Bernhard Peter
Kamakura (Präf. Kanagawa), Kosoku-ji: Beschreibung und Photos


Lage und Erreichbarkeit, Touristisches
Der Tempel Kosoku-ji (Kousoku-ji) im Stadtteil Hase gehört zu einer Gruppe von Tempeln im Südwesten von Kamakura, wo das dichtbesiedelte Stadtgebiet in die lockere Siedlungsstruktur der umliegenden Hügel übergeht (Adresse: 3 Chome-9-7 Hase, Kamakura, Kanagawa 248-0016, Japan), und dort liegt er am Ende eines kleinen Tals (Vorsicht - der Tempel darf nicht verwechselt werden mit dem gleichnamigen Kosoku-ji 3 km östlich des JR-Bahnhofs Kamakura im Stadtteil Juniso, das ist ein ganz anderer Tempel und gehört auch zu einer anderen Glaubensrichtung - er wird auch mit anderen Kanji geschrieben). 

Die Erreichbarkeit ist gut, weil es in unmittelbarer Nachbarschaft die Haltestelle Hase der Enoshima Electric Railway gibt. An dem JR-Bahnhof Kamakura kann man zusteigen und mit der Enoden-Line bis Hase (EN15) fahren, das ist nach Wadazuka und Yuigahama der dritte Zwischenstopp. Die Strecke dauert rund 11-12 min. und kostet 200 Yen. Vom Bahnhof aus geht man 215 m nach Norden, quert dabei die erste größere Straße mit Ampel-Kreuzung, dann geht es kurz darauf nach links. Die Abzweigung ist an der zweiten Ampel, rechterhand liegt das Shirasu Cafe Kamakura Jinbei, und wo sich die nach Norden weiterführende Straße wieder verengt, biegt man links ab, nach weiteren 250 m steht man vor dem Tempeltor. Alternativ steigt man auf dem Bahnhofsvorplatz von JR Kamakura in einen Bus z. B. der Linie 4 oder K11, Ziel Kamakurayama, Ausstieg Hase Kannon, das braucht nur 7-8 min., und man braucht nur 25 m nach Norden und 250 m nach Westen zu laufen, bis man vor dem Tempeleingang steht. Auch die Linien F11 und die Linie 2 nach Kajiwara kann man nehmen, also alles, was nach Südwesten fährt. In der Regel wird der Kosoku-ji Teil eines größeren Besichtigungsprogrammes sein, denn er liegt genau zwischen dem Hase-dera und dem Koutoku-in mit dem großen Buddha. 

Die Tempelgebäude sind malerisch in das kleine Tal gruppiert und von sehr schönen Gärten umgeben. Der Tempel ist völlig einsam und ruhig, kein Standard-Tourist verirrt sich hierher: Gefühlt 99.99 % aller Kamakura-Besucher gehen zum Koutoku-in, 70 % gehen in den Hase-dera, und 0,00001 % gehen in den Kosoku-ji. Wer also andere Touristen nicht mehr sehen kann, findet hier in den Gärten eine Oase der Ruhe. Entsprechend ist der Tempel aber auch nicht auf Besucher eingestellt, und alles scheint irgendwie fast verlassen. Der Empfang ist nicht besetzt, es wird darum gebeten, den Eintritt in Höhe von 100 Yen in eine in der Mitte des Durchgangs aufgestellte Spendenbox zu werfen. Selbst zur Kirschblütenzeit (hier blühen Somei Yoshino, Yama-zakura und Shidare-zakura) ist der Garten ein Ort, um den Massen zu entfliehen (wegen der Lage des Tals am besten Morgensonne nutzen). Aber auch zu anderen Jahreszeiten besticht der Garten durch Blumenpracht: über 200 Sorten Hortensien (yama-ajisai), Edgeworthia papyrifera (Japanischer Papierbusch), Prunus mume (Japanische Pflaume), Malus halliana (Halls Apfel), Paeonia suffruticosa (Strauch-Pfingstrose), Iris laevigata (Asiatische Sumpf-Schwertlilie), Wisterien, knallrote Lycoris radiata (Rosarote Spinnenlilie) u. v. a. m. gedeihen hier und sorgen für Blüten von Februar bis Juni.


Geschichte und Bedeutung
Der Tempel gehört der Richtung des Nichiren-Buddhismus an und ist ein Zweigtempel des Myouhon-ji. Ein alternativer Name des Tempels, der Berg-Name, lautet Gyoji-zan (Gyouji-zan). Mit vollständigem Namen heißt der Tempel damit Gyoji-zan Kosoku-ji (Gyouji-zan Kousoku-ji).

Der Kosoku-ji (Kousoku-ji) hat in seiner Geschichte einen direkten Bezug zum Gründer des Nichiren-Buddhismus. Bevor dieser Tempel errichtet wurde, befand sich hier die Residenz von Yadoya Nyuudou (Nyuudou = Laienpriester, eigentlich hieß er Yadoya Saemon Mitsunori und war ein Vasall von Houjou Tokiyori (1227-1263), dem 5. Regenten und damals mächtigsten Mann des Landes, und von Houjou Tokimune). Der buddhistischen Reformator Nichiren (1222-1282) hatte 1260 ein Traktat namens "Risshou Ankoku Ron" verfaßt, in dem er die Ansicht vertrat, die einzig wahre buddhistische Lehre sei in der Lotus-Sutra (Hokke-kyo) enthalten, und daß alle anderen buddhistischen Richtungen inclusive des Zen-Buddhismus, kritikwürdig seien. Nichiren suchte nach einem Weg, dieses Traktat dem Regenten zukommen zu lassen, und wandte sich an Mitsunori, der den Überbringer machte. Prinzipiell war das eine ganz schlechte und dumme Idee von Nichiren, denn der Regent Houjou Tokiyori war ein begeisterter Anhänger des Zen-Buddhismus und hatte keinen Aufwand gescheut, gute Zen-Mönche ins Reich zu holen und Zen-Tempel zu gründen, z. B. 7 Jahre zuvor den Kenchou-ji. 

Entsprechend schlecht kam das Traktat beim Regenten an. Er war nicht nur diametral anderer Meinung, sondern war persönlich getroffen und beleidigt. Nichiren wurde 1261 in die Verbannung auf die Halbinsel Izu geschickt. Doch 1263 kehrte er zurück und stänkerte weiter gegen die anderen buddhistischen Schulen. Da Nichiren keine Ruhe gab und weiter aus Sicht des Regenten Unruhe stiftete und Irrlehren verbreitete und dann auch noch den Mongoleneinfall für sich instrumentalisierte, ging letzterer jetzt massiv gegen den Sektengründer vor. Und er erinnerte sich daran, wer ihm damals das Traktat überbracht hatte, und eben jener Yadoya Saemon Mitsunori, und der mußte während der Verfolgung der neuen Lehre Nichiren (1222-1282), seine Anhänger und Schüler hier in einem Erdloch weiter in den Hügeln drin einkerkern, nachdem sie im Ankoku-ji gefangen genommen worden waren. Nichiren-Shounin sollte nach seiner Verurteilung zum Tode auf der Hinrichtungsstätte Tatsu-no-Kuchi nahe beim Ryuko-ji enthauptet werden, zusammen mit seinen Schülern Nichirou und Nisshin und seinem Anhänger Shijou Kingo und dessen drei Söhnen. Nach dem früheren Besitzer der Residenz wird dieses Viertel auch Yadoya-machi genannt. 

Durch wundersame Fügung wurde das Todesurteil in letzter Minute abgewandt. Nichiren selbst wurde auf Befehl des Regenten 1271 in die Verbannung geschickt, auf die Insel Sado vor der Küste der Präfektur Niigata; eine Insel war sicherer als eine Halbinsel. Die anderen, die mit ihm hatten hingerichtet werden sollen, blieben noch eine Zeitlang eingekerkert. Yadoya Nyuudou, der vorher der Richtung Shingon-ritsu anhing und dem Priester Ryoukan des von Houjou Shigetoki gegründeten Tempels Gokuraku-ji verbunden war, und der dienstlich pflichtgemäß die Begeisterung des Regenten für Zen unterstützte, wurde 1271 selbst ein Anhänger der Nichiren-Lehren. Während der Rolle als Wächter seiner sechs Gefangenen war Mitsunori zunehmend beeindruckt von Nichirou und dessen Loyalität zum exilierten Nichiren. Der persönlich beleidigte Houjou Tokiyori war da längst verstorben. Yadoya Nyuudou erlaubte den Bau eines kleinen Tempels auf seinem Gelände, wo Nichirou (1243-1320), der direkte Schüler von Nichiren-shounin und einer der sechs wichtigsten Schüler des Reformators, der Gründungspriester sein sollte. 1274 gilt als Gründungsjahr des Kosoku-ji. Nichirou war auch der Gründungspriester des Myohon-ji in Kamakura. Aus der Residenz bzw. Villa (Yashiki) wurde eine Tempelanlage.

Die Namen des Tempels haben Bezug zu dieser Gründungsgeschichte: Der richtige Name (Ji-gou) des Tempels, also Kousoku(-ji), ist die On-yomi-Lesung (sino-japanische Lesung, Klang-Lesung) des Namens Mitsunori (Kun-yomi, rein japanische Lesung, Begriff-Lesung), und der Bergname (San-gou) des Tempels, also Gyouji(-zan), ist die On-yomi-Lesung des Namens Yukitoki, und Yadoya Yukitoki war der Vater von Yadoya Saemon Mitsunori.


Rundgang und Beschreibung:
Am Ende der in das Seitental führenden Sackgasse stößt man auf das Tempeltor (San-mon), ein mit Kupfer gedecktes Satteldach-Tor, das in eine kleine Mauer eingepaßt ist und nach einer Treppe von 8 Stufen erreicht wird. Rechts des Tempeltores steht eine Gedenkstele, die auf die ehemalige Residenz hinweist (Yadoya-Mitsunori-yashiki-ato-hi). Hinter dem Tor liegt rechterhand im Rücken das Tempelbüro (Jimusho). Im Noren des Hauptweges liegen die Wohngebäude der Mönche. Durch einen malerischen Garten mit ein paar Gedicht-Monumenten geht es hinter dem Tor geradeaus zur Haupthalle. Der von einem Gerüst gestützte, 7 m hohe Baum rechts vor der Haupthalle ist von der Stadt als Naturdenkmal ausgewiesen, ein über 200 Jahre alter Zierapfel (Malus halliana).

In der 1650 erbauten Haupthalle (Hondo, Hondou) gibt es insgesamt 10 hölzerne Statuen, darunter die der Protagonisten dieser Gründungsgeschichte, von Nichiren Shounin (1661 hergestellt, in der Mitte), von Nichirou (1673), von Mitsunori sowie von Shijou Kingo und seinen drei Söhnen (alle 1673). Dazu gibt es noch eine 1844 angefertigte Statue der Nonne Obai-in. Als hauptsächliche Objekte der Verehrung dienen die Nichiren-Statue und eine hölzerne Odaimoku-Tafel, auf der die Worte der Formel Namu-myou-hou-renge-kyo (das zentrale Mantra und die grundlegende Praxis im Nichiren-Buddhismus) von Nichiren selbst geschrieben worden sind. Die Haupthalle ist meistens geschlossen, mit Glück ist ein Fensterchen geöffnet zum Hineinschauen, und mit viel Glück kann man nach einem Gottesdienst hinein in die Halle. Die Kalligraphie-Tafel über dem Eingang der Haupthalle trägt den Wortlaut "shikou dai-ichi", von rechts nach links geschrieben mit dem langen Strich für die "1" am linken Ende, das bedeutet soviel wie "der Lehrmeister zuerst", also daß ein Schüler stets loyal zu seinem Lehrer sein soll.

Südlich der Haupthalle kommt man zum Tempelteich (Kousoku-ji-no-ike) mit einer Insel, zu der eine Brücke aus zwei gegeneinander versetzten langen Steinplatten führt. Auf der Insel steht eine vielstöckige Steinpagode. In den Hügeln nordwestlich des Tempels liegt hinter dem Friedhof die in den Hang gegrabene Höhle (Nichirou-shounin-no-tsuchirou, tsuchi-rou = Boden/Erd-Gefängnis, Kerker, andere Lesung Do-rou), wo die Gefangenen seinerzeit auf ihre Hinrichtung warteten, der sie nur so knapp entronnen sind. In der über einen Weg mit ca. 90 Stufen erreichbaren Höhle befindet sich eine Statue des Tempelgründers zwischen zwei Gorintou. Die Höhle ist mit einer Bretterwand verschlossen, und der Hang ist nicht sicher. Auf dem Friedhof gibt es ganz rechts außen am Hang ein Grab für den Residenzbesitzer (Yadoya-Mitsunori-no-haka). Auf dem Friedhof gibt es ferner eine Gedenkstätte für den Schauspieler Mitsui Kouji (6.3.1910-20.4.1979).


Photos: Sanmon, Kuri, Hondo, Garten


Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.com/maps/@35.3132988,139.532511,20z?entry=ttu - https://www.google.com/maps/@35.3132988,139.532511,94m/data=!3m1!1e3?entry=ttu
Kosoko-ji auf Kamakura Today:
https://kamakuratoday.com/e/spot_kosokuji.html
Formel Namu-myou-hou-renge-kyo
https://de.wikipedia.org/wiki/Namu_My%C5%8Dh%C5%8D_Renge_Ky%C5%8D
Kamakura Guide:
https://kamakuraguide.com/en/hase-yuigahama/kosokuji-kamakura/kosokuji-cherry-blossoms/ - https://kamakuraguide.com/en/hase-yuigahama/kosokuji-kamakura/kosokuji-ajisai-anaba/
Kosoku-ji:
https://jref.com/articles/kosokuji-temple.488/
Mutsu, Iso, Kamakura: Fact and Legend, Tuttle publishing 2012
Kosoku-ji:
https://visit.trip-kamakura.com/things-to-do/kosokuji-temple/
Auf Japan Experience:
https://www.japan-experience.com/all-about-japan/kamakura/temples-shrines/kosokuji
Kosoku-ji:
https://web.archive.org/web/20120301030917/http://www.asahi-net.or.jp/~qm9t-kndu/kosoku2.htm
Yadoya Saemon Mitsunori:
https://www.nichirenlibrary.org/en/dic/Content/Y/1
Ryoukan:
https://www.nichirenlibrary.org/en/dic/Content/R/67


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