Bernhard Peter
Altstadt von Khiva: Amir Tura Medrese

Madrasa Emir Tjure (1870 AD) Synonyme: Amir Tura Medrese
Diese Medrese liegt im Norden der Altstadt. Eine zweistöckige, völlig schmucklose Fassade ist nach Westen gerichtet, nur die 4 Ecktürmchen haben ein bißchen Schmuck aus glasierten Ziegeln auf ihren Rotunden und Kuppelchen. Charakteristisch für die Fassade sind die aus dem Pishtaq herausstehenden Hölzer, die dem Bauwerk einen etwas unfertigen Ausdruck verleihen, wie Rüsthölzer bei einem Rohbau, im Laufe der Zeit gealtert und entsprechend gerieft. Aber dieses unfertige Aussehen ist wohl Absicht, da es uns bei anderen Bauwerken ebenfalls begegnet, und es soll ein Abwehrzauber sein, da Geister nur von fertigen Gebäuden Besitz ergreifen. Ein besonders schönes und malerisches zweites Beispiel für diese Sitte sind die Türmchen an den Außenmauern und Portalen des Palastes Tash Hauli, wo die entsprechenden hölzernen Stangen kreuz und quer in alle Richtungen stecken.

Besonders bemerkenswert an dieser Medrese Emir Tjure ist die Gestaltung des Vorplatzes, der durch ein Tor betreten wird, aber nicht von der Straße, sondern zwischen Straße und Vorplatz verläuft ein im Norden und Süden über hinabführende Treppen zu betretender Graben, von dem aus dann erst die Treppe durch das Tor zum Vorplatz der Medrese hoch führt. Der Weg in die Medrese führt also erst über eine der beiden Treppen hinunter in den Graben, vorbei an offenen zellenartigen gemauerten Nischenräumen, dann wieder hoch auf das Vorplatzniveau, und schließlich durch ein Portal mit einer geschnitzten Holztür hinein. Der Unterbau des Vorplatzes enthält beiderseits des Aufganges je 5 (links ist eine Einheit anders, also genauer: links 3+1, rechts 5) offene Zellen, deren Grundfläche zum Großteil von einer niedrigen Ziegelplattform eingenommen wird, während jeweils rechts ein heute vermauerter niedriger Durchgang ist. Insgesamt macht alles ausnahmsweise einen etwas vernachlässigten und baufälligen Eindruck, diese Madrasa liegt auch etwas abseits der Haupt-Touristenströme. Die Hauptfassade hat auf zwei Ebenen Zellen, die oberen werden durch einen in den Blendbogenstellungen verlaufenden Quergang zugänglich gemacht. Die Rückwand des Eingangs-Iwans ist polygonal, wie bei so vielen Medresen des 17.-19. Jh. Die drei rückwärtigen Flügel rings um den Hof sind einstöckig, arm an Verzierungen, nur die Felder auf den Pishtaqs haben etwas farbig glasierte Keramik als Zierrat. Der Hof hat nur im Norden und im Süden einen Iwan, aber weder im Westen noch im Osten. Der Südiwan führt zu einem Kuppelraum, dessen Kuppelkonstruktion die Seitenwände deutlich überragt. Der Nordiwan ist eigentlich nur ein architektonisch aus Symmetriegründen erforderliches Pendant, denn er gibt nur Zugang zu zwei weiteren Studentenzellen. Die Rückseite des Obergeschosses im Westflügel des Gebäudes hat 5 Zellen, drei in der geraden Rückwand, flankiert von zwei kleinen Blendnischen, die beiden letzten Zellen liegen in den seitlich abgewinkelten abgeschrägten Ecken des Aufbaues. Die Madrasa kann derzeit normalerweise nur von außen besichtigt werden.

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© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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