Bernhard Peter
Die Tempelberge von Yashodharapura

Die erste Serie von Tempeln ist die der Bergtempel, die unter Yasovarman (889-900) bis Suryavarman I (1002-1050) und Udayadityavarman II (1050-1066) erbaut wurden. Dazu gehören der Phnom Bakheng, der Prasat Krawan aus der frühen Zeit, der östliche Mebon und der Pre Rup aus der Zeit von Rajendravarman II (944-968), sowie der Phimeanakas und der Ta Keo aus der späten Zeit und schließlich als letzte Blüte der Baphuon.

Yasovarman I war der erste Herrscher, der in Angkor baute. Er verließ das Gebiet von Roluos, wo die älteste Tempelgruppe steht, und verlegte seine Hauptstadt Ende des 9. Jh. in das Gebiet von Angkor. Seine erste Gründung war auf dem Phnom Bakheng.

Phnom Bakheng: Eine quadratische Stadtmauer von 4 km Seitenlänge umschloß die neue Hauptstadt Yasovarmans I, Yashodharapura. In der Mitte wurde die natürliche Erhebung geschickt in einen Tempel verbaut, der wie alle anderen auch den Weltenberg Meru symbolisierte. Die Stufen des Tempels wurden in das anstehende Gestein gehauen und mit Sandstein verkleidet. Ca. 1 km Luftlinie von Angkor Wat entfernt liegt er, von der Straße her ist er nicht einsehbar. Man kann sich mit Elefanten hinauftragen lassen auf die kleine Anhöhe (67m) oder selbst den schweißtreibenden Pfad hinaufklettern. Oben gelangt man auf ein Plateau, das durch mehrer Mauern eingefaßt war (650x436m bzw. 190x120m), der von einem großartigen Tempel bekrönt wird. Die Aussicht ist überwältigend: Nach Süden blickt man auf Siem Reap mit seinen Reisfeldern, nach Osten erkennt man die fünf Prasats von Angkor Wat. In weiter Ferne glänzt der Tonle Sap, kurz davor ist der Berg Phnom Krom, ebenfalls mit einem Tempel aus gleicher Zeit bekrönt. Im Westen liegt das riesige Reservoir des westlichen Barays, 2 km breit, 8 km lang, noch gut zu zwei Dritteln von einer Wasserfläche bedeckt. Viele kommen besonders abends hierher, um den einmalig schönen Untergang der Sonne mit Reflexion im westlichen Baray zu erleben.

Der Tempel des Phnom Bakheng ist ein Bergtempel auf fünf Sandstein-Terrassen, die mit löwenflankierten Treppen zwischen hohen Pfeilern verbunden sind. Oben standen einst fünf Prasats in Quinkunxstellung (1 zentral, vier in den Ecken der Terrasse), von denen nur der mittlere gut erhalten ist. Der eigentliche Reiz liegt aber in den vielen kleinen Miniatur-Prasats. Auf jeder Seite befinden sich zwei Reihen dieser Mini-Prasats, die die Treppenaufgänge begleiten, dazu trägt jede Kante des Baus eine solche Reihe, bei fünf Ebenen macht das 5 Ebenen x (4 Kanten + 2 x 4 in der Mitte) oder 12 pro Ebene = 60 Mini-Prasats, alle aus Sandstein erbaut. Um den eigentlichen Tempelberg standen viele weitere Türme, diesmal aus Ziegel erbaut. Rechts und links jedes Treppenaufganges zwei, an den Ecken einer, dazwischen jeweils drei, das sind nochmal 44 Türme, mit den fünf Prasats auf der obersten Plattform haben wir insgesamt 108 Prasats! Alle haben nur eine Tür, die sich nach Osten öffnet, bis auf die fünf der obersten Ebene. Die Stufen selbst sind – bis auf die monumentalen Löwen – schmucklos, dafür findet sich feinster Dekor in den Architraven und Gewänden aus Sandstein, an den Pilastern und Nischen der zentralen fünf Prasats der obersten Ebene. In die Anzahl kann man viel hineininterpretieren, rechnet man den zentralen Prasat als Mittelpunkt und Summe aller anderen Prasats ab, sind es 108 Prasats, die um ihn herum gruppiert sind, das könnte einer Symbolik von 4x27 entsprechen, 4 Mondphasen und 27 Tage des Sternenmonats. Außerdem besitzt Shiva, dem der Tempel geweiht war, 108 Hauptnamen. Die Anzahl der Perlen im indischen Rosenkranz (Mala) beträgt ebenfalls 108. Zufall oder Spekulation? Man kann die Spekulation noch weiter treiben und die 12 Prasats jeder Ebene und die 60 kleinen Prasats mit dem Jupiterzyklus verbinden – ohne Beweis.

Baksei Chamkrong: Zwischen dem Phnom Bakheng und dem Südeingang von Angkor Thom liegt dieser eher unspektakulärer Tempel aus Laterit, insgesamt 24 m hoch, dessen architektonische Besonderheit die Beschränkung auf einen einzigen Tempel aus Ziegel mit dreistöckigem Überbau auf der Gipfelplattform darstellt. Die Konstruktion aus übersichtlichen Terrassen mit axialen Treppen sowie die Materialmischung aus Laterit für die vier Stufen der Pyramide, Ziegel für den Tempelturm und Sandstein für die Gewände der Türen und Architrave ist typisch für diese Phase.

Prasat Kravan: Dieses Heiligtum besteht nur aus einer flachen Terrasse, auf der in Reihe nebeneinander fünf Prasats stehen, alle aus Ziegeln erbaut. Es handelt sich um eines der frühesten Bauwerke nach der Verlegung der Hauptstadt in das Gelände von Angkor, es stammt aus dem 9.-frühen 10. Jh. Der mittlere Turm beinhaltete einst eine Kombination Linga/Yoni. Der Linga ist das Symbol Shivas, die Yoni das weibliche Gegenstück. Nur dieses ist erhalten. Sehr schön sind die Ziegelreliefs im Innern der Türme.

Östlicher Mebon: Mitten im östlichen Baray steht ein schöner Ziegeltempel aus dem 10. Jh, ein Bauwerk von König Rajendravarman II (944-968). Der östliche Baray (Yashodharatataka) war einst ebenfalls ein riesiges Wasserrückhaltebecken. Diese Wasserrückhaltebecken (Barays) sind die Quelle des Wohlstandes des alten Khmer-Reiches und das Geheimnis des Entstehens dieser Hochkultur. Durch das ausgeklügelte Bewässerungssystem gelang es, eine landwirtschaftliche Überproduktion zu erreichen, die den Grundstein für den gesellschaftlichen Wohlstand und für die Finanzierung sowohl der kriegerischen Reichserweiterung als auch der kostspieligen Tempelbauten legte. Für die Gründung seiner neuen Hauptstadt Yashodharapura mußte König Yasovarman zuerst die Wasserversorgung für die Bewässerung der Reisfelder auch zur Trockenzetit sicherstellen, das Ergebnis ist der östliche Baray, rechteckig 7 km lang, 1800 m breit, gespeist vom Siem-Reap-Fluß. Heute führt er kein Wasser mehr. Zum Teil sind dort Reisfelder in den sumpfigen Stellen angelegt, zum Teil ist das Gebiet bewaldet, wobei aber viele Bäume abgeholzt worden sind, deren Stümpfe schnell von Termiten als ideale Grundlage für ihre Bauten entdeckt wurden, so daß das Gelände ein bißchen nach „Hauptstadt der Termiten“ aussieht. Der östliche Mebon stand einst als Insel von 120 m Seitenlänge direkt im östlichen Baray, nur mit dem Boot zu erreichen, die Anlegestellen (von Löwen flankiert) sieht man am Fuße der Mauern. Die Lage direkt im Wasser bedingt eine Änderung gegenüber den anderen Tempeln seiner Zeit: Die umlaufende Mauereinfriedung mit Gopuras entfällt natürlich, die kreuzförmigen Gopuras sind deshalb in die Bauten der untersten Ebene integriert. Auch hier begegnen uns die typischen Elemente der Tempel dieser Zeit: Stufenpyramide, diesmal aus drei Ebenen, oben fünf Prasats in Quincunx-Stellung, Material der Türme ist Ziegel, material der Stufen ist Laterit, die Schmucklosigkeit dieses Materials wird kontrastiert durch die feinen Elemente der hervorragend gearbeiteten Sandstein-Türstürze und ebensolchen Gewänden. An jeder Seite der Pyramide führt eine Treppe nach oben, die mit Löwen flankiert ist. Von ausgesuchter Schönheit sind vier steinerne Elefanten, jeweils an den Ecken der zweiten Ebene stehend und aus einem einzigen Block gearbeitet.

Photogalerie Östlicher Mebon

Pre Rup: Das ist ein schon weit über das Sras Srang (künstlicher großer Teich, sog. königliches Schwimmbad) sichtbare Heiligtum Shivas, das aus drei Terrassen besteht, ein Meisterwerk der Zeit von König Rajendravarman II (944-968).Der Bergtempel hatte eine Doppelfunktion. Zum einen war er Sitz des Devaraja, mit dem sich der König identifizierte, zum anderen hat er Bezug zu Bestattungsriten und diente vermutlich als seine letzte Ruhestätte. Auf der obersten Terrasse stehen fünf Ziegeltürme. Chy erzählte mir, daß einige der Ziegeltürme der unteren Terrasse als Krematorium der königlichen Familie dienten. In einem Seitengebäude zeigte er ein Becken mit Abflußrinne, in dem angeblich die Asche der Toten mit Kokosmilch vermengt wurde. Die aus dem Ausfluß tretende Flüssigkeit galt als besonders heilig. Eine Theorie, die wohl erst noch belegt werden müßte. Baulich könnte der Pre Rup die Stilentwicklung in Richtung Ta Keo vorzeichnen.

Photogalerie Pre Rup

Ta Keo: Jayavarman V, der Sohn Rajendravarmans, gründete eine neue Hauptstadt an der Westseite des östlichen Barays namens Jayendranagari. Auch dieser Tempel aus dem späten 10. Jh., der nie fertiggestellt wurde, ist eine Stufen-Pyramide aus fünf Ebenen, insgesamt ca. 45 m hoch, bekrönt von 5 Prasats, die in Quincunx-Stellung stehen. Die einzelnen Ebenen der Pyramide springen nur wenig zurück, sodaß die Treppen ungewöhnlich steil sind und der Aufstieg ein echter Balanceakt. Die oberste Plattform liegt ca. 50 m über Grund. Das ganze Bauwerk wirkt massiv und klotzig, es ist wenig aufgelockert im Vergleich zu den späteren Tempeln. Durch die geschlossene Bauweise, die Steilheit und die umlaufende Galerie quadratische Paneele erinnert er ein wenig an mittelamerikanische Tempelpyramiden. Die Türme haben Türöffnungen in alle Himmelsrichtungen, in den schmucklosen Prasats befinden sich Lingas. Die Pyramide ist ganz mit Sedimentgestein verkleidet, was ihr eine massive Schönheit verleiht. Der Ta Keo ist insofern architektonisch bedeutsam, als sich in ihm ein neues Element der Tempelarchitektur anbahnt: Die Galerie. Zum einen finden wir zwei langrechteckige Gebäude, nur an der Ostseite vorhanden und noch als Einbau in das System aus Umfassungsmauern zusammenhangslos eingestellt. Zum andern finden wir umlaufend um den eigentlichen Stufenberg eine schmale Galerie von 80x75m Dimension, innen mit offenen Fenstern, außen blind. Sie kündet das Herannahen eines neuen, die Zukunft bestimmenden Elementes an, entstanden aus der erst zaghaften, im weiteren zunehmend architektonisch gelungenen und eigenständige Raumkonzepte schaffenden Verschmelzung der früher lose in eine Stufe gestellten Einbauten. Weiterhin findet sich zum ersten Mal als Grundriß der 5 zentralen Prasats der obersten ebene ein griechisches Kreuz, welches fortan häufig verwendet wird. Drittens wird das Konzept der vielen begleitenden Prasats aufgegeben, die beiden unteren Terrassen sind frei von kleinen Prasats uns anderen Gebäuden, was auch die besondere Steilheit der Pyramide ermöglicht. Die kleineren Prasats auf den unteren Ebenen werden zugunsten einer betonteren Herausarbeitung der zentralen Prasats aus der architektonischen Masse aufgegeben, ein Konzept, welches später in den fünf einmaligen Pinienzapfen von Angkor Wat seine Vollendung finden wird.

Photogalerie Ta Keo

Der Phimeanakas: Eigentlich wird der Phimeanakas vom Besucher heute in einem gänzlich anderen Zusammenhang erlebt – er steht inmitten der viel späteren Stadt Angkor Thom. Er wurde jedoch erbaut, als Suryavarman I zu Beginn des 11. Jh. die Macht in Yashodharapura ergriff. Der Tempel ist vergleichsweise klein und kompakt und hat viele Elemente der oben beschriebenen Phase. Eine steile, dreistufige Lateritpyramide trägt einen einzigen Prasat, in alle vier Himmelsrichtungen offen, auf dem Grundriß eines griechischen Kreuzes. Hier ist auch schon das Galerie-Element vertreten, diesmal faßt sie die oberste Plattform ein. Es ist die erste Galerie, welche gänzlich aus Sedimentgestein erbaut wurde.

Photogalerie Phimeanakas

Der Baphuon, auf dem Gelände von Angkor Thom gelegen, markiert endgültig den Durchbruch in eine neue Architektur: Obwohl noch ein Bergtempel, wird die Galerie zum bestimmenden Element und ist auf allen Ebenen zu finden. Das System axialer Treppen wird zugunsten von insgesamt 12 Treppen aufgegeben. Die Gopuras und Ecktürme werden harmonisch in das Galeriesystem integriert, die Zugänglichkeit der Galerien weist sie als mit neuer Bedeutung ausgestattete Elemente der Architektur aus, dieses und die kreuzförmigen Portiken weisen schon unmißverständlich den Weg zu den Bauten von Angkor Wat.

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