll. Es handelt sich um ein verborgenes, in einem Kasten verschlossenes Bild, zu sehen ist nur eine Kopie auf dem Altar. Die heutigen Gebäude stammen aus der Zeit um 1662.


Rundgang und Beschreibung: Bereich Saito
Auch der weitere Weg zu den anderen Gebäuden des Bereiches wird von Steinlaternenpaaren gesäumt. Der Bereich Saito wurde vom zweiten Zasu gegründet, Encho. Saito bedeutet" westliche Pagode, sai = Osten, tou = Turm. Die früheren namengebenden Pagoden sind längst vergangen. Linkerhand im Wald liegt der Schrein Minofuchi Benzaiten-sha. Kurz hinter dem Ticket-Häuschen (Saito uketsuke) passiert man das rechterhand tiefer am Hang liegende Gebäude Tsubaki-do (Kamelien-Halle). Die Halle trägt diesen Namen, weil der Legende nach einst Shotoku Taishi (Kronprinz Shotoku, 574-622) bei seinem Besuch auf dem Berg Hiei seinen Wanderstock aus einem Kamelienast hier in den Boden stieß, worauf dieser Wurzeln schlug und wieder austrieb und hier anwuchs und sich ausbreitete. Es ist eine kleine Holzhalle, aber äußerst baufällig; der Weg in die Nähe des einsturzgefährdeten Bauwerks ist gesperrt. Hier muß dringend etwas getan werden. In der Halle wird eine Senju Kannon verehrt, eine Kannon mit den tausend Händen (meistens nur mit 42 dargestellt). Zu dieser Halle gehört ein eigener Glockenturm, hart am Hang errichtet.

Danach kommt man zu einem Doppelgebäude: Zwei symmetrisch angelegte, einstöckige Hallen von gleichem Aussehen sind an den inneren hinteren Ecken miteinander verbrückt. Die Brücke hat ein erhöhtes Mittelstück, damit man gut darunter durch gehen kann (Rouka bubun). Linkerhand im Westen liegt die Halle Jogyo-do (Jougyou-dou), rechterhand die Halle Hokke-do (Hokke-dou). Das Original aus der Zeit um 800 ist verloren. Beide heutigen Gebäude stammen aus der Azuchi-Momoyama-Zeit, wurden 1595 erbaut und sind als wichtige Kulturgüter klassifiziert. Beide stehen für zwei asketische Praktiken der Mönche: In der einen Halle wird Hokke Zanmai (Lotus-Meditation, halb sitzend, halb gehend, Rezitation der Lotus-Sutra) geübt, in der anderen Halle Jogyo Zanmai (Samadhi des ständigen Schreitens, Circumambulations-Meditation). Beide Übungen ergänzen sich wechselweise, und das wird durch die Architektur ausgedrückt. Der Komplex insgesamt wird Ninai-do (Ninai-dou) genannt. Im Jogyo-do wird ein Amida Nyorai verehrt, im Hokke-do ein Fugen Bosatsu (Sanskrit: Samantabhadra), einer der acht großen Bodhisattvas des Mahayana-Buddhismus. Er wird auf einem Elephanten reitend dargestellt. Ansonsten sind beide Hallen spärlich eingerichtet und wirken ziemlich leer. Fugen wird insbesondere in der Tendai-Schule und auch in der Shingon-Schule als der "Allumfassend Gute" und "Ringsum Segensreiche" verehrt, als Beschützer derjenigen, die die buddhistische Lehre pflegen, und als Lebensverlängerer. Die beiden Hallen tragen den Spitznamen Benkei-no-ninai-do, weil angeblich der starke Benkei die Hallen auf seinen Schultern getragen haben soll, die üblichen Legenden eben.

Wenn man in der Mitte unter dem verbrückenden Korridor hindurchgeht, führt der Weg durch den Wald abwärts in Richtung Shaka-do. Auf halber Höhe liegt rechterhand im Osten der Saito Mandokoro, linkerhand die Halle Eryo-do (Eryou-dou). In der letzteren wird der Priester Eryo (Eryou) als Hauptkultbild verehrt, ein Vertrauter von Ennin. Genauer: Eryo studierte hauptsächlich bei Encho (Enchou) und wurde von Gishin ordiniert, hatte aber eine große Nähe zu Ennin, was aus dem Zusammenhalt der Mönche im Hodoin resultiert, im Gegensatz zu dem unter der Kontrolle von Enchin stehenden Todo-Bereich. Eryo jedenfalls war es, der die Lehre vom Honchi-suijaku klar in Worte faßte: Buddhas und Bodhisattvas sind Götter geworden, um hilfsbedürftigen Menschen zu helfen, und die de facto bereits praktizierte Verschmelzung von Buddhas und Göttern, von Buddhismus und Götterkult, wurde damit auch lehrmäßig vollzogen. Diese Ansicht war insbesondere in den Richtungen Tendai, Shingon und Nichiren verbreitet. Auf einem hohen, dreistufigen Sockel steht eine Steinpagode mit achteckigem Dach und schlankem Aufsatz, der oben mit einer Kugel abschließt (Enkai kokushi ju-tou).

Der Bereich Sai-to hat als Zentrum die Halle Shaka-do, das älteste Bauwerk dieses Bereiches und des ganzen Enryaku-ji. Das Gebäude ist als wichtiges Kulturgut eingestuft. Der formale Name lautet "Tenbo Rin-do" (auch: Tenho-Rin-do geschrieben). Zu der Halle gelangt man, wenn man den Weg am Enryo-do vorbei gänzlich auf die tiefer gelegene Fläche herabsteigt und das Handwaschbecken (Chouzusha) am Fuße des Weges passiert hat. Ringsum stehen riesige Zedern (Sugi no kyoboku) um den tiefgelegenen Platz. Die Halle hat eine Vorgeschichte: Als man nach der Zerstörung des Enryaku-ji durch Oda Nobunaga an den Wiederaufbau ging, wurde im Jahr 1595 der Kondo bzw. Miroku-do des Miidera (Onjo-ji) auf Befehl der Regierung unter Toyotomi Hideyoshi abgebaut und auf den Enryaku-ji versetzt, wo die Halle ein zweites Leben als Shaka-do begann. Oda Nobunaga hatte ja den Enryaku-ji zerstört, und der Miidera hatte als Erzfeind des Enryaku-ji mit ihm paktiert. Danach waren die Mönchskrieger des Enryaku-ji Geschichte, aber der Miidera hatte die seinigen immer noch. Toyotomi Hideyoshi machte es andersherum: Er ließ den befriedeten Enryaku-ji wiederaufbauen und entwaffnete seinerseits den Miidera. Dazu gehörte auch der "Umzug" der besagten Halle, die der Zerstörung entgangen war. Wie der Name schon sagt, wird hier als Hauptkultbild der stehende Shaka Nyorai verehrt, angeblich der, den einst Dengyo Daishi selbst angefertigt haben soll. Die Shitenno stehen um ihn herum. Auch hier ist die Originalfigur des Shaka Nyorai eine verborgene, zu sehen ist eine Kopie. Wie beim Konpon-chudo ist die Halle in drei Bereiche mit unterschiedlichem Bodenniveau unterteilt.

Im Südwesteck des Vorplatzes befinden sich ein Bussokuseki, ein Stein mit einem Fußabdruck Buddhas, und ein Shakyamuni-butsu-zo, eine Statue des Buddha Shakyamuni, die rechte Handfläche zum Betrachter erhoben, die linke Handfläche offen auf den Beinen abgelegt und zum Boden gerichtet. Hinter der Halle Shaka-do befindet sich ein Juu-ichi-men-kannon-zou, eine Figur einer elfgesichtigen Kannon. In dieser Richtung ist auch eine Pagode zu finden, Sorin-to genannt. Als Sorin bezeichnet man eigentlich eine metallene Pagodenspitze, und diese 10 m hohe Steinpagode hat eine extrem schlanke Proportion, daher der Name. Ursprünglich wurde sie von Saicho im Jahre 820 erbaut und war noch höher als diese spätere Version. In Richtung Straße steht linkerhand im Südwesten des Shaka-do der Glockenturm (Shoro, auch: Kanetsuki-do), ein wichtiges Kulturgut. Gegenüber, im Südosten des Shaka-do, liegt ein Tempelbüro (Saito Jimusho). Ein Weg führt ostwärts und biegt dann nach Norden ab. In der Nähe dieser Kurve sieht man rechterhand weiter unten den modernen Gebäudekomplex Kojirin (auch: Kyoshirin), in dem für Touristen die Möglichkeit angeboten wird, im Schulungs-Übungsraum (Kenshin-Dojo, Kenshin-Doujou) buddhistische Praktiken zu erlernen und auszuprobieren.


Goshuin des Enryaku-ji, Bereich Saito
Im Bereich Saito kann man ein Goshuin bekommen, eines von insgesamt mindestens neun verschiedenen Goshuin, die man auf dem Enryaku-ji sammeln kann:

   

Abb.: Goshuin des Enryaku-ji, Teil Saito, Gebäude Shakado, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019. Das Sumigaki (schwarze Tusche-Schrift) lautet in der Mitte mit den großen Zeichen "Dai-yu-den", eine allgemeine Bezeichnung für eine Tempelhalle, in der ein Shaka Nyorai (Buddha Shakyamuni, historischer Buddha) verehrt wird.


Rundgang und Beschreibung: Rurido
Waren die Bereiche Todo und Saito noch in fußläufiger Entfernung zueinander zu finden, so ist es zum Bereich Yokawa deutlich weiter nach Norden. Auf dem Weg dahin gibt es noch zwei kleine, abgelegene und kaum besuchte Gebäude. Das erste ist der links der Straße (Okuhiei Driveway) liegende Ruri-do (Lapislazuli-Halle). Man gelangt dorthin, wenn man beim Glockenturm des Saito-Bereiches den Pfad zur Straße nimmt, diese überquert und wenige Meter weiter den ersten Pfad links nimmt (Kurotani michi), der zunächst parallel zur Straße verläuft und sich dann verselbständigt. Nach ca. 500 m (in den schematischen Karten wird die Distanz viel kürzer dargestellt als sie wirklich ist) kommt man zum Rurido mit einer einzelnen, alten Holzhalle, die man aber nur von außen bewundern kann. Es ist das einzige Gebäude, das die Zerstörung des Enryaku-ji durch Oda Nobunaga überlebt hat. Die Halle ist zwar klein und hat nur einen Innenraum von 5,5 m2, aber die Architektur ist stilistisch am Ende der Muromachi-Zeit zu verorten. Typisch sind die aus der Zen-Architektur entlehnten glockenförmigen Fensterformen. Das hier verehrte Hauptkultbild ist Yakushi Ruriko Nyorai. Der Zauber dieses Gebäudes liegt vor allem in seiner abgelegenen Lage, wo man garantiert keine anderen Touristen trifft. Obwohl es nur 500 m sind, erscheint es einem unendlich weit weg von den anderen, besser besuchten Gebäuden, zumal man nur wenige Meter ab der Straße in die überwältigende Geräuschkulisse der Zikaden und Vögel eintaucht. Weiter hinten am Ende des Weges liegt der modernere Seikyobo (Seikyoubou).


Rundgang und Beschreibung: Seiryu-ji
Wieder zurück auf der Hauptstraße, kann man dieser in Richtung zu einem Parkplatz folgen. Dabei zweigt linkerhand ein weiterer Pfad in den Wald ab. Alternativ kann man vom Bereich Saito dem rechts neben dem Shaka-do abgehenden Wanderweg folgen, an der Abzweigung zum Kojirin hält man sich links und kommt zu einer Fußgängerunterführung, die unter dem Okuhiei Driveway hindurchführt, danach führt der kleine Waldweg letztendlich zu der selben Stelle, ist aber angenehmer als die Straße. Nach Durchquerung eines Wäldchens trifft man auf einen größeren Weg, dem man links abbiegend folgt. Das Ziel ist der Joumeizan Seiryu-ji (Kurotani Seiryuu-ji). Er liegt noch abgelegener als der zuvor beschriebene Teil. Wenn es nicht ab und zu einen Wegweiser gäbe, würde man nicht mehr daran glauben, hier jemals zu einem Tempel zu kommen. Die Karten sind allesamt eher schematisch und täuschen über die tatsächliche Distanz hinweg: Was wie ein Katzensprung aussieht, ist in Wirklichkeit eine ausgedehnte Wanderung. Insgesamt ist der Waldweg mit all seinen Kehren fast 2 km lang, und gegen Ende verliert man ziemlich viel an Höhe, bis man endlich ankommt, zuletzt geht es eine lange Treppe abwärts (und das muß man nachher alles wieder zurück!). Der Treppenabstieg des Sando (Zuweg) aus Richtung Saito wird Hashiride-do, Hase dashi-michi oder Hashiride zaka genannt, was soviel wie "Renn-Weg" bzw. "Lauf-Steigung" bedeutet. Doch dann wird man mit einem der einsamsten Tempel belohnt, den man als Tourist je betreten hat, mit Tor, Haupthalle, Nebengebäuden und vor allem riesigen Bäumen. Man betritt den Tempel durch das Bergtor (San-mon). Die Haupthalle (Hondo) besitzt einen kleinen Karahafu in der Mitte der Vorderseite, gestützt von zwei vorgezogenen Pfosten. Die verwitterte Kalligraphie-Tafel am Hondo trägt die drei Kanji für "Sei-ryuu-ji". Am Dach ist mehrfach das vergoldete Kamon des Chrysanthemen-Blütenstandes angebracht, sowohl am First als auch über dem Karahafu. Etwas abgesetzt ist eine kleine Halle mit Satteldach, Hoonzo (Houonzou) genannt. Ein Tenmangu-Schrein steht direkt neben mächtigen Zedernstämmen und wirkt in dieser Szenerie noch bescheidener und zerbrechlicher. Zwei Bronzefiguren stellen Kyuudousha Shinzei-zou (stehend mit zusammengelegten Handflächen) und den jungen Honen im Alter von 18 Jahren (sitzend, in einem Buch lesend) dar. Keine Menschenseele ist zu sehen, und alle Gebäude sind zu und nicht auf Besucher eingestellt. Dennoch besitzt dieser Tempel in der Waldeinsamkeit eine urige und heimelige Stimmung, und wirkt dazu wie aus der Zeit gefallen, was wohl am meisten seiner Abgeschiedenheit geschuldet ist.


Rundgang und Beschreibung: Bereich Yokawa
Der dritte Bereich, Yokawa (Yokokawa), ist vom Shaka-do des Saito-Bereichs 3 km in der Luftlinie entfernt. Die vielen Serpentinen der Straße machen daraus 4,5 km Strecke. Das ist zuviel zum Laufen, hier bietet sich der Shuttle-Bus an, den man entweder am Parkplatz zwischen Jodo-in und Tsubakido am Bereich Saito oder am Parkplatz mit der Bronzestatue von Dengyo Daishi (Saicho) bekommt. Von dem Yokawa-Parkplatz aus geht der Weg am Tickethäuschen (Yokawa uketsuke) nach Nordosten; nach 300 m erreicht man hinter den ersten Gebäuden einen kleinen rechteckig geformten See, den Ryuga-ike, an dessen Ufer ein graues Torii zu einer Brücke leitet, die zu einer Insel mit einem Benzaiten-Schrein führt, dem Ryugaike Benzaiten jinja.

Der Bereich Yokawa wurde von Ennin gegründet. Hier studierten etliche der späteren Gründer eigener Richtungen, Genshin, Shinran, Nichiren und Dogen. Der Bereich Yokawa gruppiert sich um die Halle Yokawa Chu-do (Chuu-dou) als Zentrum. Der ursprüngliche Bau, auch Shuryo Gon-in genannt,  wurde 848 von Jikaku Daishi Ennin gegründet und beherbergte eine Sho Kannon. Nach der Komplettzerstörung durch Oda Nobunaga entstand 1596-1615 ein Neubau, der aber 1942 vom Blitz getroffen wurde und abbrannte. Der heutige Bau ist Showa-zeitlich und wurde erst 1971 errichtet, aus Anlaß des im Folgejahr bevorstehenden 1150sten Jahrestages (Dai-on-ki) des Todes von Dengyo Daishi. Wegen des unebenen Geländes steht das Gebäude im Stil Butai-zukuri auf einer Terrasse, mit einer Ecke auf einer hohen Stützmauer, entlang der eine Treppe hochführt. Darüber trägt ein zinnoberrot gestrichenes Balkengerüst die umlaufende Veranda. Die Front der Halle mit dem Eingang ist 9 Pfostenabstände breit, mit verschiedenen Abstandsbreiten. Im Inneren wird eine Sho-Kannon verehrt, eine heilige Kannon. Dieser Tempel ist Teil des neuen (!) Saigoku Sanjusan-kasho Kannon-Pilgerweges und stellt die 18. Station von 33 Stationen insgesamt dar. Entsprechend gibt es hier auch einen Miniatur-Pilgerpfad. Nördlich der Haupthalle liegt auf der anderen Seite des Weges in einer Waldlichtung die zweistöckige Pagode, Konpon Nyoho-to genannt. Der Name bezieht sich auf die Nyoho-Sutra; Jikaku Daishi Ennin praktizierte das Kopieren dieser Sutra in einem ausgehöhlten Konpon-Zedern-Baumstamm. In der 1925 wiederhergestellten Pagode werden etliche Abschriften buddhistischer Schriften aufbewahrt, die hier mit der Absicht der Weitergabe an zukünftige Generationen hinterlegt wurden.

Östlich befindet sich der Mandokoro. Südöstlich der Halle Yokawa Chu-do befindet sich am Ende einer Steintreppe mit dem Sekisan-gu ein weiterer Schrein; hier wird Sekizan Daimyojin verehrt, die Schutzgottheit des chinesischen Berges Sekizan (siehe dazu auch beim Tempel Sekizan Zen-in).

Ein Stück weiter befindet sich nördlich des Weges mit dem Kyoshi-no-to (Takahama Kyoshi no seizen haka) eine Grabgedenkstätte mit einer kleinen Steinpagode auf einem Treppenpodest für Takahama Kyoshi (eigentlich Takahama Kiyoshi, 22.2.1874-8.4.1959), einem berühmten Dichter, der aus Matsuyama kam und einer Samurai-Familie entstammte, in Tokyo studierte und lebte, später nach Kamakura zog.  In seiner Zeit in Kyoto besuchte er oft den Enryaku-ji. Die Grabesstätte dient nur der Erinnerung, tatsächlich ist er in Kamakura im Tempel Jufuku-ji begraben. Ihm ist ein Museum in Ashiya gewidmet.

Wenn man dem Weg an dem Schrein vorbei ostwärts folgt, kommt man an einer T-Kreuzung zum zinnoberrot gestrichenen Glockenturm (Shoro), einem wichtigen Kulturgut. Folgt man dem Weg nach Süden, kommt man am Hihokan (Museum, nur im Frühjahr und Herbst geöffnet) vorbei zum Eshin-do, einem kleinen quadratischen Gebäude auf einer Waldlichtung. In diesem verehrt man Genshin (942-6.7.1017), der auch unter dem Namen Eshin Sozu bekannt ist und ein sehr einflußreicher Priester der Tendai-Schule und mit dem von ihm erstmals eingeführten Nenbutsu Zanmai (Meditation durch Anrufung von Amida Buddha) ein Wegbereiter des Nembutsu-Rituals und der Herausbildung der späteren Jodo-shu war. Zusammen mit Kakuun war er einer der bedeutendsten Schüler von Ryogen (912-31.1.985), dem 18. Oberpriester des Tendai-Buddhismus. Er schrieb 985 das Werk "Ojo Yo-shu". Eshin gründete eine eigene Unterschule des Tendai-Buddhismus und beeinflußte durch seine Werke den späteren Amidismus (Reines-Land-Buddhismus).

Zurück zur T-Kreuzung: Wenn man am Glockenturm nordwärts geht, kommt man zum Shiki-kodo (Shiki-kou-dou) oder auch Ganzan-Daishi-do, integriert in einen größeren Komplex mit Mauer und Tor auf der Ostseite des hufeisenförmig von Gebäuden eingerahmten Hofes. Die Halle in der Mitte, gegenüber dem Eingangstor, mit zwei Steinlaternenpaaren davor, ist der als wichtiges Kulturgut eingestufte Shiki-kodo. Die Halle stammt aus der Edo-Zeit und wurde 1652 errichtet. Der Name setzt sich zusammen aus "Kodo" = Lehr- und Lesehalle, in der die heiligen Schriften gelesen und unterrichtet werden, und "Shi-ki" = 4 Jahreszeiten. Das heißt, hier findet zu jeder Jahreszeit eine besondere Zusammenkunft statt. In Übereinstimmung mit einem kaiserlichen Dekret des Tenno Murakami fand der erste Zyklus aus Lesungen über die Lotus-Sutra im Jahre 967 statt. Der alternative Name Ganzan-Daishi-do kommt daher, daß dies angeblich das Haus des Ryogen (Ganzan Daishi, auch Jiei Daishi) war. Ganzan-Daishi ist Ryogen (Ryougen, 15.10.912-26.1.985), 18. Abt und Erneuerer des Enryaku-ji. Sein Bild als Tsuno Daishi, als "Großer Lehrer mit Hörnern" in Gestalt eines Teufelchens, ist mehrfach gegenwärtig, u. a. auch auf Amuletten, die nach Erwerb an den Hauseingang zur Abwehr von Übel geklebt werden. Angeblich geht auf ihn die Praxis der Omikuji (Orakelzettelchen) zurück.

Im Südosten der Gebäudegruppe steht außerhalb der Shinto-Schrein Hashi-tsuka Benzaiten, mit zinnoberrotem Torii und ebensolchem Lattenzaun; der Schrein selbst ist unscheinbar und wirkt winzig unter den hohen Bäumen. Hashi-tsuka ist wörtlich ein "Eßstäbchen-Hügel". Noch weiter östlich liegt der Hieizan Gyo-in (Gyou-in), ein Dojo (Doujou, Trainingszentrum) der Tendai-Schule für Praktizierung des Shido Kegyo. "Shi-do" bedeutet "vier Wege", "Kegyo" bedeutet "Disziplin". Es handelt sich um eine Art Vorbereitungstraining vor der Hauptpraxis. Nördlich des Trainingszentrums befindet sich auf der anderen Seite des Weges ein weiterer Shinto-Schrein, der Kanro-san-nou-sha, ein winziger brauner Schrein hinter einem zinnoberroten Torii. Dort wird Sanno Gongen verehrt, die Schutzgottheit (Jinushi-gami) des Berges Hiei. Ein Stück weiter am Weg steht ein Miroku-seki-butsu, ein steinerner Buddha Maitreya. Ganz im Norden befindet sich noch der Ganzan-daishi-gobyo, das Mausoleum für Jiei Daishi Ryogen (Ganzan Daishi). Weiter abgesetzt im Nordosten befindet sich der Joko-in. Hier lebte Nichiren Shonin ca. 12 Jahre lang, um sich buddhistischen Übungen zur Erlangung von Erleuchtung zu unterwerfen. Das Gebäude wurde unlängst erneuert.


Rundgang und Beschreibung: Tal des Mudo-ji
Es gibt noch einen weiteren Bereich im Süden der Bergstation, den Bereich des Mudo-ji-dani (Mudou-ji-dani, Tal des Mudo-ji). Der schmale Weg zweigt direkt an der Endstation der Sakamoto-Standseilbahn ab, zieht sich in mehreren Zickzack-Kehren um die Bergflanken abwärts, und dabei begegnen einem viele unterschiedliche Schreine und Tempelgebäude hintereinander, den Weg entlang aufgereiht wie Perlen auf einer Schnur: Konryu-in, Benten-do (hier wird Benzaiten verehrt), Uka jinja, Haku-ryuu Daimyojin, Myoo-do (hier wird ein lebensgroßer Fudo Myo-o verehrt, der von Soo Kasho (831-918) geschnitzt worden ist), Marodo-miya, Homan-in, Goma-do, Hoshu-in (Houshu-in, Houju-in), Daijo-in (Dai-jou-in), Gyoku-sho-in u. v. a. m., bis man am Ende an den Weg runter in die Ebene gelangt, die Mudo-ji-zaka, die Mudo-ji-Steigung. Obwohl dieser Bereich direkt von der Standseilbahn aus zugänglich ist, ist er dennoch touristenfreie Zone, und die Gebäude liegen in der Waldeinsamkeit in einer Geräuschkulisse, die allein vom Plätschern des Hangwassers, dem Wind in den Bäumen und den allgegenwärtigen Zikaden bestimmt wird. Der Name Mudo-ji bedeutet "unbeweglich-Tempel", und das ist religiös gemeint und paßt zur Verehrung von Fudo Myo-o, der von einigen Richtungen des Buddhismus als eine Erscheinungs­form des Dainichi Nyorai (Buddha Vairocana, kosmischer Buddha) angesehen wird. Jedenfalls geht der Kult auf das Jahr 863 zurück, als hier eine lebensgroße Statue von Fudo Myo-o aus Holz hergestellt wurde, für die 2 Jahre später ein eigener Tempel gegründet wurde.


Goshuin des Enryaku-ji, Bereich Mudo-ji-dani
Im Bereich Mudo-ji-dani kann man ein Goshuin erhalten, eines von insgesamt mindestens neun verschiedenen Goshuin, die man auf dem Enryaku-ji sammeln kann::

   

Abb.: Goshuin des Mudo-ji, Berg Hiei, Otsu (Präfektur Shiga), Teil Mudo-ji-dani, Tempel Mudo-ji, rechte Spalte unten: Datum: 2.9.2019.


Nationalschätze und wichtige Kulturgüter Japans
Der Enryaku-ji gehört seit 1994 zum Weltkulturerbe Historisches Kyoto. Dazu besitzt er mit dem Konpon-chudo (Konpon-chuu-dou) einen Nationalschatz Japans. Mehrere Gebäude sind als wichtige Kulturgüter eingestuft, darunter im Bereich To-do der Monju-ro, die Halle Dai-ko-do, der Korridor vor dem Konpon-chudo und die Halle Kaidan-in, im Bereich Sai-to die Gebäude Jodo-in, Jogyo-do, Hokke-do (beide zusammen sind der Ninai-do), Shaka-do und der Glockenturm, und im Bereich Yokawa die Halle Shiki-Kodo und der Glockenturm. Auch der etwas abgelegene Ruri-do ist ein wichtiges Kulturgut. Etliche der Ausstellungsstücke im Museum sind ebenfalls als wichtiges Kulturgut klassifiziert.

Zu den Nationalschätzen in Tempelbesitz gehören weiterhin folgende museale Objekte:

Im Museum werden weiterhin unzählige Statuen aufbewahrt, darunter fünf Weisheitskönige.

Nicht mehr im Enryaku-ji ist die als Nationalschatz eingestufte Tempelglocke (Bonsho), die ursprünglich im Hodo-in im Bereich Saito hing. Sie ist 116 cm hoch und hat eine 55 cm breite Öffnung, und sie stammt aus dem Jahre 858 und ist damit Heian-zeitlich. Heute wird sie im Sagawa Art Museum in Moriyama (Präfektur Shiga) aufbewahrt.


Sakamoto Cable


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.0854145,135.8440723,14z - https://www.google.de/maps/@35.0854145,135.8440723,5600m/data=!3m1!1e3
Todo auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0705134,135.8424419,17z - https://www.google.de/maps/@35.0705134,135.8424419,700m/data=!3m1!1e3
Saito auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0736657,135.8343202,17z - https://www.google.de/maps/@35.0736657,135.8343202,700m/data=!3m1!1e3
Rurido auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0775778,135.8350836,17z - https://www.google.de/maps/@35.0775778,135.8350836,700m/data=!3m1!1e3
Seiryu-ji auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0831004,135.8341502,17z - https://www.google.de/maps/@35.0831004,135.8341502,700m/data=!3m1!1e3
Yokawa auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0971027,135.8510588,17z - https://www.google.de/maps/@35.0971027,135.8510588,700m/data=!3m1!1e3
Mudo-ji-dani auf Google Maps:
https://www.google.de/maps/@35.0630905,135.8428376,17z - https://www.google.de/maps/@35.062595,135.8436439,495m/data=!3m1!1e3
eigene Webseite:
https://www.hieizan.or.jp/ - englisches Faltblatt: https://www.hieizan.or.jp/wp-content/themes/enryakuji/pdf/english.pdf
Enryaku-ji auf Japan Travel Manual:
https://jpmanual.com/en/enryakuji
Erläuterungen der drei Bereiche auf dem Faltblatt des Tempels:
https://www.hieizan.or.jp/_att/english.pdf
Bereich Todo auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report178.html
Bereich Saito auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report606.html
Bereich Seiryu-ji auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report487.html
Bereich Yokawa auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report602.html
Bereich Mudo-ji-dani auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report642.html
Liste der Nationalschätze Japans:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(temples) - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(ancient_documents) - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(crafts-others)
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 322-331
John Dougill: Japan's World Heritage Sites - Unique Culture, Unique Nature, 192 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc., 2014, ISBN-10: 4805312858, ISBN-13: 978-4805312858, S. 60-63
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto - City of Zen, 144 S., Verlag Tuttle Shokai Inc. 2012, ISBN-10: 4805309784, ISBN-13: 978-4805309780, S. 84-85
Handbook of the old Shrines and Temples and their Treasures, hrsg. vom Bureau of Religions, Department of Education, Tokyo, 1920, S. 83-86
auf Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/Enryaku-ji - https://en.wikipedia.org/wiki/Enryaku-ji
auf Japan Guide:
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auf Visit Kansai:
http://www.visitkansai.com/sightseeing/hieizan-enryakuji/
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Vorschlag für ein Tagesprogramm:
https://www.keihan.co.jp/travel/en/plan-your-trip/itinerary-ideas/mount-hiei-lake-biwa
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Meditation erfahren auf dem Enryaku-ji:
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Webseite der Standseilbahn aus östlicher Richtung:
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Keifuku Cable:
https://en.wikipedia.org/wiki/Keifuku_Cable_Line
Standseilbahn aus westlicher Richtung: Keifuku Railway:
https://www.keifuku.co.jp/
Keihan, Routen zum Berg Hiei:
https://www.keihan.co.jp/travel/en/plan-your-trip/itinerary-ideas/mount-hiei-lake-biwa
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https://www.kyotostation.com/the-eizan-electric-railway-for-kibune-kurama-mount-hiei/
Plan des Enryaku-ji:
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Toshio Fukuyama: Heian Temples - Byodo-In and Chuson-Ji, Heibonsha Survey of Japanese Art Band 9, 170 S., Verlag: Weatherhill 1976, ISBN-10: 0834810239, ISBN-13: 978-0834810235, S. 72-78, Grundriß S. 15.
Paul Groner: Ryogen and Mount Hiei: Japanese Tendai in the Tenth Century, Kuroda Studies in East Asian Buddhism, Band 15, 542 S., University of Hawaii Press, Reprint 2019, ISBN-10: 0824881540, ISBN-13: 978-0824881542
Saicho:
https://en.wikipedia.org/wiki/Saich%C5%8D
Saicho auf einer Tempelseite:
http://www.tendai.or.jp/english/index.php
Ryogen:
https://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Ry%C5%8Dgen
Ryogen auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ry%C5%8Dgen - https://de.wikipedia.org/wiki/Ry%C5%8Dgen
Matthias Eder: Geschichte der japanischen Religion, 1. Band:
http://nirc.nanzan-u.ac.jp/ja/files/2012/05/AFS-Monograph-7-1.pdf - 2. Band: http://nirc.nanzan-u.ac.jp/ja/files/2012/05/AFS-Monograph-7-2.pdf
Kriegermönche:
https://www.warhistoryonline.com/guest-bloggers/warrior-monks-feudal-japan-monks-not-always-practice-peace.html
Stephen Turnbull, Wayne Reynolds: Ninja und Japanische Kampfmönche 950-1650, 128 S., Verlag: Siegler, 2. Auflage 2013, ISBN-10: 3877486312, ISBN-13: 978-3877486313
Kriegermönche:
https://de.wikipedia.org/wiki/S%C5%8Dhei - https://en.wikipedia.org/wiki/S%C5%8Dhei
Jimon und Sanmon:
https://en.wikipedia.org/wiki/Jimon_and_Sanmon
Ennin:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ennin - https://de.wikipedia.org/wiki/Ennin
Auf Ennins Spuren in China:
http://pratyeka.org/ennin/
Ennin:
https://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Ennin
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https://www.britannica.com/biography/Ennin
Ennin:
https://www.ancient.eu/Ennin/
Ennin:
https://nirc.nanzan-u.ac.jp/nfile/2521


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