Bernhard Peter
Kuppeln in der ostislamischen Architektur: Tambour, Trompen und Pendentifs

In Mittelasien sind die Kuppeln in ihren verschiedenen Formen und Konstruktionen, vor allem aber mit ihrer leuchtend azurblauen bis blaugrünen Fayence-Verkleidung ein das Stadtbild beherrschendes Element der timuridischen Architektur. Was sie aber besonders interessant und einzigartig macht, sind ihre Konstruktionsprinzipien. Wie erreicht man so weit ausladende, melonenförmige Kuppeln auf schlankem Tambour? In der Tat gibt es neben den Standard-Kuppel-Konstruktionen einige regionale Besonderheiten:

Timuridische Doppelkuppel in zweiteiliger Konstruktion:
Eine dekorative hohe Außenkuppel auf Tambour ist mit einer konstruktiven flacheren Innenkuppel verstrebt. Die Außenkuppeln sind nur dekorativ, sie sind nicht mit dem Innenraum verbunden. Die Kuppel selbst kann eine glatte Kuppel oder eine Rippenkuppel mit radial gekerbter Oberfläche sein. Bsp.: Gur-i Amir (obere Abb.), spättimuridisch die zentrale Kuppel des Ishrat Khane (Rekonstruktion, untere Abb.), beide in Samarqand.

 

Ein weiteres Beispiel ist die Doppelkuppel der großen Moschee Kalyan in Bukhara Auch hier macht erst die doppelschalige Konstruktion die starke Wölbung der Kuppel nach außen möglich, ohne die Stabilität zu gefährden und ohne den Innenraum disharmonisch wirken zu lassen:

Kuppeln auf Tambour, Kuppeln auf Trompen oder Pendentifs:
Wenn der Grundkreis (Fußkreis) der Kuppel dem Grundriß des Gebäudes einbeschrieben ist, die Mauern desselben quasi die Tangenten der Kuppel bilden, können die Zwickel zwischen Mauer und Kuppel auf verschiedene Weise ausgefüllt werden. Handelt es sich um Kugelsegmente (sphärische Dreiecke), spricht man von Pendentifs und von einer Pendentif-Kuppel, handelt es sich um Kegelsegmente, spricht man von Trompen und einer Kuppel auf Trompen. Mit Pendentifs kann man in einem Zuge von einer quadratischen Basis zum Fußkreis der Kuppel kommen, mit Trompen reduziert man ein Quadrat zum Achteck, dieses kann bei kleineren Räumen wie Grabmälern als Basis für den Fußkreis dienen oder, insbesondere bei größeren Räumen in Moscheen oder Medresen, durch acht weitere Trompen zum 16-Eck weiter „gerundet“ werden, wie im obigen Beispiel der Kalyan-Moschee in Bukhara zu sehen. Trompen sind also halbe Hohlkegel mit nach unten gekehrter Schnittfläche, sog. Ecktrichter.

Kuppel auf sich überschneidenden Bogenpaaren
Noch größere Spannweiten konnte man ohne Zwischenstützen durch eine weitere Entwicklung der timuridischen Architektur setzen: Dabei wurde das die Kuppel tragende Oktogon nicht auf einfache Trompen gesetzt, sondern auf sich überschneidende Bogenpaare aus Ziegelsteinen, die ihrerseits über sphärische Elemente den durch die Kuppel zu überbrückenden Raum verkleinern. Die Zwickel zwischen den Bögen wurden mit schildförmigen Konkav-Elementen verschlossen. Mit diesen Prinzipien konnte man kleinere Kuppel auf größere Räume setzen, denn der Kuppeldurchmesser muß nicht mehr identisch mit der Seitenlänge des Raumes sein. So konnte man im Innern des Gebäudes ein flach gespanntes Netzgewölbe haben und einen breiten Raumeindruck erzielen, während man für die Außenwirkung einen hohen, schlanken Tambour bekam. Ein Beispiel aus spättimuridischer Zeit ist die zentrale Kuppel des Ishrat Khane in Samarqand (Rekonstruktion):

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