Bernhard Peter
Entlang des Kodari-Flusses
von Kodari nach Dhulikel (1)

Kodari ist Nepals Grenzort zu China, diesseits der Freundschaftsbrücke gelegen. Hier verläuft eine der wenigen Nord-Süd-Verbindungen über die Himalayakette und zugleich die wichtigste. Die Straße ist Teil des China-Nepal-Highways (Zhong-Ni gonglu), der von Lhasa nach Kathmandu verläuft. 829 Kilometer dieser Verbindung liegen auf chinesisch beanspruchtem Staatsgebiet, und dieses Stück ist identisch mit der Nationalstraße G318 oder zumindest mit ihrem westlichsten Teil, und 114 km der Verbindung liegen auf dem Staatsgebiet Nepals (Arniko-Highway). Die schmale Straße, in der jedes Ausweichmanöver oder jede engere Kurve kritische Nähe entweder zum Abgrund, zum massiv ausgemauerten und sehr tiefen Straßengraben oder zum Felsen bedeutet, nimmt schon hier kurz nach der Grenze das alltägliche Chaos auf Nepals Straßen vorweg. Wenn man von Tibel kommt, ändert sich schlagartig alles: Aus der glatt asphaltierten ingenieurtechnischen Meisterleistung wird eine Schlaglochpiste. Aus spärlichem Verkehr wird ein dichtes Geschiebe, was vor allem daran liegt, daß bei jedem noch so kleinen Stau alles in die letzte Lücke des Knäuels noch hineinfährt, um letzteres noch mehr zu verdichten. Die Durchschnittsgeschwindigkeit reduziert sich abrupt auf ein Bruchteil. Im Zeitlupentempo quält man sich durch die Ortschaften, mit einem Logenplatz für die Aussicht in das Familienleben in Obergeschossen und Grundstücken. Und vor allem sind die Vehikel selbst ein Faszinosum, eine Werbung für die Robustheit und Langlebigkeit selbst der ältesten und heruntergekommendsten Vehikel. Man bewundert, was alles noch fährt, und noch mehr bewundert man die Improvisationskünstler, die jede Panne mit stoischer Ruhe und Basteln überwinden. Vor allem aber ändert sich die menschliche Atmosphäre nach dem letzten chinesischen Gruß an der Grenzstation, das freundlich-chaotische Land Nepal schlägt einen sofort mit der ihm eigenen Gelassenheit in seinen Bann. Die Straße führt immer entlang des Kodari-Flusses weiter bergabwärts bis ins Kathmandu-Tal. Die Wälder werden immer dichter, schließlich ist Landwirtschaft auf den Hängen möglich, und die schmalen Reisterrassen begleiten mit ihrem hellen Grün des jungen Reises die tiefen Schluchten, während die Vegetation immer tropischer wird. Dhulikel ist eine letzte Station vor dem Kathmandu-Tal mit bei gutem Wetter herrlicher Sicht auf den Himalaya. Bei Nebel und "Suppe" bleibt einem nur die Blütenpracht der in den Bergwäldern gedeihenden Vegetation. Am Schluß taucht man ein in das immer dichter besiedelte Kathmandu-Tal, in dem die Ortschaften zunehmend in einer immer stärker zersiedelten Landschaft fast ineinander überzugehen scheinen. Nepal hat nicht nur eine Bevölkerungsexplosion, sondern auch eine enorme Bevölkerungsumverteilung vom Land in die urbanen Gebiete, und so platzt das Kathmandutal aus allen Nähten, und unkontrollierte bauliche Entwicklung ohne jedes vorhandene Entwicklungskonzept macht das gesamte Tal quasi zu einer Vorstadt der urbanen Zentren, in der sich Felder und Neubauten in jedem Fertigstellungszustand und in jedem erdenklichen Kräfteverhältnis vermengen.

So klein beginnt der Kodari-Fluß an der nepalesisch-chinesischen Grenze.

ein Blick zurück auf die Verwaltungsgebäude der chinesischen Grenzstation.

Bambus wird zum stetigen Begleiter in den flußnahen Wäldern.

ein besonders vertrauenerweckender nepalesischer Bus.

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© Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2012
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