Bernhard Peter
Altstadt von Khiva: Kasi Kalan Medrese

Kasi Kalan Medrese (1905 AD)
In dieser Medrese an der Hauptstraße in West-Ost-Richtung ist das Museum of Music untergebracht. Die Medrese ist einstöckig, ein kleiner Vorhof trennt sie von der Straße ab. Über dem Eingang sind Platten mit einer Nastaliq-Inschrift eingelassen. Der einzige Schmuck des Innenhofes ist ebenfalls eine Nastaliq-Inschrift, eine große Majolika genau hinter dem Eingang. Der Hof hat an den Längsseiten je 4 Studentenzellen und an der Schmalseite je 2 Zellen, dazu in den abgeschrägten Südecken je drei Zelleneingänge. Bei dieser Medrese findet sich in ca. 1.80 m Höhe eine Lage Schilfflechtmatten im Ziegelmauerwerk, die ganzen Mauern horizontal trennend, um den Mauerverbund vor Spannungen und Erschütterungen zu bewahren. An der Nordseite (Eingangsseite) sind keine Zellen in dieser Hof-Schmalseite, in den beiden Ecken sind größere Kuppelräume, die vom Vestibül aus zugänglich sind. Im Hof ist an der Südseite exzentrisch eine Jurte auf einer Plattform nachgebaut, auf der Nordseite ist ein Brunnen im Hof. Interessant ist die Struktur der Zellen: Rechts oder links vom Eingang sind kleine Nischen, eine davon ist immer mit Kaminabzug. Man muß die extremen Temperaturschwankungen innerhalb eines Jahres bedenken. Die Gebäude müssen beiden Extremen gerecht werden, sowohl der glühenden Hitze im Hochsommer, wo tagsüber 35 Grad ganz normal sind, als auch dem Winter, wo minus 20 Grad und weniger keine Seltenheit sind. Die dicken Mauern mit wenigen Fensteröffnungen schirmen das eine wie das andere ganz gut ab, verhindern aber auch, daß in den Sommernächten eine wirksame Abkühlung der Räume erfolgt. Und im Winter ist es einfach nur lausig kalt in den gemauerten Gelassen, der kleine Kamin mit dem engen Stapelplatz für Feuerholz daneben wird da wohl nur ein schwacher Trost gewesen sein. Die kleinen Abzüge der Zellen bilden zusammen mit ihren Kuppeln eine lebhafte Dachlandschaft, die sich einem erst erschließt, wenn man die engen Treppen aufs Dach steigt. Nach außen schirmt eine niedrige Mauer die Blicke ab. Die andere Nische in den Studentenzellen diente vermutlich als Abstellplatz oder mit ein paar eingezogenen Böden als Regal. Der Fußboden ist in den ersten 50-80 cm Raumtiefe abgesenkt, sozusagen „Dreckecke“, ehe der höhergelegene „schuhfreie“ Bereich beginnt. Die vordere Zone war für Kochen, Heizen, Waschen, Schuhe etc, die hintere Zone war zum Wohnen und Schlafen bestimmt. Manche Zellen haben sogar einen vorgewölbten Kaminmantel. Nur die Südecken des Hofes sind abgeschrägt, die schrägen Stücke geben Zugang zu jeweils drei Zellen. Die Konstruktion ist typisch: Über einer doppelflügeligen Holztür ist ein horizontaler Holz-Balken ins Ziegel-Mauerwerk eingelassen, darüber ist ein weiß gestrichenes durchbrochenes Gitter mit meist einfachen geometrischen oder floralen Motiven. Der stets problematischste Raum ist der in der Ecke, hier führt der Eingang erst wie ein Korridor ca. 2 m durchs Mauerwerk, ehe die Zelle sich öffnet, dann den Besitzer aber häufig mit größerer Geräumigkeit entschädigt. Der ganze Eingangskorridor wird oben von einer dünnen Bretterschicht von dem unmittelbar darüber verlaufenen Lichtkanal abgetrennt.

Kasi Kalan Medrese - Photos

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© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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