Bernhard Peter
Altstadt von Khiva: Alla Kuli Khan Medrese

Madrasa Alla Kuli Khan (1834 AD) Synonyme: Medrese Allakulixon
Mit der gegenüberliegenden Madrasa Kutluq Murad Inaq bildet sie eine städtebauliche Einheit, zwei gewaltige zweistöckige Fassaden, die sich nach dem Kosh-Prinzip ergänzen. Die Bausituation ist komplex: Zum einen ist der Boden hier tiefer liegend als an der gegenüberliegenden Seite, zum anderen war hier bereits ein Vorgängerbau. So kombinierte man beide Fakten und machte aus der Not eine Tugend, indem man den Vorgängerbau als Sockel für die neue Medrese verwendete. So kommt es, daß auch dieser Medrese ein erhöhter Vorplatz zugesellt ist, der rechts und links des Hauptweges zwei Innenhöfe besitzt, auf den sich Räume öffnen, die auf Straßenniveau liegen. Man schreitet auf dem erhöhten Zugangsweg zum Medresenportal und blickt rechts und links ins Privatleben der Innenhöfe hinab.

Die Allakuli Khan ist eine der größten Medresen Khivas und zugleich eine der wenigen durchgehend zweistöckigen. Und sie ist eine, die sich am interessantesten in ein vielstufiges städtebauliches Ensemble einfügt. Zum einen die Höhenstaffelung wie oben beschrieben, zum andern die Lage zwischen dem überkuppelten Basar zur Linken und dem langgezogenen ebenfalls vielstufig überkuppelten Osttor zur tiefer gelegenen Rechten, alles in allem eine äußerst lebendige und in alle Raumrichtungen gestaffelte Architekturlandschaft. Dazu kommt die enge und doch organisierte städtebauliche Verflechtung von Wohnen, Handeln, Lehren, Reisen und Beten in engster Nachbarschaft: Innenhöfe und Studentenzellen, Kuppelbasar nebenan, Lehrräume der Medrese, Osttor, Aq-Moschee im Süden.

Der Eingangs-Pishtaq folgt dem typischen Schema: Die polygonal abschließende Iwannische wird mit einem reich ornamentierten, spitzbogig ausgeschnittenen Feld zu einem Rechteck ergänzt. Typischerweise finden sich hier reichlich florale Elemente. Darüber liegt eine schmalrechteckige Zone, das zentrale Giebelfeld, das wie immer reich verziert ist und Schrift enthält. Hier ist es eine einzeilige Nastaliq-Inschrift. Diese Hauptfelder werden von gestaffelten dreiseitigen bandförmigen Rahmen umgeben, die abwechselnd naturbelassenes Ziegelmauerwerk und Zierkacheln zeigen. Hier haben wir – in Khiva einzigartig – ein riesiges, dreiseitig wie ein umgekehrtes eckiges „U“ umlaufendes Thuluth-Schriftband in weiß auf blau. Alle anderen Pishtaqs in Khiva haben statt dessen florale Elemente. Schließlich liegt allem oben noch ein horizontales Schmuckband auf, darüber bilden drei Reihen Muqarnas den oberen Abschluß. Insgesamt ist dieser Pishtaq der größte in ganz Khiva. Auf der polygonalen Rückwand des Iwans ist ein drittes Schriftband, wiederum ein einzeiliges Nastaliq-Band.

Im ringsum von Studentenzellen auf zwei Stockwerken umgebenen Hof finden wir das klassische Vier-Iwan-Schema wieder, mit vier relativ großen Pishtaqs. Nord- und Süd-Iwan haben je 4 offene Fensteröffnungen im oberen Teil des Pishtaqs. Die vier inneren Ecken sind alle abgeschrägt und geben Zugang zu je drei Zellen im Erd- wie im Obergeschoß. Die Treppen zum Obergeschoß sind sehr steil und nehmen ihren Ausgang in der Seitenwand der Blendnischen der Zellen jeweils kurz vor der Ecke des Hofes. Sehr unpraktisch ist der Zugang, weil steil und eng und in sich schlangenartig gewunden, hier ordnet sich die Funktion zu sehr der Form unter.

Alle Bogenfelder haben Keramik-Schmuck, wilde florale Arabesken, wenig geometrische Muster, wenn, dann sind die geometrisch eingerahmten Felder ebenfalls floral gefüllt. Die Farben blau und weiß herrschen vor, es gibt ein wenig Türkis. Der Keramikschmuck ist stark beschädigt. Der Pishtaq des Ost-Iwans hat oben ein Querband mit Nastaliq-Versen. Die drei Iwane im Norden, Westen und Osten geben Zugang zu je zwei Studentenzellen, nur der Südiwan enthält eine offene Halle. Die Zellen beherbergen heute kleine Läden und Werkstätten bzw. Ateliers von Künstlern. Das Obergeschoß ist begehbar und wird derzeit restauriert. Im Hof befindet sich ein einfacher Brunnen in der Mitte, ansonsten ist er leer. Abends wird er für Tanzdarbietungen verwendet.

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© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
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