Bernhard Peter
Kyoto, Daitoku-ji (7): Subtempel Koto-in


Lage und Erreichbarkeit
Der Koto-in (Koutou-in) ist ein Subtempel (Tatchu) des Daitoku-ji-Komplexes und liegt weit im Westen des Areals (73-1, Murasakino Daitokujicho, Kita-ku Kyoto-shi, Kyoto, 603-8231, Japan), tief verborgen in einem weitläufigen Wald mit großen Beständen an Riesenbambus. Es ist neben dem Ryusho-ji derjenige Subtempel mit der größten Waldfläche, und von der Grundfläche der Parzelle ist es auch einer der größten Subtempel. Im Norden und im Osten wird das Areal von öffentlichen Wegen begrenzt; im Süden liegt als Nachbar der Gyokurin-ji. Im Westen bilden moderne Wohnbauten einen Puffer zur Straße Imamiya Monzen Dori. Der Zugang zum Tempel liegt im Osten des Areals. Ein von Mauern gesäumter Weg führt nach einem Knick zum Tempeltor, doch der Blick hindurch offenbart nur Wald, denn der eigentliche Tempel liegt rechterhand und wird erst nach einem weiteren Knick des Zuweges erreicht.

Der Subtempel gehörte früher zu den wenigen des Daitoku-ji-Komplexes, die regelmäßig besichtigt werden konnten. Für leidenschaftliche Photographen war der dichte Wald problematisch, weil man kaum vernünftige Außenansichten der Gebäude erhalten kann. Der weiteste Fernblick ist der entlang des Zuweges mit den an einem Tor mit bemoostem Dach zusammenlaufenden Linien der Geländer, der Zäune und des Plattenweges. Umgekehrt war die Hauptbesuchszeit für diesen Tempel die Zeit der bunten Ahorne, im späten November und frühen Dezember katapultierte sich dieser ansonsten eher ruhige Subtempel in die erste Reihe der Besucherziele und wurde in Bezug auf Herbstfärbung der Ahorne einer der schönsten und überfülltesten Orte im Daitoku-ji-Komplex, an dem ganze Horden von Besuchern an die photogensten Stellen drängten. Außerhalb dieser Hochsaison war der Tempel jedoch ruhig und besucherarm. Seit Jahren muß man sich jedoch gedulden; 2017 war er zu, damals hieß es, die Reparaturen der Dächer würden vermutlich bis zum Frühjahr 2019 andauern, aber 2023 war er immer noch geschlossen.


Geschichte und Bedeutung
Der Tempel steht in enger Beziehung zur Familie Hosokawa. Diese leiten sich vom Ashikaga-Clan ab, und über diesen wiederum von den Seiwa Genji, einem Zweig der Minamoto. Hosokawa Yoshisue (1127-1157) nahm als erster den Namen des in der Provinz Mikawa gelegenen Besitzes Hosokawa an. Das Wappen der Familie Hosokawa zeigt einen großen Kreis, kreisförmig umgeben von acht kleinen Kreisen. Ihre wichtigste Burg war Kumamoto auf Kyushu. In der Schlacht von Sekigahara standen sie auf der Seite von Tokugawa Ieyasu, danach erhielten sie mit der Provinz Higo eines der größten und reichsten Lehen des Landes. Die Familie existiert noch heute und stellte 1993-1994 sogar einen Premierminister, Hosokawa Morihiro.

Von dieser Familie gibt es im Koto-in etliche Gräber, darunter auch dasjenige von Hosokawa Tadaoki (28.11.1563-18.1.1646), der für alle drei Reichseiniger kämpfte, und dasjenige seiner Frau Tomo (1563-1600), die eine Tochter des Verräters Akechi Mitsuhide war, der 1582 Oda Nobunaga auf dem Gewissen hat. Hosokawa Tadaoki, ältester Sohn von Daimyo Hosokawa Fujitaka und dessen Frau Numata Jako, bekam 1580 die Provinz Tango als Lehen. Nach dem Verrat an seinem Dienstherrn suchte Akechi Mitsuhide bei der Familie seiner Tochter Hilfe, das wurde ihm aber verweigert. Hosokawa Tadaoki nahm an zahlreichen Kämpfen unter Toyotomi Hideyoshi (1537-1598) teil, auch in Korea. Seine Frau wurde Christin, hieß fortan Gracia (jap.: Garasha), geriet als Geisel auf Burg Osaka in die Hände von Ishida Mitsunari und wählte daraufhin den Freitod, was ihren Ehemann endgültig auf die Seite von Tokugawa Ieyasu (1543-1616) trieb, mit dem er eigentlich bereits seit 1590 befreundet war. Hosokawa Tadaoki befehligte in der Schlacht von Sekigahara erfolgreich 5000 Mann und bekam nach dem Sieg zum Dank das Lehen Buzen im nördlichen Kyushu. Danach nahm er noch an der Belagerung von Osaka teil. Das eigentliche Wunder seines Lebenslaufes ist es, daß er tatsächlich alle drei Reichseiniger gekannt hat, unter ihnen in exponierter Führungsstellung gedient hat und diese wilde und blutige Zeit dennoch lebendig überstanden hat.

Hosokawa Tadaoki war auch der Gründer dieses Subtempels im Jahre 1601/1602, kurz vor Errichtung des Tokugawa-Shogunats. Der Gründungspriester (Kaisan) war sein Onkel Gyokuho Joso. 1621 zog Hosokawa Tadaoki sich vom öffentlichen Leben zurück. In den späteren Lebensjahren studierte der äußerst gebildete und kultivierte Krieger Tadaoki Zen unter Abt Seigan vom Daitoku-ji. Er wurde selbst Priester und nahm den Namen Sansai an. Tadaoki war außerdem einer der sieben Schüler des Tee-Meisters Sen-no Rikyu und war selbst ein Meister der Teezeremonie. Ihr Verhältnis war sehr eng, das wird z. B. daran deutlich, daß er einen seiner eigenen Vasallen als Kaishaku ("Sekundant", also der, der schlußendlich mit dem Schwert den Kopf abschlägt, wenn der Todesschmerz unerträglich wird) schickte, als Sen-no Rikyu auf Befehl von Toyotomi Hideyoshi Seppuku begehen mußte. Tadaoki nahm Rikyus Sohn Doan unter seine Fittiche. Tadaokis Sohn Tadatoshi folgte ihm nach und bekam 1632 das riesige Lehen Higo mit Kumamoto, wo die Familie bis 1871 saß.

Genau wie der Haupttempel gehört der Koto-in der Rinzai-Schule des Zen-Buddhismus an. Das Hauptbild des Tempels ist ein Buddha Shakyamuni (Shaka Nyorai). Das Goshuin des Tempels trägt als Schriftzug den Eigennamen "Koto-in".


Struktur der Anlage und Beschreibung
Wenn man das äußere Tor (Omote-mon) passiert hat, führt der von Bambusgeländern begleitete Plattenweg (Sando) nur ein kurzes Stück nach Süden, um dann nach Westen abzuknicken. Dichte Moospolster begleiten beiderseits den Weg, und jenseits erhebt sich unmittelbar der Wald mit viel Bambus. Nördlich des Weges liegt der Küchenbau, der Kuri, als separate bauliche Einheit. Der Kuri dient als Eingangsbau des Tempels, und hier erst findet der Besucher die Kasse. Der berühmte lange Weg im dichten Wald ist also noch kostenlos zugänglich. Eine Abzweigung des weiter nach Westen führenden Weges führt kurz vor dem bemoosten Tor rechterhand nach Norden zu einem Tor, hinter dem das Teehaus Shoko-ken liegt, das der Besucher aber vom Kuri aus erreicht.

Geradeaus aber erreicht man die Haupthalle (Hondo) über einen gedeckten, mehrfach abgewinkelten Gang. Der Hondo wird in diesem Subtempel auch Kyaku-den genannt, Empfangsgebäude. Der Hondo stammt aus der Meiji-Zeit und ist eine Rekonstruktion, weil der Vorgängerbau während der Haibutsu-kishaku (Bewegung zur Abschaffung des Buddhismus) unrettbar beschädigt wurde. Auch hier prägen nicht elaborierte künstlerische Gartengestaltungen das Bild, sondern die Abgeschiedenheit einer schlichten Waldlichtung, denn von der Veranda des Hondo aus blickt man nach Süden über eine zusammenhängende Moosfläche direkt auf den mit einer Kamakura-zeitlichen Steinlaterne geschmückten Waldrand. Dieser Garten wird Ahorngarten (Kaede-no-niwa) genannt, weil diese einen lockeren Übergang zum dichten Wald bilden. Im Sommer sind sie unauffällig, im Herbst zur Zeit des Momiji prägend. Im Hondo befindet sich im Nordwesten der Tee-Raum Horai (Hourai), dessen Gestaltung auf das 13. Oberhaupt der Urasenke-Teeschule zurückgeht, auf Ennosai Tetchu (1872-1924). Es besitzt einen Nijiriguchi, einen Kriech-Eingang, der zum einen zum Ablegen der Schwerter zwingen soll, andererseits symbolisch demütig machen soll. Im angrenzenden Teegarten vor diesem Teezimmer befindet sich ein bemerkenswertes Handwaschbecken (Tsukubai). Es ist kreisrund mit einem erhabenen Rand um die kreisrunde Öffnung. Dieses Furi-tsukubai oder Ori-tsukubai soll einst eine Säulenbasis aus einer koreanischen kaiserlichen Residenz gewesen sein und während des Korea-Feldzuges von Toyotomi Hideyoshi von dessen Anführer und Daimyo Kato Kiyomasa (1561-1611) mitgebracht worden sein, der es wiederum Hosokawa Tadaoki zum Geschenk machte. Dieses Becken wirkt am schönsten im Herbst, wenn rote und gelbe Ahornblätter hineingefallen sind und mit dem leuchtend grünen Moos auf dem Rand wunderschöne Farbakkorde zaubert.

Westlich der Haupthalle sind die Gräber von Hosokawa Tadaoki (separat und mit einer elaborierten großen Steinlaterne, die ihm Sen-no Rikyu hinterlassen hat, Rückseite absichtlich von letzterem beschädigt, damit nicht Toyotomi Hideyoshi sie sich unter den Nagel reißt, weil sie so außergewöhnlich schon ist) und seiner Frau Gracia zu finden, dazu weitere Familiengräber in einer zweireihigen Gruppe. Weitere Gräber gehören zu Persönlichkeiten des Kabuki-Theaters, Nagoya Samzaburo und Izumo-no-Okuni.

Nördlich der Haupthalle liegt ein Komplex, zu dem auch der Shoin Ihoku-ken gehört. Innen ist der Shoin-Stil mit Tokonoma (Zimmernische für Schmuck, Kunst oder Blumen) und Chigaidana (höhenversetzte Regalbretter in einer Nische) präsent. Bei diesem Gebäude handelt es sich ursprünglich um ein Gebäude aus der Residenz von Sen-no Rikyu (1522-1591). Daß das ein wunderschönes Gebäude ist und außerdem die Erinnerung an den großen Teemeister wachhält, fand auch der Gründungsabt des Koto-in. Denn als sich abzeichnete, daß es zum Zerwürfnis zwischen Sen-no Rikyu und Toyotomi Hideyoshi kam, ließ er dieses Gebäude buchstäblich aus der Schußlinie bringen und hier aufstellen, damit es nicht in irgendeinem Wutanfall des Machthabers zerstört wird. Es ist ihm so gelungen, das Gebäude zu retten. Der Tempelgründer Sansai (= buddhistischer Name von Tadaoki) aus der Hosokawa-Familie ließ den Tee-Raum Shoko-ken (Shoukou-ken) errichten, das man am Ende des Shoin erreicht. Auch wenn im Laufe der Zeit viele Bauteile ausgetauscht werden mußten, ist doch der unregelmäßig geformte Tokobashira noch original, ein etwas krummer Kiefernstamm, der als vertikaler Abschluß mit einem oberhalben Wandelement verbunden ist, das in den Raum ragt. Der Shoko-ken ist ein Nijodaime, ein Raum von der Größe von 2 und 3/4 Tatami-Matten, und ein Sukiya-Teehaus. Es wurde zur Erinnerung an seinen Vater erbaut, Hosokawa Yusai (1534-1610). Hosokawa Tadaoki gestaltete mehrere Teehäuser, aber dieses ist das einzige noch existierende von seiner Hand. Vom Stil her orientiert sich dieses Teehaus streng am Geschmack seines Lehrmeisters Sen-no Rikyu.



Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/@35.043139,135.7433678,20z - https://www.google.de/maps/@35.0431296,135.7435322,110m/data=!3m1!1e3
Subtempel Koto-in auf JPManual:
http://jpmanual.com/en/kotoin
Subtempel Koto-in bei Christian Kaden auf Japan-Kyoto:
https://japan-kyoto.de/kotoin-subtempel-daitokuji-kyoto/
Subtempel Koto-in auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report629.html
Subtempel Koto-in auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/K%C5%8Dt%C5%8D-in
Subtempel Koto-in auf Inside Kyoto:
https://www.insidekyoto.com/koto-subtemple
Subtempel Koto-in auf Japan Hoppers:
https://www.japanhoppers.com/de/kansai/kyoto/kanko/543/
Subtempel Koto-in auf Japan Guide:
https://www.japan-guide.com/e/e3910.html
Subtempel Koto-in bei Damien Douxchamps:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/north/daitokuji/koto-in/
Subtempel Koto-in auf Traditional Kyoto:
http://traditionalkyoto.com/gardens/koto-in/
Subtempel Koto-in auf Japan Travel:
https://en.japantravel.com/kyoto/koto-in-a-daitoku-ji-inner-temple/16527
Subtempel Koto-in:
https://kanko.city.kyoto.lg.jp/detail.php?InforKindCode=1&ManageCode=1000062
Hosokawa-Clan:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hosokawa_clan - https://de.wikipedia.org/wiki/Hosokawa_(Klan)
Hosokawa Tadaoki:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hosokawa_Tadaoki
Daisen-in, including all the Gardens and Tea Houses of Daitoku-ji, vom Tempel herausgegebene Publikation aus Anlaß des 500. Gründungsjahres (2047 buddh. Zeitrechnung), S. 41
Akihiko Seki, Thomas Daniell: Houses and Gardens of Kyoto, 224 S., Verlag: Tuttle Shokai Inc.  2010, ISBN-10: 480531091X, ISBN-13: 978-4805310915, S. 200-205
John Dougill, Takafumi Kawakami, John Einarsen: Zen Gardens and Temples of Kyoto, Tuttle Pub 2017, ISBN-10: 480531401X, ISBN-13: 978-4805314012, S. 90-91
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 190-191


Daitoku-ji, Kyoto, Teil (1): Haupttempel - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (2): Korin-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (3): Zuiho-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (4): Ryogen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (5): Daisen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (6): Obai-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (8): Soken-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (9): Shinju-an - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (10): Juko-in und weitere Subtempel

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