Bernhard Peter
Kyoto, Daitoku-ji (8): Subtempel Soken-in


Lage und Erreichbarkeit
Der Soken-in (Souken-in) ist ein Subtempel (Tatchu) des Daitoku-ji-Komplexes und liegt in der Mitte der Nordhälfte des Areals (59, Murasakino Daitokujicho, Kita-ku, Kyoto-shi, Kyoto, 603-8231 Japan). Der Zugang erfolgt vom zentralen West-Ost-Weg, der von der Imamiya Monzen Dori bis zu den Großbauten des Haupttempels reicht. Die östlichen Nachbarn des Soken-in sind der Nyoi-an und der Juko-in (Jukou-in). Im Westen reicht ein ausgedehntes Gräberfeld bis an die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Seitenstraße Funaoka-higashi Dori. Dieses sollte nicht übergangen werden, denn hier befinden sich die Gräber der für die japanische Geschichte so wichtigen Familie Oda. Der Eingang zum Soken-in befindet sich gleich links neben dem außerhalb der Lehmmauer in den öffentlichen Bereich gesetzten Glockenturm.

Der Tempel ist nicht regelmäßig für Publikumsverkehr geöffnet, sondern nur im Rahmen von Sonderöffnungszeiten, 2018 an den Wochenenden und Feiertagen von März bis Mai und 8.10-9.12.2018. Auch wenn viele Gebäude, die Haupthalle, die drei Teehäuser etc. aus dem 20. Jh. stammen und man die beiden einzigen historischen Gebäude, Tor und Glockenturm, im Grunde schon von außen gesehen hat, gibt es doch einige Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten, wegen der der Besuch lohnt, wenn man Gelegenheit dazu hat. Es ist zum einen der Bezug zu bedeutenden historischen Persönlichkeiten, zum zweiten eine hervorragende Skulptur und zum dritten der Schwerpunkt auf der Teekultur, was diesen ansonsten kunstgeschichtlich eher unauffälligen Tempel sehenswert macht. Auf dem Gelände ist Photographieren erlaubt, im Hondo nicht. Im Hondo werden halbstündige Führungen und Erläuterungen zur Geschichte angeboten, aber nur auf japanisch.


Geschichte und Bedeutung
Der Soken-in ist mit zwei der drei großen Reichseiniger eng verbunden: Er wurde von Toyotomi Hideyoshi gegründet, um hier in einem Memorialtempel das Andenken von Oda Nobunaga (1534-1582) zu pflegen, der am 21.6.1582 im Honno-ji no Hen (Vorfall am Tempel Honno-ji) nach dem Verrat seines Generals Akechi Mitsuhide ums Leben gekommen war. Wie üblich bei seinen Aufenthalten in der Hauptstadt stieg Oda Nobunaga in Kyoto im Tempel Honno-ji ab und war unvorbereitet auf das, was nun folgte: Akechi Mitsuhide führte sein Heer in die Hauptstadt, nichts Ungewöhnliches, aber auf einmal offenbarte er seine wahren Absichten und ließ den Tempel belagern und erstürmen. Gegen die überwältigende Überzahl hatte Oda Nobunaga keine Chance: Er ließ den Tempel anzünden und beging Seppuku; seine Überreste wurden nie gefunden. 100 Tage nach seinem Tod ließ sein Weggefährte und Nachfolger, Toyotomi Hideyoshi, auf dem Gelände des Daitoku-ji ein großes Begräbnis ausrichten. Im Soken-in, der aus Anlaß des ersten Jahrgedächtnisses erbaut wurde, wird sein Andenken gepflegt, aber seine sterblichen Überreste sind hier nicht. Was tun, wenn man ein Grab braucht, aber der Leichnam fehlt? Toyotomi Hideyoshi ließ zwei hölzerne Statuen seines Vorgängers herstellen. Die eine wurde verbrannt und begraben, die andere im Tempel aufgestellt. Diese ist das Hauptbild des Tempels und ist als wichtiges Kulturgut eingestuft. Der Tempelname "Soken-in" ist dem buddhistischen Totennamen von Oda Nobunaga entlehnt. Der Tempel ist daher eine Gründung aus der Azuchi-Momoyama-Zeit aus dem Jahr 1583. Bei seiner Gründung wurde der Tempel mit 300 Koku zum Unterhalt ausgestattet. Auch der älteste Sohn, Oda Nobutada, beging Seppuku. Die enge Verbindung mit der Oda-Familie sieht man auch daran, daß auf den Papierlaternen das Ka-mon der Familie aufgedruckt ist, die Melonenblüte. 1585 fand hier auf diesem Gelände eine große von Toyotomi Hideyoshi veranstaltete Teezusammenkunft statt. Auch dessen Ka-mon, der Paulownien-Blütenstand, sieht man im Tempel, z. B. als flächendeckendes Muster auf Schiebetüren (Fusuma).

Der religiöse Gründer des Subtempels, also der Gründungsabt, war Kokei Sochin (1532-7.1.1597), ein Mitglied der Familie Asakura, ein Zen-Meister und Dichter sowie Abt des Daitoku-ji, zudem ein enger Vertrauter des Teemeisters Sen no Rikyu und sein Lehrmeister. Wegen der engen Beziehung zur Entwicklung des japanischen Tee-Weges gibt es im Subtempel auch insgesamt drei Teehäuser. In der frühen Meiji-Zeit wurde der Subtempel in der Zeit des Haibutsu-kishaku (Bewegung zur Abschaffung des Buddhismus) vernachlässigt und verfiel. Seine Kunstwerke wurden anderweitig untergebracht, teilweise im Haupttempel, aber auch etliche Schätze gingen unwiederbringlich verloren. Die Gebäude wurden größtenteils zerstört. Erst 1923-1926 wurde der Tempel wiederhergestellt und bekam neue Gebäude. Das Hauptbild kehrte erst 1961 in den Tempel zurück; Anlaß war das 380ste Jahrgedächtnis von Oda Nobunagas Tod. Genau wie der Haupttempel gehört der Soken-in der Rinzai-Schule des Zen-Buddhismus an. Das Goshuin des Tempels trägt als Schriftzug das Wort "Semui", das die Gnade der Bodhisattva bezeichnet.


Struktur der Anlage und Beschreibung
Im Süden gibt in der Abschlußmauer das noch aus der Azuchi-Momoyama-Zeit stammende und 1583 erbaute Vordertor mit seiner geschwungenen Dachlinie Zugang zum Tempelbereich. Es ist eines der Originalgebäude des Tempels aus der Gründungszeit. Rechts neben diesem steht außerhalb der Tempelmauer noch im öffentlichen Bereich der als wichtiges Kulturgut klassifizierte Shoro (Glockenturm). Dieser ist ebenfalls gründungszeitlich und wurde mit einer Spende von Hori Hidemasa (1553-1590, auch: Hori Kyutaro) errichtet, der ein Samurai, Daimyo und General in Diensten von Oda Nobunaga und später Toyotomi Hideyoshi war. Der weiß verputzte Sockel ist nach allen Seiten stark geböscht und trägt einen hölzernen Aufbau mit Galerie und weit ausladendem Irimoya-Dach.

Im Vorfeld vor Erreichen des Hauptgebäudes sieht man zur Linken einen besonders alten Kamelienstrauch, die Camellia wabisuke, der ein Alter von 400 Jahren nachgesagt wird und die als älteste Kamelie dieses Typs in Japan gilt. Zur Rechten sieht man eine Grabstätte, die Chasen-zuka. Dieses Begräbnis (zuka) ist jedoch nicht für Menschen: Ein Chasen ist ein Teebesen zum Aufrühren von Matcha-Pulver in der Teetasse, und auch diese segnen einmal das Zeitliche - hier sind tatsächlich gebrauchte Teebesen beerdigt. Sehenswert ist ferner ein Artesischer Brunnen mit einem aus einem einzigen Block gehauenen Schachtabschlußstein, der von Daimyo Kato Kiyomasa (1562-1611) nach dem Imjin-Krieg aus Korea mitgebracht worden sein soll. Man gelangt zum Brunnen in gerader Linie vom Eingangstor aus.

Der verschachtelte Gebäudekomplex hat seine an dreieinhalb Seiten freistehende Haupthalle (Hondo) im Südwesten, das höchste Gebäude des Tempels. Auf der 7 Interkolumnien breiten Vorderseite sind mittig drei Doppelschiebetüren nebeneinander angeordnet, beiderseits 2 Interkolumnien übrig lassend. Das gegenwärtige Gebäude wurde 1923 errichtet und enthält im Inneren die gründungszeitliche hölzerne, lackierte Statue des sitzenden Oda Nobunaga (wichtiges Kulturgut), im Schneidersitz mit voluminösem, breit nach außen ausladendem Gewand, mit eingelegten Augen und Inschrift am Sockel.

Parallel im Norden befindet sich der Teeraum Ko-un-ken, in einer Gestaltung, die besonders von Sokuchusai (Sokujusai, 1901-1979) geschätzt wurde, dem Meister der 13. Generation der Omotesenke-Teeschule. Das ist sein buddhistischer Name, bürgerlich hieß er Mujin Sousa. Ein zweiter Tee-Raum folgt weiter im Norden, Ho-an genannt, in einem Stil, der besonders von Jimyosai geschätzt wurde, dem 1938 geborenen Meister der 14. Generation der Omotesenke. Beide Tee-Räume stammen aus neuerer Zeit. Noch weiter nördlich steht ein isoliertes Gebäude, das ist der dritte Tee-Raum mit dem Namen Juan oder Juan-seki, das 1934 mit einer Spende des Textilhändlers Yamaguchi Gendo (1863-1937) erbaut wurde. Der Stifter gilt in der Region als König der Spender, denn er hat auch Krankenhäuser für Bedürftige in Osaka etc. gestiftet und diverse Tempel bedacht. Dieses sehr stimmungsvolle Teehaus zeichnet sich durch die feinen monochromen Malereien auf warmtonigen Untergrund mit Bambus, Kalligraphien und Landschaften auf den Schiebetüren aus. Dieses dritte Teehaus ist mit einem langen, an der Ostseite des Areals verlaufenden Korridor über eine kurze Abzweigung mit dem Hondo verbunden. Daß in diesem Subtempel die Teekultur so prominent gepflegt wird, liegt an den drei mit diesem Tempel eng verbundenen Persönlichkeiten: Oda Nobunaga hatte selbst großes Interesse am Teeweg und war ein begeisterter Sammler von Tee-Utensilien, und auch Toyotomi Hideyoshi ist als Veranstalter von Teezusammenkünften bekannt, bei denen er auch selber hier im Soken-in Tee zubereitete und kredenzte. Und der Gründungsabt hatte ebenfalls einen starken Bezug zum Tee-Weg.

Im Westen liegt ein großer Friedhofsbereich, weitgehend modern bestückt und uninteressant, doch weiter hinten befinden sich nahe einer Abschlußmauer größere Gräber der Familie Oda mit mehreren Gorin-to auf einem langgestreckten Steinpodest mit einer Reihe Steinlaternen davor, so daß der Soken-in quasi der Familientempel der Familie Oda ist. Das dritte Grab der Reihe von links, mit dem etwas größeren Gorin-to, ist dasjenige für Oda Nobunaga, also die oben erwähnte Asche.


Dieser Glockenturm steht außerhalb der Umfassungsmauer.


Literatur, Links und Quellen:
Lokalisierung auf google maps: https://www.google.de/maps/dir///@35.044073,135.7448642,19.55z - https://www.google.de/maps/dir///@35.0440371,135.7447792,86m/data=!3m1!1e3
Soken-in:
http://kyotoshunju.com/?temple-en=daitoku-ji-soken-in-temple
Oda Nobunaga:
https://de.wikipedia.org/wiki/Oda_Nobunaga - https://en.wikipedia.org/wiki/Oda_Nobunaga
Oda Nobunaga auf Samurai Archives:
http://www.samurai-archives.com/nobunaga.html
Omotesenke:
https://en.wikipedia.org/wiki/Omotesenke
Subtempel Soken-in bei Christian Kaden auf Japan-Kyoto:
https://japan-kyoto.de/sokenin-subtempel-des-daitokuji-kyoto/
Subtempel Soken-in auf Wikipedia:
https://en.wikipedia.org/wiki/S%C5%8Dken-in
Subtempel Soken-in auf Kyotofukoh:
https://kyotofukoh.jp/report733.html
Subtempel Soken-in auf JPManual:
http://jpmanual.com/en/sokenin
Soken-in:
http://kyotoshunju.com/?temple=daitokuji-sokenin
Honno-ji-Ereignis:
https://en.wikipedia.org/wiki/Honn%C5%8D-ji_Incident
Hori Hidemasa:
https://en.wikipedia.org/wiki/Hori_Hidemasa
Teeräume und Teezeremonie:
https://im-tee-raume.zenwort.de/zw2_htm/zw2_tee.html
Soken-in bei Damien Douxchamp:
https://damien.douxchamps.net/photo/japan/kansai/kyoto/north/daitokuji/soken-in/
Sumiko Kajiyama: Cool Japan, a guide to Tokyo, Kyoto, Tohoku and japanese culture past and present, Museyon Inc., ISBN 978-1-938450976
Auf Inside Kyoto:
https://www.insidekyoto.com/exploring-daitoku-ji
Daisen-in, including all the Gardens and Tea Houses of Daitoku-ji, vom Tempel herausgegebene Publikation aus Anlaß des 500. Gründungsjahres (2047 buddh. Zeitrechnung), S. 45
John H. Martin, Phyllis G. Martin: Kyoto - 29 Walks in Japan's Ancient Capital, 376 S., Verlag: Tuttle Pub. 2011, ISBN-10: 4805309180, ISBN-13: 978-4805309186, S. 189


Daitoku-ji, Kyoto, Teil (1): Haupttempel - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (2): Korin-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (3): Zuiho-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (4): Ryogen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (5): Daisen-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (6): Obai-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (7): Koto-in - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (9): Shinju-an - Daitoku-ji, Kyoto, Teil (10): Juko-in und weitere Subtempel

Andere Artikel über Japan lesen
Andere Länder-Essays lesen
Home

© Copyright bzw. Urheberrecht an Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2018 und 2024, Photos 2017 und 2023
Impressum