Anne Christine Hanser
Reportagen aus Syrien, Teil 2:
Der Weg nach Palmyra

Es ist wieder einmal halb fünf nachmittags, und ich warte darauf, daß die Sonne in der nächsten halben Stunde untergeht. Allerdings ist heute zur Abwechslung nicht Weihnachten, sondern ein ganz normaler Samstag, an dem wir wie üblich frei haben. Denn Freitag und Samstag bilden das syrische Wochenende… Dafür geht es dann morgen - am Sonntag – zur Arbeit.

Dieses Wochenende war ein besonderes. Nicola, die ich bereits im Jemen als (britische) Kurzzeitexpertin für Human Resources Development kennen und schätzen gelernt hatte, hatte einen privaten Trip nach Palmyra organisiert, an dem sich drei von uns Langzeitexperten beteiligten. Palmyra – in Syrisch-Arabisch Tadmur genannt, ist eine 3 Autostunden östlich von Damaskus gelegene antike Ruinenstadt. Den vielen Steinen nach zu urteilen, die horizontal wie vertikal noch von DAMALS übrig geblieben sind, muß es sich um eine bedeutende Stadt gehandelt haben. Der Form der Steine nach zu urteilen, haben sich dort ganz unterschiedliche Nationen und Stilrichtungen verewigt – die üblichen Verdächtigen halt…: Araber, Perser, Türken und wie könnte es anders sein, die Römer und Griechen.

Die Stadt liegt übrigens mitten in der Wüste.

Wir machten uns am Donnerstagnachmittag auf den Weg. Nicola hatte vorsichtig 13.45 h angepeilt. Daraus wurde dann 14.30 h. Mohammed war noch mit Dr. Mazen beschäftigt und Peter konnte sich nicht von dem Treffen mit Talajoum und Anna losreißen. Nicola und Zacharias, der als Fahrer und Reisebegleiter agiert war, warteten bereits auf uns im Hof. Zacharias bestach durch seinen Nadelstreifenanzug und sein smartes Auftreten; ein Mann in den besten Jahren, weltgewandt. Nicola stellte ihn als Freund Davids vor (David arbeitete als Seniorexperte in unserem Mutterprojekt), was ihn den Status eines Familienmitglieds einbrachte. Mohammed begegnete Zacharias mit dem gewohnten Strahlelächeln. Nur Peter versäumte es, sich vorzustellen.

Peter ist der Neue, ein britischer Gesundheitsökonom, der die letzten Jahre in Pakistan Gesundheitsökonomie unterrichtet hatte und nun nach dem Ausfall des ursprünglichen Experten in unserem Projekt einsprang. Angelo, unser italienischer Teamleiter, lernte Peter als erster kennen. ‚Wie ist er’, fragten Mohammed und ich ganz gespannt, als Angelo von dem ersten Treffen zurückkehrte. Aber Angelo wollte nicht recht heraus mit der Sprache. Das einzige, was Angelo zu entlocken war, war das Wort: ‚britisch’. – Allem Anschein nach war Peter ganz anders als WIR. Vornehm, zurückhaltend… Kein Wort zuviel verlierend, keine Emotionen …

Ein paar Tage später bekamen wir Peter leibhaftig zu sehen. Jeder von uns bemühte sich, Peter mit der gleichen artigen Zurückhaltung zu begegnen. Aber das hielt keiner von uns dreien lange durch. Angelo, Mohammed und ich sind viel zu südländisch. Nach ein paar Sätzen ließen wir unsere guten Vorsätze fallen und begannen, uns wie üblich gegenseitig auf den Arm zu nehmen. Peter blieb Zuschauer, ließ sich aber immerhin dann und wann ein zögerliches Lächeln abgewinnen. Keineswegs ein hoffnungsloser Fall also.

Viel hoffnungsvoller, als der massive, von sich selbst eingenommene Holländer, der sich im Dezember vorgestellt hatte und der eigentlich die fünfte Langzeitposition hätte einnehmen sollen, ja wenn die Position nicht gestrichen worden wäre. Nein, Peter war eher zierlich, ein wenig schlaksig sogar und brachte im Gegensatz zu dem senioren Holländer keine Lobpreisungen seiner selbst hervor.

Eines frühen Nachmittags, als wir mitten in der Arbeit waren, und Mohammed, um sich nützlich zu machen, Fataya (mit Tomaten, Käse, Thymian etc. belegte warme Fladenbrote) besorgte, kam die erste wirkliche Überraschung. Peter nahm sich gerade ein Kaesefataja, während Mohammed ihm erklärte, daß die grünen Fatajas für Anne - Christine reserviert seien, weil die Fataja, die er gerade in der Hand hielte, NICHT VEGETARISCH sei. Wie vom Blitz getroffen, ließ Peter die Fataja fallen. – Mit einem wohlwollenden Grinsen beruhigte ich Peter, daß die Kaesefataja auch vegetarisch sein, aber eben nicht vegan… Seitdem ist Peter in meiner Beliebtheitsskala deutlich gestiegen. Schließlich muß nicht jeder extravertiert südländisch sein.

Peters Zureckhaltung brachte ihn prompt die ungeteilte Aufmerksamkeit unseres Reisebegleiters Zacharias ein. Noch ehe er sich es versehen hatte, wurde er gebeten, anstatt Nicola, den Beifahrersitz einzunehmen.

Mohammed meinte später grinsend, daß es Nicola war, die ohne einen Grund zu nennen, um einen hinteren Platz gebeten hatte. Die restlichen 3 Stunden jedenfalls hatte Peter die Ehre, Zuhörer zu spielen. Mit britischer Höflichkeit brachte er dann und wann ein – ‚indeed’ heraus. Ich begann zu ahnen, daß Nicola als Human Resources Expertin den Heimvorteil, auch Menschenkenntnis genannt, hemmungslos ausgenutzt hatte, indem sie den ihrem unschuldigen Landsmann den vorderen Sitzplatz abgetreten hatte.

Ich selbst, bemühte mich, nicht allzu sehr ins Fadenkreuz unseres Reiseführers zu geraten, konnte aber nicht umhin, dann und wann eine Attacke abzuwehren bzw. zur Gegenoffensive zu schreiten. Zum Glück sind Deutsche nicht dafür bekannt, die Feinheiten der diplomatischen Rhetorik zu beherrschen, insofern wurde mir gewiß meine unverdrossene Direktheit nachgesehen, als ich mir die Anrede Habibi (Liebling) seitens unseres Reiseführers verbat. Seiner Erklärung, daß er durchaus berechtigt sei, mich Habibi zu nennen, gerade weil wir KEINE Beziehung hätten, konnte bzw. wollte ich nicht folgen. Einerlei, das Habibi ersparte er mir fortan und nannte mich von nun an ‚die Prinzessin’. Was soll’s. Ich wollte ja nicht als Spielverderber gelten und nahm die Anrede stillschweigend aristokratisch zur Kenntnis.

Die Anreise verkrafteten wir dank Peters aufopfernder Selbstverleugnung ganz gut. Auf halber Strecke machte wir Rast im Cafe Bagdad, das wie uns Zacharias erklärte, seinen Namen einem bekannten amerikanischen Movie verdankte. Zacharias machte uns darauf aufmerksam, daß es sich bei diesem Cafe Bagdad um das Original handelte (oder vielleicht besser: die ERSTE Kopie des FilmCafe Bagdads, während die zwei oder drei im Abstand weniger Kilometer folgenden Bagdad Cafes ihrerseits lediglich Kopien der Kopie seien, die später (als die erste Kopie) errichtet worden waren.

Kurz darauf kam dann wirklich der Wegweiser nach Bagdad: Rechterhand bog eine Straße nach Osten ab. Wir fuhren geradeaus weiter, denn Palmyra war uns genug Abenteuer für ein Wochenende.

Der heutige Ort Tadmur liegt am Rande der Ruinen. Ein Ort mit 30 oder 40 Tausend Einwohnern. Nur ein Bruchteil der einstigen Größe. Wir stiegen in einem der Hotels ab und begaben uns nach dem Essen auf einen abendlichen Erkundungsgang. Zacharias, der seine Begleitung anbot, wurde britisch höflich von Nicola mit der Bemerkung abgewiesen, daß er sich doch besser von den Reisestrapazen erhole solle, um uns morgen in alter Frische zur Verfügung zu stehen. – Wow!, dachte ich anerkennend. Doch für mein Giggeln im Treppenhaus erntete ich einen mütterlich strafenden Blick.

Da Nicola den Weg durch die unbeleuchtete Ruinenstadt scheute, blieben wir in der Neustadt, die allerdings ziemlich ALT aussah. Eine Besonderheit, die nicht im Reiseführer verzeichnet war, waren die Automobile auf Tadmurs Strassen. Nie habe ich in meinem Leben so viele Mercedesfahrzeuge gesehen, ich begann zu zählen: fünf, sechs hintereinander. Und das ging immer weiter so. Keines von ihnen hätte den deutschen TÜV-Bestimmungen standgehalten (d.h. wahrscheinlich gibt es für antike Gefährte auch in Deutschland Sonderbestimmungen).

Ansonsten das übliche… Ein Horde kleiner Kinder auf der Straße (es war nach Neun abends…), die uns freundlich fragten, woher wir seien. Verkäufer, die uns während wir am Laden vorübergingen, aufmunternd ‚Ahlan’ = Willkommen zuriefen, und das als Einladung verstanden, das Ladeninnere zu betreten. Jugendliche, die uns mit scheinbarer Neugierde fragten, woher wir seien, und im gleichen Atemzug fragten, ob wir nicht die Postkartensammlung oder eine der Ketten auf der Schubkarre kaufen wollten.

„Aus Damaskus“, antwortete Mohammed, womit er zwar nicht ganz unrecht hatte, aber dennoch nur widerwilligen Unmut bei dem etwa 12 jährigen Jungen erntete, der sich seit zwei Straßen an unsere Fersen geheftet hatte. Am nächsten Morgen trafen wir ihn wieder, zweimal sogar. Der Junge schien omnipräsent zu sein. Daß wir erst seit kurzem aus Damaskus seien, und ansonsten aus U.K., Deutschland und sonst woher, nahm er trotzig zur Kenntnis. So als ob wir ihn am Abend zuvor belogen hätten. Aber auch das stimmte meine harte Krämerseele nicht weicher. Als sture Germanin kaufte ich weder Ledergürtel noch Postkartensammlung noch Geschmeide.

Wir saßen im Minibus und warteten vor dem Museum auf die Schlüsselperson. Die Schlüssel, die der Araber von dem staatlichen Tourismusoffice mit sich führte, waren in der Tat imposant. Wir fuhren gemeinsam zur ersten Station, den Gräberturm am Rande der alten Ruinenstadt. Eine Reihe von Touristen warten bereits dort, ein großer Touristenbus mit Asiaten (Japanern? Koreanern?) fuhr kurz nach uns vor. Ich versuchte den Namen des Grabturms auszumachen, um den passenden Begleittext in meinem Reiseführer zu finden, den ich dann unter Mühen und Qualen in ein verständliches Englisch zu bringen versuchte. Ich verstand ja kaum die architektonischen und historischen Fachtermini in meiner eigenen Sprache... Dennoch blieben wir hart, als uns ein lokaler Polyglott seine Dienste als Führer anbot. (Ich hatte keinen Zweifel daran, daß ich den fachlichen Auslassungen eines tadmurischen Führers in englischer Sprache kaum mehr verstehen würde.) Eingeschnappt kommentierte er, daß das mal wieder typisch für Deutsche sei. Die kamen hier mit ihren dicken Büchern und vertrauten denen mehr als irgend einem Einheimischen aus Blut und Fleisch. – Ich versuchte mich zu rechtfertigen, aber er winkte nur ab. – Wieder kein Geschäft gemacht, dachte er wohl und ließ ab von uns.

Wir stiegen in unseren Minibus und warteten. Als sich nach 5 Minuten Zacharias, unser Fahrer und Reisebegleiter, immer noch nicht anschickte, den Wagen anzulassen, fragten wir nach. Er deutete auf den Grabturm und sagte, wir müssen noch warten. Da dies die einzige Aussage war, die wir aus ihm – der ja doch sonst so beredt war, herausholen konnten, verstanden wir, daß wir auf den Schlüsselmann wartete, der immer noch dem damit beschäftigt war, den Asiaten Einlaß in den Turm zu gewähren. Also stiegen wir aus und erkundeten die Gegend. Es standen eine Reihe Grabtürme in dem Seitental. Die meisten etwas kleiner oder etwas verfallener als UNSER Turm. Zwischendurch ein paar Ziegen. Mit dem linken Auge behielt ich den Turm im Blick, mit dem rechten die Kollegen, die es vorzogen, den Ausblick vom Parkplatzrand zu genießen. Nach einer Weile schien sich der Turm im linken Augenblickfeld zu leeren und die Kollegen im rechten Augenblickfeld zu signalisieren, daß es nun weiterginge. Wir stiegen ein zweites Mal in den Minibus zu Zacharias und wunderten uns nun reichlich, daß Zacharias ohne den Schlüsselmann losfuhr. ‚Ja, müssen wir denn nicht den Mann mit den Schlüsseln mitnehmen?’ ‚Nein, nein’, meinte Zacharias, ebenso wortkarg wie 20 Minuten zuvor. ‚Ja warum haben wir denn hier gewartet.’ ‚Na wegen der Touristen.’ Wir blickten uns ein weiteres Mal verdutzt an, ehe wir nach mehrfachem Nachfragen endlich verstanden hatten, daß es nur EINEN Schlüsselbund für ALLE oberirdischen Grabtürme sowie unterirdischen Grabkammern gab und nur EINEN Mann, der den EINEN Schlüsselbund mit sich führte, und es folglich keinen großen Unterschied machte, ob man an der ersten Station wartete, bis die anderen Touristen die Besichtigung beendet hatten oder an der zweiten Station, bis der Schlüsselträger mit den nachtrottenden Touristen den Platz erreicht hatte. Das machte durchaus Sinn. Hätte man (Zacharias) uns natürlich gleich sagen können, aber offensichtlich hatte der unseren Scharfsinn überschätzt.

Etwa hundert Meter vor der nächsten Station, den unterirdischen Grabkammern, tat sich linkerseits ein Loch auf, auf das uns Zacharias aufmerksam machte. Ebenfalls eine Grabkammer, ungesichert, mitten auf einer früheren Strasse, deren beiderseitigen Zufahrten jetzt provisorisch von Sandhaufen versperrt wurden. Hier sei vor wenigen Jahren noch die Strasse verlaufen, bis eines Tages die Strasse nachgab und ein Auto samt Fahrer mit sich begrub. Mittlerweile verläuft die Strasse ein paar Meter abseits, aber dennoch frage ich mich, wie sicher mein gegenwärtiger Standort ist.

Für den Tempelbezirk nahmen wir uns über eine Stunde Zeit. Nicolas englischer Reiseführer setzte andere Prioritäten in der Beschreibung als meiner. Eine gute Ergänzung also, und ich brauchte nicht immer zu radebrechen, um den deutschen Fachtext meinen englischsprechenden Kollegen nahezubringen. Wie dem auch sei, schon wieder ein enttäuschtes lokales Führergesicht.

Danach ging es ins Museum. Auf dem Fußweg dorthin begegnete uns ein Kamel, ein vierbeiniges versteht sich. Ob ich es vielleicht versuchen sollte… Nicola lehnte den Gedanken kategorisch ab, aber in Peters Gesicht vernahm ich so etwas wie ein vorsichtiges Nachdenken. Kurz darauf war aber schon der Minibus zur Stelle, der uns vor dem Museum absetzte. Die meisten Funde sind im Nationalmuseum in Damaskus, trotzdem lohnt sich der Besuch.

‚Ob es da wohl Mumien zu sehen gibt?’ fragte Mohammed, dessen Interesse für Steine eher beschränkt schien. Die Ausgestaltung des Museums war offensichtlich, bevor mein Reiseführer in Druck ging. Nicolas Reiseführer dagegen gibt wenigsten ein paar Hinweise auf die Exponate im Erdgeschoß. Nach einem kurzen Rundgang erreicht unsere kleine Gruppe wieder den Ausgangspunkt im Foyer. Nicola zog es zum Cafe auf der anderen Straßenseite, den beiden anderen schien es ebenso zu gehen. Nur Anne – Christine, die weder Kaffee noch Tee etwas abgewinnen konnte, liebäugelte mit dem Treppenaufgang zur oberen Etage. Wir verabredeten uns in dem Cafe gegenüber. – Im zweiten Stock gab es tatsächlich die von Mohammed so sehnlich gewünschten Mumien. In verschiedenen Ausführungen. Wenn er nur 10 Minuten mehr in das Museum investiert hätte, dachte ich…

Mir persönlich wird beim Anblick von Mumien immer ein wenig mulmig: tote Menschen. Im Nachbarraum sind Kleidungstücke ausgestellt, nicht so alt wie die Mumien, aber auch nicht mehr ganz frisch.

Im Cafe gegenüber halte ich vergeblich nach Mohammed Ausschau, dem ich brandheiß von den Mumien berichten will. Aber Mohammed hatte sich zum Freitagsgebet in die Moschee begeben.

In der Zwischenzeit kündigte sich ein Sandsturm an, der Luft und die Sicht trübten sich. Wir beschlossen, nicht länger auf Mohammed zu warten. Zacharias würde im Cafe bleiben und mit Mohammed nachfolgen. Wir brachen zur Kolonnade in der Ruinenstadt auf. Zur linken befand sich ein antikes (wieder errichtetes ?) Amphitheater, zur rechten eine allerdings nur noch rudimentäre Badeanlage. Das Schwimmbecken war aber noch deutlich erkennbar.

Zweimal begegneten uns Kamele, aber irgendwie erkannten die Kamelführer nicht den schüchternen und doch sehnsüchtigen Kamelblick in unseren (meinen und Peters) Augen. Wahrscheinlich schauen sie nur in Nicolas nüchterne Augen.

Endlich trauten wir uns: Es ist ein erhebendes Gefühl (so ein Kamel ist nämlich reichlich HOCH), auf einem Kamel zu sitzen, und wenn auch nur 20 Meter hin und zwanzig Meter zurückzureiten. Kaum waren wir wieder unten, erschien unser in der Moschee verlorener Kollege Mohammed. (Der Vorbeter hatte das Freitagsgebet heute später starten lassen.) Mohammeds Interesse für Altertümer und Kamele schien nur begrenzt, was vielleicht an der fortgeschrittenen Zeit, dem Sandsturm oder was auch immer lag. Wir zogen zur letzten Station vor dem Essenfassen: der deutlichen neueren Festung am Rande jenseits der Ruinenstadt. Dank des Sandsturms waren Landschaftsphotos nicht opportun, aber wenigstens freute sich diesmal ein lokales Führerherz: Nicola ließ sich bereitwillig die Innenräume zeigen, wir begleiteten sie. In der Tat fand sich nichts dazu, weder in meinem noch in ihrem Reiseführer. So konnten wir zumindest dem Arabisch des lokalen Führers entnehmen, wo sich die Küche, das Gefängnis, die Schlafräume etc. befanden, und nicht zu vergessen, der Raum, wo vor ein paar Jahren der japanische Tourist in 40 Meter Tiefe fiel.

Mohammed, dessen Urdukenntnisse (er kommt ursprünglich aus Pakistan und hat die letzten 16 Jahre in den Niederlanden verbracht) ihn ab und zu glauben lassen, daß er Arabisch versteht, verstand anstatt ‚Tourist in 40 Meter Tiefe gestürzt’, daß 40 Japaner - vermeintliche Terroristen – in die Tiefe gestürzt worden sind’. Ungläubig will er von uns wissen, in welcher Epoche das wohl gewesen sein mag.

Ich frage mich gelegentlich, wie Mohammed den arabischsprachigen Freitagspredigten in den hiesigen Moscheen folgen kann und welche Botschaften er den Predigten entnimmt.

Zum Ausgleich für die Strapazen der Hinfahrt, durfte Peter auf der Rückfahrt hinten sitzen. Mohammed bot sich in muslimischer Nächstenliebe an, auf dem Beifahrersitz neben Zacharias zu sitzen. Zacharias war einen kleinen Deut weniger redselig als auf der Hinfahrt, was wir als Erleichterung verbuchen. Und doch konnte er der Versuchung einfach nicht widerstehen: ‚Ich frage mich immer’ fing er abrupt an, ‚warum die Touristen, kaum daß sie Syrien verlassen haben, mir sofort eine Email schicken und sich für meine Dienste so herzlich bedanken.’ – Keiner von uns wagte eine Erwiderung.

Während der obligatorischen Rast am Bagdad Cafe, das auf halber Strecke nach Damaskus lag, gab ich meine Anerkennung für Mohammeds Verhalten zum Ausdruck. ‚Wie Du das nur schaffst, so ruhig Zacharias Redeschwall zu ertragen…“ Mohammed strahlte – wie immer mit einem gewissen Schalk im Blick. ‚Das habe ich heute in der Moschee geschenkt bekommen.’ Er zückte eine türkisfarbene Perlenschnur, eine Art Gebetsschnur, die ähnlich einem Rosenkranz in der islamischen Kultur allerdings oft von Männern) benutzt wird. ‚Ich streife immer eine Perle nach der anderen zwischen den Fingern. Das BERUHIGT die Nerven’ führte Mohammed aus.

‚Clever’, nickte ich anerkennend und gleichzeitig zufrieden, daß ich im hinteren Busteils eines solchen Instrumentes nicht bedurfte.

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© Text, Graphik und Photos: Anne Christine Hanser 2006-2007
Autorin: Anne Christine Hanser, International Advisor, Damaskus, Syrien
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