Bernhard Peter
Kyoto, Yogen-in


Der Yogen-in ist ein kleiner Tempel im Stadtbezirk Higashiyama. Er liegt östlich des Sanjusangendo und westlich der Straße Higashi Oji Dori (Adresse: 656 Sanjusangendo Mawaricho, Kyoto 605-0941). Der Tempel hat seine beiden Tore auf der Westseite des Bereiches, liegt aber ziemlich weit zurück im Grünen. Im Norden grenzt der Tempelgarten an das Hotel Hyatt Regency Kyoto, im Süden an den Hoju-ji (Houjuu-ji). Den Yogen-in erreicht man am besten ab Hauptbahnhof Kyoto (Kyoto eki) mit den Buslinien Raku 100, City-Bus 206 und 208, Haltestelle Hakubutsukan Sanjusangendo-mae. Oder man kommt mit der Keihan Line und steigt an der Station Shichijo aus und läuft nach Osten. Der Eingang liegt gegenüber der Ostseite des Sanjusangendo. Wegen der kurzen Entfernung kann man den Besuch gut mit dem des Sanjusangendo verbinden. Den Besucher erwartet direkt neben einer Hauptsehenswürdigkeit der Stadt eine ruhige Oase. Am Ende eines langen, leicht ansteigenden Weges kommt man zu den Gebäuden. Die bis auf Stromleitungen und Vitrinenglas unverändert belassene historische Atmosphäre im Innern ist spürbar, greifbar und authentisch. Die Fusuma im Inneren sind mit Kiefern, chinesischen Löwen, Kirin und weißen Elephanten bemalt. Der Künstler war Tawaraya Sotatsu (malte Anfang des 17. Jh.). Photographieren ist im Inneren nicht gestattet. Die weißen Elephanten begegnen dem Betrachter in plastisch geschnitzter Form wieder als Konsolen unter den Klammerkonstruktionen. Hinter dem Hondo liegt im Osten ein schöner Garten mit Teich. Auf dem Gelände befinden sich zudem mehrere Schreine.

Der Tempel wurde1594  von Yodo-dono (oder auch Yodo-gimi geschrieben, alternativ Cha-cha genannt, lebte 1567-4.6.1615) gegründet, der Nebenfrau und dann zweiten Ehefrau von Toyotomi Hideyoshi und Mutter des Erben Toyotomi Hideyori. Sie war die Tochter von Azai Nagamasa (1545-28.8.1573), einem in der Provinz Omi östlich des Biwa-Sees herrschenden Daimyo der Sengoku-Zeit. Azai Nagamasa war ein Gegner von Oda Nobunaga und wurde 1573 von diesem nach der Belagerung der Burg Odani (heute: Stadt Kohoku) vernichtet. Die Mutter von Yodo-dono hingegen war Oichi, die jüngere Schwester von Oda Nobunaga; die Gegner bei der Belagerung der Burg Odani waren also verschwägert. Die jüngste Schwester von Yodo-dono wiederum schlägt die Brücke zum überübernächsten Machthaber, denn sie, Oeyo mit Namen, hatte Tokugawa Hidetada (als zweite Ehefrau) geheiratet, den dritten Sohn von Tokugawa Ieyasu und zweiten Shogun der Edo-Zeit. Und der Kreis schließt sich mit einer Ehe unter Cousinen, denn der Sohn von Yodo-dono, Toyotomi Hideyori, heiratete Senhime, die Tochter von Oeyo. Nach dem Tod ihres Ehemannes wurde Yodo-dono buddhistische Nonne unter dem Namen Daikoin (Daikouin). Sie starb bei der Belagerung und Einnahme der Burg Osaka durch Tokugawa Ieyasu zusammen mit ihrem Sohn.

Yodo-dono hatte also diesen Tempel Ende des 16. Jh. gegründet, um hier die Erinnerung an ihren Vater Azai Nagamasa pflegen zu lassen, dessen buddhistischer postumer Name Yogenin war. Sie gründete den Tempel zusammen mit Hoin Suhaku, einem Vetter von Azai Nagamasa. Der Tempel brannte 1619 ab und wurde durch Oeyo (buddhistischer Name = Sugenin) 1621 wiederaufgebaut, wobei auch Teile der Burg Fushimi verwendet wurden. Danach entwickelte sich der Yogen-in zu einem Familientempel der Tokugawa-Shogune, deren Erinnerungstafeln hier zu sehen sind.

Der Yogen-in gehört zu den Chitenjo-Tempeln (Chi-tenjo = Blut-Decke). Neben dem Yogen-in sind das im Raum Kyoto der Shoden-ji, der Genko-an (beide im Norden der Stadt in der Nähe des Funayama), der Hosen-in (Dorf Ohara) und der Kosho-ji in Uji. Auch der Myoshin-ji in Zentral-Kyoto und der Jinou-ji in Yawata gehören dazu. Hier im Yogen-in sind die vom Blut der in kriegerischen Auseinandersetzungen gefallenen Samurai befleckten Planken aus der abgebrochenen Burg Fushimi in der Decke des Umgangs der Haupthalle verbaut. Der Hintergrund: Das Jahr 1600 kennzeichnet den Höhepunkt der Auseinandersetzungen zwischen Tokugawa Ieyasu, dem zukünftigen Begründer des Tokugawa-Shogunats, und seinem Gegenspieler Ishida Mitsunari. Ishida Mitsunari saß auf der Burg von Osaka und hätte gerne Kyoto unter seine Kontrolle gebracht. Einziges Hindernis war die Burg Fushimi, die von Torii Mototada befehligt wurde, der auf der Seite von Tokugawa Ieyasu stand. Er stand dort aber ziemlich alleine mit 1800 Mann, weil Tokugawa Ieyasu mit seinen Truppen ziemlich weit im Nordosten stand, um dort einen Aufstand niederzuschlagen. Es war ein verlorener Posten, aber Torii Mototada verteidigte ihn, wie zuvor seinem Gegner versprochen, verbissen bis zum letzten Mann, nachdem er zuletzt noch die Truppenstärke verringert hatte, um bei vorauszusehendem Ausgang den Preis an Menschenleben niedrig zu halten. Sein Ziel war es, Ishida Mitsunari und seine 40000 Mann der Belagerungsarmee wenigstens so lange aufzuhalten, bis der zukünftige Shogun seine Hauptstreitmacht nach Kansai geführt hat. 12 Tage lang konnte Torii Mototada die Burg Fushimi halten. Dann gelang es den Angreifern, Teile der Burg in Brand zu setzen. Danach fanden der Verteidiger, seine Familie und 370 Samurai den Tod durch Seppuku. Ishida Mitsunari wurde kurz darauf bei Sekigahara geschlagen. Das Opfer des treuen Burgbefehlshabers wurde vom seinem Befehlshaber und Sieger nicht vergessen: Die betroffenen und nicht verbrannten Holzplanken, auf denen die Samurai getötet worden waren oder sich selbst entleibt hatten, blutgetränkt wie sie waren, wurden sorgfältig gesichert und später auf ausgesuchte Tempel als Baumaterial verteilt, um die Seelen der Verstorbenen zu beruhigen und die Erinnerung an ihre Aufopferung und ihre treuen Dienste lebendig zu halten. Wegen des geheiligten Charakters wurden sie nicht für Fußböden, sondern nur für Decken verwendet.



Literatur, Links und Quellen
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@34.9879021,135.7735811,19.53z - https://www.google.de/maps/@34.9879021,135.7735811,152m/data=!3m1!1e3
eigene Webseite: http://kanko.city.kyoto.lg.jp/detail.php?InforKindCode=1&ManageCode=1000229
Chitenjo-Decke: https://taiken.co/single/history-preserved-in-blood-a-look-at-kyotos-chitenjo-temples
Chitenjo-Decken:
http://www.samuelhawley.com/imjinarticle4.html
Chitenjo-Decken:
https://www.japanvisitor.com/kyoto/bloody-ceilings
Chitenjo-Decken:
https://www.japantimes.co.jp/community/2001/06/26/events/kyoto-ceilings-bear-footprints-of-1600-samurai-mass-suicide/
Yodo-dono:
https://en.wikipedia.org/wiki/Yodo-dono
Yogen-in:
http://happy-travelling.com/shop/yogen-in-temple/
Yogen-in:
http://www.cyclekyoto.com/creepy-kyoto
Yogen-in:
http://www.japan365days.com/kyoto_yogenin_temple.php
Yogen-in:
http://thekyotoproject.org/francais/yogen-in/
auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report284.html
Ian Littlewood, Ayumi Oe Littlewood: Kyoto Without Crowds, A Guide to the City's Most Peaceful Temples and Gardens, 264 S., CreateSpace Independent Publishing Platform, 1. Auflage 2018, ISBN-10: 1978158998, ISBN-13: 978-1978158993, S. 118


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