Bernhard Peter
Kyoto (Präf. Kyoto), Takao, Kozan-ji


Lage und Touristisches
Der Tempel Kozan-ji (Kouzan-ji, auch Kousan-ji) bzw. mit Bergnamen Toganoo-san Kozan-ji gehört zu einer kleinen Gruppe von Tempeln und Schreinen im Dorf Takao nördlich von Kyoto (Adresse: 8 Togano-o-cho, Umegahata, Ukyo-ku, Kyoto-shi, Kyoto, 616-8295). Man erreicht Takao bequem mit dem Bus, und hier gibt es eine ganz besondere Buslinie, nämlich eine der ganz wenigen Buslinien in Kyoto, die von JR betrieben werden, momentan sogar die einzige. Das bedeutet, daß man hier mit einem JR Railpass kostenlos fährt, beim Aussteigen zeigt man dem Fahrer den Railpass vor, und das war es. Wer keinen Railpass besitzt, zahlt für eine Fahrt bis Takao die Kyoto-Flatrate von 230 Yen. Auch regionale JR-Pässe wie der Kansai Atrea Paß und der Kansai Wide area Paß sind gültig. Auch der bis September 2023 ausgegebene Kyoto-Tages-Paß war auf der Strecke gültig.

Den Bus, der im Gegensatz zu den lindgrünen Stadtbussen ein blau-weißes Design hat, bekommt man z. B. an seinem Startpunkt, dem JR Hauptbahnhof von Kyoto, und zwar gleich am dem Bahnhofsgebäude am nächsten gelegenen Bussteig. Es gibt dort fünf parallele Fahrspuren, von Süden nach Norden JR-Bussteige 1-3, A 1-3, B 1-3, C 4-6 und C 1-3, und senkrecht dazu im Osten gibt es noch die D-Bussteige. Der Takao-Bus fährt an JR3 ab, also an der ersten, südlichsten Busspur ganz rechts, dem zentralen Bahnhofsausgang am nächsten. Weitere Zustiegsmöglichkeiten ergeben sich durch Berührungspunkte auf der Route mit anderen JR-Bahnhöfen, z. B. Nijo-eki-mae -> JR Nijo und Nishinokyo-Enmachi -> JR Enmachi. Die Abfahrtszeiten werden beim Tempel Saimyo-ji erklärt, Kombinationsmöglichkeiten zu einem sinnvollen Gesamt-Tagesprogramm beim Tempel Jingo-ji.

Für den Kozan-ji steigt man an der Haltestelle Toganoo aus (kleiner Parkplatz); der Weg zum Tempel ist an der linken Straßenseite, also auf der Ausstiegsseite. Eine Alternative mit dem lindgrünen Stadtbus ist die Linie 8, die von Shijo-Karasuma aus startet und alle halbe bis ganze Stunde fährt. Man steigt für den Kozan-ji am besten in Toganoo aus, dort befindet sich der Takao-Kanko-Parkplatz. Zum Tempel führen zwei Wege hoch, der am Parkplatz beginnende wird Ura-sando genannt, hinterer Zuweg. Von Süden her, von der Hakuunkyo-Brücke kommend, verläuft der alternative Omote-sando, der vordere Zuweg, gerade nach Norden und knickt dann nach rechts zum Tempeltor ab.

Es ist sinnvoll, diesen Tempel an den Beginn einer Erkundung von Takao zu stellen und sich dann zu steigern. In diesem Tempel gibt es eine herrliche alte Halle mit einer großartigen Aussicht zu sehen, Sekisui-in genannt. Die Halle ist toll, die Halle ist uralt, die Halle ist wunderschön, der Ausblick auf das Grün ringsum ist atemberaubend, und man mag sich abseits der beiden schönsten Jahreszeiten gar nicht vorstellen, wie schön es hier erst ist, wenn die Herbstlaubfärbung die Wälder rot und golden färbt. Es muß zauberhaft sein. Außerdem gehört dieser Tempel aufgrund dieser Halle seit 1994 mit zum Weltkulturerbe Historisches Kyoto, das insgesamt 17 Stätten umfaßt. Das Tempelgelände selbst ist als nationale historische Stätte und als Ort besonderer landschaftlicher Schönheit ausgewiesen und geschützt.

Dennoch läßt einen der Besuch unzufrieden zurück, denn man zahlt hier 1000 Yen Eintritt und bekommt im Grunde nur eine einzige Halle zu sehen, die ganz von einer einzigen Aussichtsterrasse an der Südseite lebt, mehr bekommt man nicht zu sehen. Der persönliche Lebensbereich der Bewohner, der nördlich des Kyakuden liegende Kuri, ist natürlich tabu, ebenso die dahinter liegende Trainingshalle Hokodai-dojo, dagegen ist auch nichts zu sagen; das interessante Teehaus ist aber unzugänglich, der Weg dahin ist abgesperrt, ein näheres Betrachten war nicht möglich, weil das umgebene Gebüsch und die Bäume so hoch sind, daß man im Grunde kaum etwas sieht, geschweige denn phtographieren kann. Ein Blick hinein in das Teehaus wäre sicher auch sehr interessant, aber nein, abgesperrt, nicht zugänglich. Die anderen Hallen sind auch ohne Eintritt von außen zu besichtigen, und nur von außen. Man zahlt also 7 bis 8 € für eine einzige Halle, um genau zu sein für eine einzige mit Aussicht in das füllige zarte Grün und auf den gegenüberliegenden Hügel.

Der zweite Punkt der Enttäuschung ist die Realität, die man nicht auf den schönen Photos mit der herrlichen Aussicht in die Baumkronen sieht: Wenn man tatsächlich da oben auf der Veranda sitzt, hört man nicht nur die allgegenwärtigen Zikaden kreischen, sondern auch im Tal unterhalb des Tempels die Durchgangsstraße (Shuzan Kaido, Nationalstraße 162) mit dem nach oben schallenden Verkehrslärm - eine meditative Stimmung mag da nicht so wirklich aufkommen. Selbst an einem Sonntag ist der Verkehr nennenswert, die so oft beschworene "poetische Imagination" auf der Veranda kommt nicht auf. Schöner Blick gewiß, aber laut.

Der dritte Punkt der Enttäuschung ist das gerade ein so und berühmter Tempel sich vielleicht die Mühe machen sollte das mitgebrachte Pilgerbuch von Hand mit einem Eintrag zu bereichern, das schaffen unbedeutendere Tempel, aber nicht dieser: Alles was man erwerben kann, ist ein vorgefertigtes Blatt, das man dann in sein Buch einklebt. Das Schöne an diesen Goshuin ist ja gerade die individuelle Anfertigung, die Personalisierung, die Individualität der Tagesform, die Tatsache, daß sich jemand die Mühe macht, zu bezeugen, daß man diesen Tempel besucht hat - das gibt es hier nicht, und das kann man bei dem stolzen Preis von 1000 Yen Eintritt durchaus als Minuspunkt verzeichnen.

Wenn man dann den Berg hoch geht und sich die anderen beiden Hallen anschaut, was nur von außen möglich ist, kommt der Wunsch auf, daß man sich ein bißchen mehr Mühe mit der Pflege geben könnte, denn das macht alles einen etwas vernachlässigten und verlotterten Eindruck. Daran ist vor allem auch der Taifun "Jebi" im September 2018 schuld, der etliche alte Bäume umgehauen hat und die Landschaft auf dem Tempelgelände stark verändert hat und eine ungeplante Lichtung hinterlassen hat. Aber dennoch: Wenn man zusammenrechnet, wie viele Besucher dieser Tempel hat, und jeder läßt 1000 Yen da, dann müßte doch vielleicht jemand zu bezahlen sein, der einfach mal aufräumt, Dreck wegräumt, ein bißchen besser die Wege sauber hält. Auch die rekultivierte Teeplantage, immerhin eine der berühmtesten und angeblich die älteste überhaupt, machte im besucherarmen Monat September einen heruntergekommenen und vernachlässigten Eindruck.

Man kann in der entsprechenden Fachliteratur nachlesen, welche Schätze dieser Tempel beherbergt, alles wunderbar, nur bekommt man sie nicht zu Gesicht. Auch das, womit der Tempel am meisten wirbt, nämlich das älteste Manga, eine humorvolle Bilderrolle mit Tusche-Zeichnungen fröhlicher Hasen, bekommt man nur als Kopie zu sehen. Genug des Verrisses, ich habe meiner Enttäuschung Ausdruck verliehen, aber wir wollen auch mal sehen, was auf der Habenseite ist: eine wunderschöne Halle mit spektakulärer Aussicht. Wenn man den Tempel abseits der Herbstlaubfärbung aufsucht, hat man die Halle als Tourist sogar für sich allein, und wenn das Licht durch das Laub der Ahorne streicht, ergeben sich wunderschöne Effekte zusammen mit dem bemoosten Untergrund des Gartens, den uralten Steinlaternen, und dann läßt sich doch sagen, daß das ein Tempel ist mit einer der schönsten "gerahmten Aussichten" überhaupt. Das Fotografieren ist im Tempel nur in Richtung auf die Gärten erlaubt, der Innenraum ist für Photos tabu.

In summa sind die beiden anderen Tempel im Ort lohnenswerter, und die dort anzutreffenden Mönche sind auch irgendwie netter kooperativer, gerade bei dem Saimyo-ji ist die Halle viel stimmungsvoller mit sehr vielen schönen alten Figuren. Eigentlich verwundert es, daß der Kozan-ji Teil des Unesco-Weltkulturerbes ist, die beiden anderen aber nicht. Diese Einstufung ist allein aufgrund der in Tempeleigentum befindlichen Kunstwerke zu verstehen, das Besuchserlebnis selbst ist deutlich hinter den damit verbundenen Erwartungen anzusiedeln. Deswegen sind die beiden anderen Tempel diesem hier deutlich vorzuziehen, denn auch der Jingo-ji ist besser hinsichtlich der Gebäude. Deshalb ist es gut, mit diesem Kozan-ji zu beginnen und dann als Steigerung zu den beiden anderen zu gehen.


Geschichte und Bedeutung
Der Tempel Kozan-ji (Kouzan-ji) gehört zum Shingon-Buddhismus, und innerhalb dieser Richtung seit 1872 zur Omura-Schule. Seit 1966 ist er ein unabhängiger Shingon-Tempel. Er wird auch Toganoo-dera genannt.

Vermutlich lebten hier bereits seit der Nara-Zeit Mönche. Die Einsamkeit der Bergregion zog Bergasketen an, und während der Heian-Zeit wurde der Vorläufer des heutigen Tempels ein Zweigtempel des Jingo-ji unter dem Namen Jumujin-in. Doch diese Vorläufer sind schlecht belegt und schwer faßbar. Als Gründer des Kozan-ji gilt der während der Kamakura-Zeit tätige Shingon-Mönch Myoue (21.2.1173-11.2.1232), dessen Grab sich auch auf dem Tempelgelände befindet. Dieser stammte aus der Gegend von Wakayama, war mütterlicherseits ein Enkel von Yuasa Muneshige und verwaiste früh. Er trat in den nahen Jingo-ji ein, lernte bei dem Shingon-Priester Mongaku Shounin, der seit 1168 im Jingo-ji lebte, und wurde 1188 im Todai-ji in Nara zum Priester ordiniert. Er blieb aber nicht ausschließlich bei der Shingon-Lehre, die er im Ninna-ji in Kyoto weiterverfolgte, sondern wurde auch in der Kegon- und in der Kusha-Schule sowie im Zen unterrichtet. Der ganze Streit und Wettstreit unter den verschiedenen Schulen wurde ihm immer mehr zuwider. Danach folgten der totale Bruch mit der Gesellschaft und einige Wanderjahre in einsamen Bergtempeln. Myoue bekam das Land in Takao von Kaiser Go-Toba, und zu dem Zeitpunkt war offensichtlich alles verfallen, was vorher einmal da gewesen ist. 1206 wurde er der erste Abt des Kozan-ji, und das gilt als Gründungsjahr des Tempels, auch wenn hier vermutlich schon früher Bergasketen lebten.

Seine Hauptbemühungen waren einerseits die Herausarbeitung des Verbindenden der verschiedenen Schulen, andererseits die Vermittlung der Lehren des esoterischen Buddhismus an Laien, ein konträrer Ansatz im Vergleich zu seinem Zeitgenossen Hounen, der die Erlösung durch Nembutsu predigte und durch maximale Vereinfachung das Volk erreichte. Myoue publizierte mehrere Schriften und schuf neue Regeln für den mönchischen Tageslauf im Kloster. Im Tempel werden weiterhin Biyakkoushin, Zenmyoushin und Kasuga Myoujin sowie die Shinto-Schutzgottheit des Kozan-ji verehrt. Der Tempel gehört zur Gruppe der Chokugan-ji, also zu den Tempeln, die auf Anweisung eines Kaisers errichtet wurden, damit hier für das Wohl des Landes und das Wohlergehen der kaiserlichen Familie gebetet werden sollte; in diesem Fall erging die Anweisung durch Kaiser Go-Toba (1180-1239, regierte 1183-1198). Andere Tempel dieses Typs sind z. B. in Nara der Yakushi-ji, der Todai-ji und der Ryosen-ji, und in Kyoto die Tempel Kiyomizu-dera, Ninna-ji, Daigo-ji, Daitoku-ji, Myoshin-ji, Myoken-ji etc. Das Hauptkultbild des Tempels ist ein Shaka Nyorai, deshalb trägt das Goshuin des Tempels im Sumigaki in der mittleren Spalte den Wortlaut "Shaka Nyorai".

Im Besitz des Tempels Jingo-ji ist ein 1230 erstellter Übersichtsplan, wie der Tempel damals ausgesehen hat. Es gab damals ein großes Tempeltor, eine Haupthalle (1219), eine dreistöckige Pagode (1227), einen Glockenturm (Shoro, 1219), ein Skriptorium (1216), eine Amida-do (Amida-Halle, 1229), eine Halle zur Verehrung der Arhat (Gefährten Buddhas, 1225) und einen Shintoschrein für die Schutzgottheit des Tempels. Nichts davon hat überlebt bis auf das Skriptorium, das heutige Sekisui-in. Von den alten Gebäuden existieren noch einige Grundmauern als Ruinen am Rand des zum Kaizando führenden Weges. Die meisten Tempelgebäude sind seit der Gründung immer wieder abgebrannt. Im Onin-Krieg wurde der Tempel militärisch besetzt, aber 1547 brannte er aufgrund kriegerischer Ereignisse bis auf eine Halle komplett ab. Es ging an den Wiederaufbau, 1634 bekam man eine abgelegte Halle aus dem Ninna-ji als neue Haupthalle, 1636 wurde der Kaizando wiederaufgebaut, 1648 wurde der Untertempel und der Jumujin-in wieder aufgebaut. 1717 brannten der Schrein, der Kaizan-do, der Zendo-in und der Untertempel Hosho-in ab. 1723 wurde der Zendo-in durch einen neuerlichen Brand vernichtet. Im selben Jahr wurden der Kaizan-do und der Schrein wieder aufgebaut. Der Untertempel Zenzai-in brannte 1742 ab. 1871 verlor der Tempel durch die gezielte Unterdrückung der buddhistischen Institutionen sein Tempelgebiet und andere Besitztümer. 1881 zerstörte ein in einem Privathaus am gegenüberliegenden Ufer der Brücke ausgebrochenes Feuer den Untertempel und das Niomon-Tor. Ein einziges Gebäude des heutigen Bestandes stammt also noch aus der Kamakura-Zeit, aber auch das wurde umgebaut und an eine andere Stelle versetzt.

Goshuin des Kozan-ji, Mittelspalte: Shaka Nyorai, rechte Spalte unten: Datum: So, 27.8.2023 = Reiwa 5 nen hachi-gatsu ni-juu-shichi-nichi. Linke Spalte unten: Kozan-ji. Rechte Spalte unten: Bergname: Toganoo-san.


Rundgang und Beschreibung
Der Tempel liegt tief im Wald und staffelt sich am Berghang. Die hohen Bäume, die riesigen Zedern entlang des Zuweges, die Wurzeln und das Moos verleihen der Anlage eine mystische Stimmung; die umgebende Natur ist üppig und hüllt die Gebäude vollständig ein. Etwa in der Mitte des hinteren Weges (Ura-Sando) befindet sich ein überdachter Rastplatz (Azuma-ya). Der weitere Weg führt an der die Halle Sekisui-in umgebenden Mauer entlang; die weißgetünchte und oben mit Ziegeln abgedeckte Mauer ruht auf einem im Stil von Burgwällen mit gestapelten Steinen verkleideten Sockel, alles feucht und bemoost. Nimmt man hingegen den vorderen Weg (Omote-Sando), kommt man zunächst zu einem großen Findling, in den vertikal die Worte "Toganoo-san Kozan-ji" eingehauen sind. Hinter dem Tickethäuschen (normalerweise ist das Außengelände frei zugänglich, nur in der Herbstlaubsaison wird auch für das Gelände Eintritt erhoben) stehen zwei bemooste Steinlaternen. Dort befand sich früher das Niomon (Daimon), das aber 1881 abbrannte und nicht wieder aufgebaut wurde. Ein weiteres Steinmonument trägt innerhalb einer quadratischen Eintiefung ein Haiku-Gedicht des Arztes und Poeten Mizuhara Shuuoushi  (1892-1981).

Ganz oben am Ende des Hauptweges, etwas links von allen anderen Gebäuden, liegt die dem Besucher verschlossene Haupthalle (Kondo, Kondou). In ihr wird Shaka Nyorai (Buddha Shakyamuni) als Hauptkultbild verehrt; die Figur stammt aus der Muromachi-Zeit. Ursprünglich standen der Figur noch Gakko und Nikko zur Seite, doch die wurden in der beginnenden Meiji-Zeit, als die Tempel massive Unterdrückung erfuhren, verkauft. Nikko befindet sich im Besitz des Nationalmuseums Tokyo, und Gakko gehört jetzt der Fine Arts Collection der Universität Tokyo. Das aus dem Jahr 1634 stammende und davor im Ninna-ji aufgebaute, dann hierhin versetzte Gebäude ist aber eine moderne Rekonstruktion. Im September 2018 wurde das Dach durch den Taifun 21 ("Jebi") des Jahres schwer beschädigt, dabei stürzten auch etliche alte Bäume auf dem Gelände um, die Lücken sieht man noch 5 Jahre später deutlich. Hinter der Haupthalle sehen wir eine viereckige Pagode auf einem Sockel am Waldrand; eine weitere ist in der Nähe. Beide Pagoden, sowohl der Hokyoin-to als auch der Nyohokyo-to, sind wichtige Kulturgüter. Die Schutzgottheit des Tempels wird im schlichten Kasuga-Myou-jinja verehrt. Einige Ruinen eines Steinfundamentes zeigen die Position an, wo sich anfangs die Halle Sekisui-in befunden hatte, bevor sie an die Südostseite des Geländes versetzt wurde. Unter einem kleinen Unterstand befindet sich eine Fußspur Buddhas (Bussoku-seki), ein großer flacher Findling mit zwei eingehauenen Fußumrissen, in deren Mitte noch ein doppelter Kreis eingeritzt ist (Sokugenirinsou). Eine der Sanjuunisou, der 32 unterscheidenden Merkmale eines Buddha, ist die Markierung der Fußflächen mit einem Senpukurin, dem tausendspeichigen Rad. Hier oben auf der obersten Ebene der Tempelanlage ist auch ein quadratisches Gobyou mit Pyramidendach und einem schlichten überdachten Eingangstor zu finden, das ist das Grab von Myoue-Shounin (Myoue-shounin-gobyou, Kaisan-byou). Auf einem hohen Sockel steht eine bronzene Sho-Kannon im Wald, ein modernes Werk aus dem Jahr 1961. Sie hält die Rechte segnend empor, und in der Linken hält sie das mystische Juwel.

Weiter rechts am Hang, am östlichen Ende dieser höchsten Ebene, ist die Gründerhalle (Kaizando) zu finden. Diese dem Besucher verschlossene Halle, in der eine aus Holz gefertigte, Kamakura-zeitliche sitzende Figur von Myoue-Shounin (83 cm hoch, als wichtiges Kulturgut klassifiziert) verehrt wird, stammt im Prinzip aus der späten Edo-Zeit (1716-1736), ist aber materiell ebenfalls eine moderne Rekonstruktion. Der Eingang wird von zwei glockenförmigen Fenstern flankiert.

Wenn man von dieser Ebene wieder heruntergeht zum südöstlichen Bereich der Anlage, passiert man zuerst den modernen, 1969 erbauten Hokodai-Dojo (unzugänglich), das 1969 aus Stahlbeton errichtete, zweistöckige Lagerhaus für buddhistische Schriften und dann das Teehaus Iko-an mit den umgebenden Gärten. Das 1931 zum Gedenken an den 700. Todestag von Myoue Shounin erbaute Teehaus des Tempels ist leider nicht zur Besichtigung zugänglich, man kann es nur zwischen den Bäumen von Ferne sehen. Mauer und Gärten sind mit dicken Moospolstern überzogen. Diese Anlage wurde von mehreren Teemeistern gemeinsam gestaltet; beteiligt war auch Soan Takahashi. Das Ziel war, durch dieses Teezeremoniehaus samt dem von Jihei Ogawa angelegten Garten den Teezeremoniemeister Myoue Shounin zu ehren und die von ihm begründete Tradition fortzuführen. In den Tiefen dieses Bereiches steht auch der Glockenturm (Shoro); die Glocke trägt eine Inschrift von Hidema Katori. Auf der Tempelglocke sind die Namen der Personen eingraviert, die am Bau des Iko-an beteiligt waren.

Auf der anderen Seite des Weges erstreckt sich eine der ältesten, seit der frühen Kamakura-Zeit bestehenden Teeplantagen (Nihon saiko no Cha-en) Japans, freilich rekultiviert und derzeit (Sommer 2023) in eher ungepflegtem Zustand, Folgen des Taifunschadens von 2018. Der Legende nach war es der Rinzai-Gründer Eisai, der aus China Teepflanzen mitbrachte und nach seiner Rückkehr Myoue zum Kultivieren schenkte. Dies hier war jedenfalls die erste Anpflanzung von Teebüschen in Japan, und von hier breitete sich der Anbau aus, u. a. auch nach Uji etc. Jedenfalls war unter Myoue dieser Tempel eine der Keimzellen der japanischen Teekultur. Die hier etablierte Teekultur zog etliche Aristokraten an, die eine enge Bindung zum Tempel aufbauten, und so kam der Tempel an etliche Geschenke, die den Grundstock seiner heutigen Kunstschätze bildeten.

Dann kommt man zum Eingangstor, das durch die umgebende Mauer in den einzig zugänglichen inneren Bereich des Tempels führt. Hier kommt man nach Passieren des Ticketverkaufs im Kyakuden (Empfangsgebäude) über einen auf beiden Seiten offenen, von einem kleinen Garten und einem Teich begleiteten Verbindungskorridor zum Sekisui-in (seki = Felsen, sui = Wasser, Quelle), der besten Halle des Tempels, die durch ihre Eleganz besticht. Sie wird auch Gosho-do genannt. Früher stand die ca. 1206-1218 erbaute Halle im Norden der Tempelanlage, wo noch Fundamentreste zu sehen sind, und erst im Jahre 1889 wurde sie an den gegenwärtigen Platz an der Südseite versetzt. Dieser aus der frühen Kamakura-Zeit stammende Sekisui-in ist als Nationalschatz klassifiziert. Die einstöckige und mit einem Irimoya-Dach gedeckte Halle im Stil Shinden-zukuri ist einstöckig und basiert auf einer 3 (vorne) bzw. 4 (hinten) x 3 Pfostenzwischenraum-Konstruktion. An der Front ist ein 1 ken tiefes Hisashi vorgebaut. Der Eingang befindet sich auf der Giebelseite des Daches. Das Dach ist mit Zypressenholz-Schindeln (Hinoki) gedeckt. Dem Sekisui-in sieht man an, daß das Gebäude mehrere Umbauten und Umnutzungen erfahren hatte. Ursprünglich war das einmal eine Sutra-Halle, aber jetzt ist der Stil mehr Shinden-zukuri. Und vermutlich wurde die Halle nicht für diesen Tempel entworfen, sondern war eine abgelegte Palast-Halle des Kaisers und kam als Geschenk an den Tempel. Der Zustand ist also nur cum grano salis noch mit der Kamakura-Zeit in Verbindung zu bringen.

Im auf der Westseite befindlichen Hisashi-no-ma, einem auf drei Seiten offenen Bereich mit Holzdielenboden, ist eine Statue von Zenzai-Doji aufgestellt, eines in frühen buddhistischen Texten beschriebenen Gläubigen, der auf seinen ausgedehnten Reisen auf der Suche nach Erleuchtung verschiedenen spirituellen Lehrern begegnet und schließlich zum Bodhisattva (Bosatsu) wird. Die Figur steht auf einer Baumscheibe mit erhobenen Händen und hat den Kopf leicht zur Seite gedreht. Der Schritt nach vorne und die wehenden Gewänder lassen die Figur wie in der Bewegung eingefroren erscheinen. Die Dekoration der Holzelemente mit filigranen Schnitzereien ist zurückhaltend, aber qualitätvoll. Ein Teil der Seitenwand des Raumes ist mit einem Diagonalgitter versehen. Durch die offenen Bereiche der Seitenwände geht der Blick in die Baumkronen.

Der andere Bereich der Innenräume des Sekisui-in ist mit Tatamis ausgelegt, teilweise auch mit einem leuchtend roten Teppich. Von der Veranda auf der Südseite aus hat man einen phantastischen Blick in die Baumkronen und den Berg Mukai-yama im Hintergrund (Prinzip der geliehenen Landschaft). Die Verschlußläden der Veranda sind 90° nach oben geklappt und schirmen das helle Licht des Himmels ab. Über der Veranda ist an der Gebäudewand schräg unter dem Dach eine Schrifttafel (Kaiser-Plakette) angebracht, dessen zwei Spalten von rechts nach links zu lesen sind und "Hi-iidete-mazu-terasu-Kouzan-no-tera" lauten; das steht in Zusammenhang mit der Initiierung des Tempelbaus durch Kaiser Go-Toba und ist der von Myoue gewählte Tempelname, der sich auf eine Zeile in einer Sutra bezieht (Buddhavatamsaka-Sutra = Avatamsaka-Sutra): Wenn die Sonne aufgeht, werden die höchsten Gipfel der Berge als erstes angeleuchtet. In der Sutra ist der Wortlaut "Hi idete mazu takaki yama o terasu". Der Tempelname "Hi-iidete-mazu-terasu-Kouzan-no-tera" hieß soviel wie "erster Bergtempel, der von der aufgehenden Sonne zuerst beleuchtet wird". Und man sieht, daß "Kouzan-ji" nur eine Kurzform ist.


Kunstschätze des Tempels
In den Vitrinen des Sekisui-in werden diverse Objekte ausgestellt, darunter eine niedliche Holzschnitzerei eines Hündchens, angeblich von Unkei und Kamakura-zeitlich (wichtiges Kulturgut, ausgestellt wird eine Kopie), weiterhin eine Kamakura-zeitliche, 145 cm × 59 cm messende Hängerolle (Farbe auf Seide) mit einer Darstellung des Gründers Myoue Shounin (Kenpon chakushoku Myoe Shonin-zo, Kenpon chakushoku Myoue Shounin-zou). Dieses aus dem 13. Jh. stammende Kunstwerk befindet sich im Original im Nationalmuseum Kyoto, hier hängt nur eine Kopie. Das Original ist als Nationalschatz eingestuft. Ebenfalls nur als Kopie hängt hier die aus der frühen Kamakura-Zeit stammende Hängebildrolle Butsugen Butsumo (Kenpon chakushoku butsugen butsumo-zo, Kenpon chakushoku butsugen butsumo-zou). Das vom Ende des 12. Jh. stammende Kunstwerk ist farbig bemalte Seite und mißt 193 cm × 129 cm. Auch hier befindet sich das als Nationalschatz eingestufte Original, das Myoue persönlich gehörte und seine eigene Handschrift trägt, im Nationalmuseum Kyoto.

Am berühmtesten ist dieser Tempel für "Japans ältestes Manga". Das ist eine als Nationalschatz eingestufte Papierrolle mit lustigen Tusche-Zeichnungen von herumtollenden Tieren (Hasen, Frösche, Affen etc.) und Menschen, Shihon bokuga choju-jinbutsu-giga (Shihon bokuga choujuu-jinbutsu-giga) genannt, oder kurz Choju-giga. Insgesamt handelt es sich um vier Rollen (Emakimono), die um die 30 cm hoch und ca. 1,10 m breit sind und von rechts nach links gelesen werden. Die beiden älteren stammen aus dem 12. Jh. (Heian-Zeit), die beiden jüngeren stammen aus dem 13. Jh. (Kamakura-Zeit). Keine der Rollen enthält Text; die Zeichnungen sind monochrom. Die berühmteste ist die erste Rolle mit den lustigen Tierdarstellungen in vermenschlichten Handlungen. Eine oft zu lesende Zuschreibung an Toba Soujou ist unbelegt. Natürlich bekommt man hier in der Tempelhalle keine Originale in den Schaukästen zu sehen, sondern Kopien. Die im Eigentum des Tempels befindlichen Schätze werden im Nationalmuseum Kyoto (die älteren beiden Rollen) und im Nationalmuseum Tokyo (die beiden Rollen aus der Kamakura-Zeit) aufbewahrt.

Weiterhin gehört zu den im Eigentum des Tempels befindlichen Nationalschätzen eine aus dem 13. Jh. stammende handschriftliche Geschichte der Kegon-Schule des Buddhismus (Shihon chakushoku Kegonshu soshi eden rokkan, Shihon chakushoku Kegonshuu soshi eden rokkan), kurz Kegon engi genannt. Das Werk enthält eine illustrierte Geschichte der Gründer der Kegon-Schule, Uisang und Wonhyo im damaligen Königreich Silla. Das Kamakura-zeitliche Werk besteht aus insgesamt sechs Schriftrollen (emakimono) aus Papier, jede davon ist 31,5 cm breit. Die Länge beträgt 15,83 m (Rolle 1), 12,19 m (Rolle 2), 1,545 m (Rolle 3), 14,20 m (Rolle 4), 15,31 m (Rolle 5) und 8,65 m (Rolle 6). Diese zum Zeitpunkt der Erhebung zum Nationalschatz 6 Rollen wurden anläßlich einer Reparatur und neuen Erkenntnissen zu nun 7 Rollen umgruppiert. I

Weitere Nationalschätze sind eine Tang-zeitliche Kopie eines chinesischen Zeichen-Lexikons (Yupian) aus der Liang-Dynastie, die einzige noch existierende Kopie dieses Werkes und daher von unschätzbarem wissenschaftlichem Wert, eine 1114 entstandene Kopie eines weiteren Zeichen-Lexikons, das angeblich von Kuukai kompiliert wurde, auch dieses die einzige noch existierende Kopie, und eine Tang-zeitliche Sammlung buddhistischer Geschichten (Ming Bao Ji), auch dieses die letzte verbliebene Abschrift. Insgesamt besitzt der Tempel damit acht Nationalschätze und dazu noch unzählige wichtige Kulturgüter, die meisten davon Schriftstücke, aber auch einige Skulpturen.

Ein weiteres wichtiges Kulturgut des Tempels ist ein Paar hölzerner Hirschfiguren aus der Kamakura-Zeit. Sie sind einzigartig, weil sie nach Art der Komainu als Paar gestaltet sind, männlich und weiblich. Hirsche gelten als die Botentiere von Kasuga-Myojin, und vermutlich standen diese Figuren früher beiderseits des Zuweges zu dessen Schrein. Der Tempel besitzt noch 4 Paar hölzerner Komainu, alle sind als wichtige Kulturgüter eingestuft. Andere wichtige Kulturgüter in Tempeleigentum sind eine hölzerne Statue von Byakkoshin (weißer Licht-Gott) aus der Kamakura-Zeit und eine hölzerne Standfigur von Zenmyoshin (31 cm hoch) ebenfalls aus der frühen Kamakura-Zeit. Bei beiden letztgenannten Figuren wird Tankei als Künstler diskutiert. Zu den wichtigen Kulturgütern gehört auch noch eine lackierte hölzerne Sitzfigur von Bhaisajyaguru (Medizin-Buddha), ein sitzender Yakushi Nyorai (73 cm) aus der späten Nara-Zeit.


Sekisui-in


Wald-Atmosphäre und Teehaus

 


Gründerhalle, Kaizando


Sehenswürdigkeiten im oberen Bereich

 


Haupthalle (Kondo)


Literatur, Links und Quellen:
Position in Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.0603816,135.6785765,20.21z?entry=ttu - https://www.google.de/maps/@35.0603816,135.6785765,106m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
eigene Webseite des Tempels:
https://kosanji.com/ - "ältestes Manga":  https://kosanji.com/chojujinbutsugiga/ - Myoue: https://kosanji.com/myoeshonin/ - Teegarten: https://kosanji.com/chaen/
Kozan-ji auf JPManual:
https://jpmanual.com/en/kosanji
Kozan-ji auf Inside Kyoto:
https://www.insidekyoto.com/kozan-ji-temple
Kozan-ji auf Japan Guide:
https://www.japan-guide.com/e/e3940.html
Kozan-ji auf Discover Kyoto:
https://www.discoverkyoto.com/places-go/kozan-ji/
Kozan-ji auf Kyo-Takao:
https://www.kyo-takao.com/en/spot/#kouzanji
Kozan-ji auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report470.html
Kozan-ji auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dzan-ji
Übersichtsplan:
https://www.kyo-takao.com/pdf/sanbimap_en.pdf
Nationalschätze Japans:
https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(temples) - https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_National_Treasures_of_Japan_(paintings)
Das berühmte erste Manga:
https://en.wikipedia.org/wiki/Ch%C5%8Dj%C5%AB-jinbutsu-giga
Gründer des Tempels, Myoe:
https://en.wikipedia.org/wiki/My%C5%8De
Kozan-ji auf Japanese Wiki:
https://www.japanesewiki.com/shrines/Kozan-ji%20Temple.html
Kozan-ji bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kyoto/mountains/kozanji/
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 294-297
John Dougill: Japan's World Heritage Sites - Unique Culture, Unique Nature, 192 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc., 2014, ISBN-10: 4805312858, ISBN-13: 978-4805312858, S. 88-89
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto - City of Zen, 144 S., Verlag Tuttle Shokai Inc. 2012, ISBN-10: 4805309784, ISBN-13: 978-4805309780, S. 116-117
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 212-215


Stadtteil Takao: Saimyo-ji - Jingo-ji, Teil (1) - Jingo-ji, Teil (2)

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