Bernhard Peter
Die Medrese Ulugh Beg in Bukhara

Zusammen mit der gegenüberliegenden, später erbauten Abdul Aziz Khan Medrese bildet die Ulugh Begh Medrese von 1417 AD ein Kosh-Ensemble, wie es mehrfach in Bukhara auftaucht, z. B. zwischen Kalon-Moschee und Mir-i-Arab Medrese sowie zwischen Abdullaxon Medrese und Madarixon Medrese. Im Vergleich zur Abdul Aziz Khan Medrese ist die Ulugh Beg Medrese von der Grundfläche her kleiner, in ihrer Wirkung einheitlicher und geschlossener, besser erhalten und von Stil her klarer. Die Fassade ist klar organisiert, der Hof kompakt strukturiert.

Die Fassade wird dominiert von dem riesigen Iwan mit dem einfassenden gedrehten Zierelement, das wie ein gedrehtes Seil um die gesamte Öffnung herumläuft. Dabei ist jeder einzelne Strang von anderer Ornamentik, jede Kachel ist individuell hinsichtlich Musterart, Musterausschnitt, Krümmung etc. Dieses gedrehte keramische „Seil“ ist eines der größten und in der Herstellung aufwendigsten Kunstwerke der Medrese, auch wird die ansonsten auf blau, weiß und türkis beschränkte Farbigkeit bei diesem Fassadenelement um rostrote Töne erweitert. Zu beiden Seiten des Iwans läuft senkrecht ein gewaltiges blau-weißes Schriftband, der obere Abschluß kann nicht mehr rekonstruiert werden, hier ist der Pishtaq einfach gerade abgeschlossen, was aber vermutlich nicht der ursprünglichen Gestaltung entspricht. Das Feld über dem Spitzbogen ist auch einfaches Ziegelmauerwerk, was hier ursprünglich für ein Muster war, entzieht sich unserer Kenntnis.

Die Seitenwand des Eingangsiwans hat „Allahu akbar“, „Gott ist am größten“ als kalligraphisches Punktmuster, z. T. schlecht ausgebessert. Das zentrale Feld im Iwan hat ein kalligraphisches Muster aus einfachen Worten wie „Allahu akbar“, „Allahu ahad“ oder „Muhammad“. Der Eingangsiwan wird zu beiden Seiten auf beiden Stockwerken von je zwei Blendbögen flankiert, die teilweise ohne Tür-Öffnung sind, weil dahinter die beiden Kuppelräume der SW-Ecke und der SO-Ecke befinden, dann kommt ein kurzes Zwischenstück mit 4 übereinanderliegenden durchbrochenen Fenstergittern übereinander, bevor die Fassade mit schmucklosen runden Ecktürmchen gleicher Höhe wie die Seitenflügel zur Seite hin abgeschlossen wird.

Der von zweistöckig angeordneten Studentenzellen gesäumte Hof hat nur zwei Iwane. Im Süden ist das ein einfacher rechteckiger Iwan, rechts und links jeweils nur von einem Durchgang und anschließend einer einzigen Zelle flankiert. Denn der Zugang von außen nach innen ist hier wie üblich gewinkelt, und man betritt den Hof entweder rechts oder links des Iwans, aber nicht durch ihn hindurch. Ein durchbrochenes Gitter in der trennenden Wand gestattet aber den Blick von außen in den Hof, da hier die Rückwand des Eingangs-Portikus und des südlichen Hof-Iwans identisch sind.

Die Ecken des Hofes sind nicht abgeschrägt, was ansonsten dem kubisch wirkenden Hof ein gefälligeres Aussehen verliehen hätte und in späteren shaibanidischen Bauwerken Standard wurde. Durch die Höhe der umlaufenden Zellengalerien und die kantig-kubische Konstruktion ist das hier eher eine schachtähnliche Interpretation des Hofes.

Auf der gegenüberliegenden Seite, der Nordseite befindet sich ebenfalls ein großer Iwan, der hinten keine abschließende Wand hat, sondern noch mal iwanartig vertieft ist und dort eine polygonale Rückwand mit entsprechendem Muqarnas-Gewölbe besitzt. Rechts und links sind jeweils 2 Studentenzellen, im Obergeschoß ebenso.

West- und Ostseite des Hofes haben gar keinen Iwan, hier liegen einfach auf beiden Stockwerken je 6 Zellen mit ihren Blendbögen nebeneinander. Von den Zierkacheln der Iwane sind leider viele durch Erschütterungen und Temperaturspannungen herabgefallen, große Lücken warten auf Ergänzung durch die Restauratoren. Hier wäre einiges machbar, da die Muster ein leicht zu ergänzendes Prinzip haben. Man staunt so oft in Usbekistan, wie ganze Fassaden aus winzigen Bruchstücken restauriert wurden, ganze Schriftbänder oder Bogenfelder voller Ornamentik aus wenigen Resten rekonstruiert wurden, Voraussetzung dafür ist eine gewisse ikonographische Stereotypie, wo sich aus wenigen Schlüsselworten erschließt, um welche Sure es sich handelt, während man bei einem singulären Gedicht angesichts der Reste hilflos wäre. Analog kann man ganze Muster flächig fortentwickeln, solange das Aufbauprinzip, sozusagen das Generator-Motiv, bekannt ist. Beide Iwane haben ein Thuluth-Schriftband. Die Farbigkeit ist auf blau und weiß sowie spärliches Türkis beschränkt.

Im ersten Stock befindet sich der Laufgang hinter den Arkaden, von dem aus die einzelnen Zellen im Obergeschoß zugänglich sind. Beide Iwane haben eine Spitztonne; der rückwärtige Teil des Nordiwans hat ein feines Muqarnas-Gewölbe. Die Eckräume sind nicht vom Hof aus zugänglich, sondern nur mittelbar von den Nachbarräumen.

Insgesamt sind die einzelnen Zellen relativ hoch, über jeder individuellen Tür ist ein niedriges Mauerband, darüber das obligatorische Fenster, denn die Außenwand der Medrese ist weitestgehend geschlossen und dieses Fenster meist die einzige Licht- und Luftzufuhr für das dunkle Gelaß. Kufi-Schrift in 45° Schräglage aus auf die Sitze gestellten Quadraten ziert die Fläche über den Fenstern, einfachsten Inhalts, "Allah", "Muhammad", "Ahad" (Einziger), z. T. entstellt durch unsachgemäßen Einbau herabgefallener Ziegel. So kommt es insgesamt zu einer beträchtlichen Höhe der Nische und eher kleinen Feldern über den Spitzbögen der hofwärtigen Fassade.

Medrese Ulugh Beg - Photos (1) - (2)
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© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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