Bernhard Peter
Ladakh
Hundar: Das Dorf im Schatten der Berge

Aprikosenbäume gedeihen gut in Hundar, ein wichtiger Vitaminspender im langen Winter sind getrocknete Aprikosen. Desgleichen sieht man reichlich Obstbäume, Äpfel, auch diese werden zerschnitten und auf Tischen, Folien, Kistenböden etc. zum Trocknen in die Sonne gelegt, oder wie hier auf dem steingemauerten Podest. Damit wird deutlich, daß es hier im Shyok- und Nubra-Tal ein milderes Klima gibt als in Leh.

Das Dorf Hundar ist ein unglaublich grünes Dorf. Weit verstreut liegen die einzelnen Häuser in einem üppigen Dickicht aus Bäumen (Pappeln, Walnußbäume, Obstbäume etc.), Sanddornsträuchern und Blumen, kaum zu sehen in der Fülle des Haines. Vor allem ist das Dorf Hundar auch durch das Wasser geprägt. An seiner Südwestseite rauschen die Gebirgsbäche die Hänge der Ladakh-Kette herab, zerteilen sich in viele kleine Bewässerungsbäche und spenden dem Dorf leben. Überall gluckst und rauscht das Wasser in den vielen Verzweigungen der Bäche, rauscht unter Mauern aus losen Bachkieseln hervor und verschwindet woanders wieder unter stacheligen Sträuchern.

In Hundar ist eine der wichtigsten und am besten gedeihenden Pflanzen der Sanddorn. Überall leuchten orange die vitaminreichen Beeren, die hier zu Saft verarbeitet werden. Die Häuser brauchen in Hundar keine Zäune, abgeschnittene Sanddornzweige sind der wirkungsvollste Schutz des Eigentums. Die Zweige werden zu dichten stacheligen Verhauen aufgetürmt, die die Wege beiderseits säumen, entweder alleine und mit ein paar Ästen verstärkt, oder als Krone auf einer niedrigen Mauer aus abgeschliffenen Kieselsteinen aus den Läufen der Bergbäche.

Weiter oben am Berghang stehen zwei kleine verlassene Tempelchen, von denen man eine hervorragende Aussicht über das Dorf Hundar hat. Der Aufstieg führt den Hang hoch vorbei an vielen Mani-Mauern, bei denen abweichend vom Normalfall die Füllung in der Mitte und auch die Deckplatten fehlen. Auf dem Unterbau stehen senkrechte Mauern, in die die bearbeiteten Platten eingemörtelt sind. Der eine Raum hat einen Buddha Shakyamuni (Gautama Siddharta, historischer Buddha), der andere einen Buddha Maitreya (Buddha der Zukunft). Der Blick (Abb.) zeigt auch die vielen kleinen, weißgetünchten Tschörten an der Straße, die ein Stück weiter nach Nordwesten den rauschenden Bergbach überquert. Viel weiter kann man als Tourist nicht nach Nordwesten, dort hinter der Brücke beginnt die „restricted area“, denn auch hier ist die Grenzfrage mit Pakistan nicht abschließend geklärt.

Insbesondere zu Sonnenuntergang ist es hier schön, wenn die gegenüberliegenden Berghänge im Licht der letzten Sonne leuchten, ehe diese früh hinter den Kämmen der Ladakh-Kette verschwindet, während das Dorf Hundar selbst schon lange im Schatten liegt und von den Höhen ein immer kälterer Wind herunterweht. Hier wird es früh Abend. Nach Sonnenuntergang pfeift ein kalter Wind von den Höhen und wirbelt den Staub auf, der zwischen den Zähnen knirscht, und man macht sich auf in Richtung Zelt.

In Hundar habe ich eine schöne Unterkunft in einem „organic camp“. Das ist ein fest installiertes Zeltcamp, in geräumigen Zelten stehen gemütliche einfache Holzbetten, im Freien sind Planen über Sitzgruppen inmitten einer Sonnenblumen-Umhegung aufgespannt. Und alles befindet sich in einem großen Garten mit reichlich Blumen und angebautem Gemüse. Goldene gefüllte Sonnenblumen, rosa bis violette und weiße Cosmea (Schmuckkörbchen, Cosmos bipinnatus), orangefarbene Tagetes, tiefrote gefüllte Stockrosen (Althaea rosea) geben die Farbakzente. Es ist kaum zu fassen, welche Vielfalt an lebensfrohen Blumen einen hier nach der schroffen Felswüste empfängt, ein kleines irdisches Paradies, das die Spannung der Gebirgsüberquerung löst. Dazwischen gedeihen Kohlsorten und hier und dort leuchtet ein kleines goldenes Gerstenfeld. Der Duft der Blumen zieht in das Zelt, und das leise Plätschern der Bewässerungsbäche gurgelt in der Nacht.

Im "Organic camp" in Hundar.

Es ist eines der unzugänglichsten Täler in den Bergen. Nach Westen in Richtung Pakistan ist die Bergwelt unpassierbar, nach Norden liegt die mächtige Karakorum-Kette, die Höhen bis 7000 m erreicht, nach Süden die Ladakh-Kette, und um in diesen Tal herein oder aus diesem herauszukommen, muß man mindestens 2 km zusätzliche Höhe gewinnen. Im selben Bundesstaat Indiens, Jammu und Kaschmir, gibt es zeitgleich Aufstände, Streik, werden territoriale, religiöse, politische Konflikte ausgetragen. Und dennoch, hier in diesen einsamen Tälern bei diesen friedlichen Menschen liegt das alles in unendlicher Ferne. Hier ist es einfach nur friedlich und schön.

Regenbogen im Tal des Flusses Shyok bei Hundar.

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