Bernhard Peter
Kyoto, Daitoku-ji (2): Subtempel Korin-in


Lage und Erreichbarkeit
Der Korin-in (Kourin-in) ist Bestandteil des großen Tempelkomplexes Daitoku-ji und liegt in dessen Südhälfte (Adresse: 80, Murasakino Daitokujicho, Kita-ku Kyoto-shi, Kyoto, 603-8231, Japan). Man gelangt zu ihm, wenn man dort, wo der Hauptweg an der Südwestecke des Haupttempels nach Norden abknickt, einer S-förmig zweimal geknickten Sackgasse nach Süden folgt. Dort liegt der Korin-in zwischen dem Zuiho-in (Zuihou-in) im Süden und dem Shoju-in (Shouju-in) im Norden. Der Eingang liegt im Osten. Im Gegensatz zu benachbarten Subtempeln ist der Korin-in nicht ganzjährig geöffnet, sondern immer nur mal wieder für wenige Wochen im Jahr, zu unregelmäßigen Terminen.

Der Besuch ist sehr empfehlenswert. Es ist ein freundlicher und auch photofreundlicher Tempel; historische Innenräume sind aber wie meistens tabu. Im wesentlichen besteht die Perspektive aus der von der Veranda auf die Gärten, weil das Areal so klein ist, daß man nicht im Garten um die Gebäude herumgehen kann. Nur vom Eingang aus kann man Gebäude von außen betrachten. Die Bausubstanz ist bei drei Bauwerken alt und wertvoll; die Gartenanlagen sind zwar neueren Datums, aber qualitätvoll. Wie die Photos zeigen, kann man es sich hier auch bei Regen gut auf der Veranda bequem machen.


Geschichte und Bedeutung
Hatakeyama Yoshifusa (1491-1545), ein Daimyo der Provinz Noto (Noto no kuni) während der Sengoku-Zeit, hat diesen Tempel während der Muromachi-Zeit im Jahre 1521 (Ära Daiei) gegründet. Nach ihm ist der Subtempel benannt, denn sein buddhistischer Name lautete "Korinin-Denotokuin-Daikoji". In dieser Zeit erfuhr der Daitoku-ji eine strukturelle Umgestaltung: Wohlhabende Mitglieder des Kriegeradels gründeten Memorialtempel für sich und ihre Familie und schufen einen Kranz aus von ihnen finanzierten Begräbnisstätten für sich und ihre Familien, also Laien, mit priesterlicher Betreuung. Auch heute erinnern hier Ihai (Namenstafeln) an Hatakeyama Yoshifusa und andere Familienmitglieder. Der erste Gründungspriester hieß Shokei Jofu (Shoukei Joufu). Als dieser starb, wurde der Tempel in doppelter Hinsicht zum Mausoleum und Memorialtempel. Nach dem durch Uesugi Kenshin verursachten Niedergang der Familie Hatakeyama war der Tempel unbenutzt und verfiel.

Danach wurde dieser Subtempel um 1580 der Familientempel der Familie Maeda (Maeda-shi) aus der Provinz Owari, die in der Edo-Zeit als Daimyo von Kaga (Kaga han) eines der größten und reichsten Lehen im Kokudaka-System (Landbewertung nach Ertrag in Koku) innehatten, mit Hauptsitz in der Burg Kanazawa. Dieses wertvolle Lehen wurde "Kaga Hyakumangoku" genannt, Kaga-1-Million-Koku. Maeda Toshiie (1538-1599, Sohn von Maeda Toshimasa), Herr von Kaga und einer der mächtigsten Daimyos der Momoyama-Zeit, einer der führenden Generäle unter Oda Nobunaga und später von Toyotomi Hideyoshi, 1598 Mitglied im Rat der fünf Regenten (Go-Tairo), baute den Korin-in wieder auf. Die Familie Maeda schlug sich auf die Seite von Tokugawa Ieyasu und wurde dafür reich mit Lehen belohnt. Bis zum 17 Jh. hatte sich der Korin-in zu einem wohlhabenden Tempel entwickelt, der in dreifacher Hinsicht das Andenken Verstorbener pflegte, der Hatakeyama, der Maeda und des Gründungsabtes mit Bedeutung für den ganzen Daitoku-ji, dessen Gesamtabt er einst war, und für die Kette seiner Schüler.

In der Meiji-Zeit wurde die finanzielle Lage des Tempels schlecht. Die bemalten Schiebetüren (Kano-Schule etc.) wurden verkauft. Zeitweise diente der Tempel noch als Krankenstation, danach verfiel er. Erst 1909 erinnerte man sich an seine Bedeutung für den gesamten Komplex und erweckte ihn als Ryosho-ji (Ryoushou-ji) zu neuem Leben. 1922 wurde ein neuer Ryosho-ji auf dem Gelände errichtet, und der Korin-in bekam seine alte Identität als solcher wieder. Als Erinnerung an diese Zeit hängt im Korin-in noch die Glocke, die damals für den Ryosho-ji gegossen wurde. Seit 1932 gab es mittlerweile vier Äbte des Subtempels; seit 1986 leitet Fukushiro Yodo den Subtempel. Der Tempel ist wie der Haupttempel des Daitoku-ji-Komplexes ein Rinzai-Zen-Tempel. Die Gebäude wurden bis 2011 restauriert.


Struktur der Anlage und Beschreibung
Der Besucher durchschreitet von Osten kommend nacheinander zwei Tore, das Omote-mon (Außentor, eines der ältesten Tore des Daitoku-ji) und nach Passieren der Giebelwand des Kuri (Küchenbau, Showa-zeitlich, mit einer Reihe Zierbogenfenster) das Kara-mon (wörtl. China-Tor). Der unregelmäßig gepflasterte Weg geht mit einem einzigen kleinen Versatz südlich des Kuri gerade nach Westen durch bis zum Kara-mon.

Das aus der Muromachi-zeit stammende Omote-mon ist eine sehr interessante und atypische Konstruktion, denn das Dach ist in Richtung des Durchganges gerade und besitzt einen First in Verlängerung der angrenzenden Außenmauer, ist aber an den seitlichen Stirnseiten geschwungen wie ein Kara-mon.

Das Kara-mon hingegen hat den Karahafu dem Hindurchschreitenden zugewandt. Danach kommt man über einen kurzen, nach Norden abknickenden Gang zum Hojo (Abtsresidenz). Die Rückwand des Tores besitzt ein großes glockenförmiges Fenster mit Durchsichtmöglichkeit auf den Hojo und den davor liegenden Garten. Dieses Architekturmotiv mit dem Fenster hinter dem Eingang ist ein klassisches Element von Zen-Gärten; man kann es auch in Ginkaku-ji, im Kodai-ji, im Kennin-ji und im Ryogen-ji wiederfinden. Es ist ein Eingang, aber kein Durchgang, der Ausblick zeigt das Ziel, macht es aber nicht direkt erreichbar, weckt Hoffnung, erfordert aber weiteres Bemühen. Vom Garten aus sieht das auf Konsolen vorgezogene Fenster wie ein über dem Wasser - für das die geharkte Kiesfläche ja letztlich auch steht - schwebender Pavillon. Dieses Tor war eines der Hauptobjekte der bis 2011 durchgeführten Renovierung, denn es mußte komplett auseinandergenommen und wiederaufgebaut werden und kostete allein im Millionenmaßstab.

Der an das Tor anschließende kurze Gang ist gänzlich zum Garten hin offen. Der im Shoin-Stil errichtete Hojo stammt aus der Muromachi-Zeit und wurde 1533-1552 erbaut. Er ist eines der ältesten erhaltenen Beispiele dieses Bautyps und besitzt innen acht Räume, die mit großen Schiebetüren gegeneinander abgetrennt und mit Tatami-Matten ausgelegt sind. Der zentrale Raum ist der Altarraum (Butsuden) als inneres Heiligtum; angrenzend liegt ein Shitchu als äußeres Heiligtum. Das im Korin-in verehrte Hauptbild (Honzon) ist ein Shaka Nyorai (Buddha Shakyamuni, historischer Buddha), entsprechend lautet der Text auf den am Eingang für 300 Yen erhältlichen Goshuin auch "Shakyamuni Butsu". Zwischen 1975 und 1978 wurde der Hojo komplett restauriert. Beide Tore und der Hojo sind als wichtiges Kulturgut klassifiziert, und die drei genannten Bauwerke sind alle mit Zypressenrinde gedeckt.

Im Hojo wird auch der Gründungsabt Shokei Jofu (Shoukei Joufu) mit einer 1,10 m hohen Statue verehrt, so wie in jedem der Subtempel des Daitoku-ji eine Statue oder ein Bildnis des Gründungspriesters (Kaiso-zo) auf dem Altar zu finden ist. Shokei Jofu sitzt frontal auf einem Abtsstuhl (Kyokuroku) in Meditationshaltung (Kekka fuza). Jofu wurde 1475 in der Provinz Mino geboren. 1525-1528 hatte er die Stellung als leitender Abt des gesamten Daitoku-ji inne. Kaiser Go-Nara verlieh ihm 1532 den Titel Zenji (Zen-Meister). Im Jahre 1533 wurde er zum Gründungsabt des Korin-in bestimmt. Er starb aber bereits drei Jahre später, 1536, und wurde auf dem Gelände des Subtempels begraben; darüber wurde eine kleine Steinpagode errichtet. Die Statue aus Zedernholz besteht aus zwei hohlen Teilen und hat einen abnehmbaren Kopf, in den von innen Augen aus Kristall eingesetzt wurden. Eine weitere Figur im Altarraum stellt Kannon dar, den Bodhisattva des Mitgefühls.

Von der Veranda aus kann man auf dreieinhalb Seiten die Ausblicke auf den rechteckig von einer bedachten Mauer eingefriedeten Garten (Hojo teien) genießen. Die Hauptsehenswürdigkeit dieses Subtempels ist der Karesansui-Garten im Süden und Südwesten des Hojo, der von Kinsaku Nakane angelegt wurde, einem führenden Gartenarchitekten der Showa-Zeit. Eine hohe Hecke verbirgt ein kleines Gebäude im Südwesteck. Der nordwestliche und nördliche Teil des Gartens wird von Ahornen geprägt, unter denen locker Steinlaternen und Felsblöcke arrangiert sind.

Im Nordosteck steht noch das Teehaus Kankyo-tei, über einen abzweigenden Korridor zu erreichen. Das Teehaus (Chashitsu) wurde nach einem Gedicht des Chinesen Su Shi (Sö Tobha) so genannt. Der Name ist ein Widerspruch in sich, voll und leer, eines der typischen Lehr-Rätsel des Zen. Als Trittsteine des Weges dienen ausrangierte Mahlsteine aus der Produktion von Matcha-Tee mit diagonalen Rillen in erster und zweiter Ordnung. Innen wird ein Pfosten von vier (1:3) parallel gelegten Tatamimatten umgeben; seitlich ist ein Regal. Das Layout des Raumes wird Yojodaime genannt. Die Schmucknische Tokonoma ist weit hinten ein einer Verlängerung des Raumes mit einer quergelegten Tatamimatte angeordnet; deshalb wird das auch Höhlen-Tokonoma genannt. Mizuya ist im Vorraum.


Blick vom Omotemon zum Kuri

Weg zum Karamon, rechts Kuri

Gartengenuß im strömenden Regen auf der Engawa des Hojo - touristenarm und stimmungsvoll.

Hojo teien

Karesansui-Garten im Süden und Südwesten des Hojo, von Kinsaku Nakane angelegt.

Teehaus (Chashitsu) Kankyo-tei

Trittsteine im Moos

 

Als Trittsteine des Weges dienen ausrangierte Mahlsteine aus der Produktion von Matcha-Tee mit diagonalen Rillen.

Südostecke des Hojo

 

 


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf Google Maps: https://www.google.de/maps/@35.0425025,135.7454747,19.76z - https://www.google.de/maps/@35.0424778,135.7454593,40m/data=!3m1!1e3
Subtempel Korin-in auf Wikipedia:
https://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%88%88%E8%87%A8%E9%99%A2
Subtempel Korin-in auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report734.html
Subtempel Korin-in auf JPManual:
http://jpmanual.com/en/korinin
Subtempel Korin-in auf Japan-Kyoto:
https://japan-kyoto.de/korinin-subtempel-des-daitokuji-kyoto/
Korin-in bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/north/daitokuji/korin-in/
Garten des Korin-in:
http://www.japanesegardens.jp/gardens/famous/000096.php
Korin-in auf Traditional Kyoto:
http://traditionalkyoto.com/gardens/korin-in/
Gregory P.  A. Levine: Daitokuji - the Visual Cultures of a Zen Monastery, 444 S., University of Washington Press, 2006, ISBN-10: 0295985402, ISBN-13: 978-0295985404, S. 35 ff.,
https://books.google.de/books?id=SYafGw5XMAMC
Korin-in:
http://kyotoshunju.com/?temple=daitokuji-kohrinin
Besucherfaltblatt des Tempels, Informationstafel vor dem Tempel
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto - City of Zen, 144 S., Verlag Tuttle Shokai Inc. 2012, ISBN-10: 4805309784, ISBN-13: 978-4805309780, S. 80-83
Judith Clancy, Ben Simmons: Kyoto Gardens - Masterworks of the Japanese Gardener's Art, 144 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc. 2015, ISBN-10: 4805313218, ISBN-13: 978-4805313213, S. 74-79
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 182-194
John Dougill, Takafumi Kawakami, John Einarsen: Zen Gardens and Temples of Kyoto, Tuttle Pub 2017, ISBN-10: 480531401X, ISBN-13: 978-4805314012, S. 80-91
Handbook of the old Shrines and Temples and their Treasures, hrsg. vom Bureau of Religions, Department of Education, Tokyo, 1920, S. 58-60
Peter Popham, Francesco Venturi: Wooden Temples of Japan, Reihe: Travels to Landmarks, 128 S., Verlag: Tauris Parke, 1. Auflage 1990, ISBN-10: 1850431752, ISBN-13: 978-1850431756, S. 88-100
Gregory P.  A. Levine: Daitokuji - the Visual Cultures of a Zen Monastery, 444 S., University of Washington Press, 2006, ISBN-10: 0295985402, ISBN-13: 978-0295985404


Daitoku-ji, Kyoto, Teil (1): Haupttempel - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (3): Zuiho-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (4): Ryogen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (5): Daisen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (6): Obai-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (7): Koto-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (8): Soken-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (9): Shinju-an - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (10): Juko-in und weitere Subtempel

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