Bernhard Peter
Shah-i Sinda - eine Straße voller Mausoleen in Samarqand

Bei dem Shah-i Sinda-Komplex in Samarqand handelt es sich um eine timuridische Gräberstraße außerhalb der alten Stadt in Afrasiab, deren erste Bauten auf Timurs Zeit zurückgehen, und die unter seinen Nachfolgern mit immer weiteren Bauten ergänzt wurde, so daß man auf engem Raum die Entwicklung der Grabbauten in der Zeit des 14.-15. Jh. hervorragend studieren kann.

Aber nicht nur wegen der Architekturform, sondern vor allem wegen des Bauschmucks ist der Komplex ein Kleinod – es ist ein einziges Majolika-Museum. Als Majolika bezeichnet man ein Fassadenelement aus gebranntem Ton oder gewöhnlichem Steingut, das mit einer deckenden weißen Zinnglasur überzogen ist. Anschließend mit leuchtenden Farben bemalt, kann derart aufwendig hergestellte Keramik Jahrhunderte überdauern, ohne daß der Glanz der Farben leidet.

Legenden und Mythen
Der gesamte Komplex ist insgesamt einer der Höhepunkt der islamischen Baukunst in Mittelasien. Der Name der Gräberstraße bedeutet wörtlich „der lebende Shah“. Das geht auf ein sehr altes Grab zurück, das des Qussam ibn Abbas ibn Abd-ul Muttalib. Der Legende nach war es ein Cousin des Propheten Muhammad, der ein Heer zur Bekehrung der Sogdier anführte und vernichtend geschlagen wurde, worauf er sich auf der Flucht in einer Höhle der Hügel von Afrasiab verbarg. Eine andere Variante berichtet, ihm sei von den Ungläubigen der Kopf abgeschlagen worden. Weitere Legenden besagen, er sei nicht wirklich gestorben, sondern lebe in einem unterirdischen Raum, daher der Name „lebendiger Shah“. Tatsächlich war Qussam ibn Abbas ibn Abd-ul Muttalib nie in Samarqand. Timur, der sich als ehrgeiziger Emporkömmling gerne symbolisch Legitimation seiner Herrschaft verschaffte, nahm die Legende gerne zum Anlaß, gerade diese Hügel als Begräbnisstätte für Freunde und Angehörige auszuwählen, stellte ihn das doch in eine Tradition mit den Gefährten und Vertrauten des Propheten, was sich trefflich mit seinem Führungsanspruch über die islamische Welt verbinden ließ. Außerdem ist es islamische Tradition, daß ein guter Friedhof sein eigenes Heiligengrab hat.

Beschreibung der Anlage
Ein schmaler Weg führt durch die Anlage über den Hügel, durch insgesamt drei Tore unterbrochen. Alle drei Toranlagen bestehen aus doppelten offenen Bögen in Laufrichtung, die unterste und die oberste Toranlage sind echte Tschortak: Eine Anlage mit insgesamt vier Bögen, wovon jeweils zwei den Weg zu den Seiten weg in Räume freigeben, also eine rechteckige Rahmung einer Wegkreuzung mit 4 Bögen. Zwischen dem ersten und dem zweiten Tor geht es auf einer langen Freitreppe über den einstigen Stadtgraben von Afrasiab steil den Hügel hinauf. Die erhaltenen Monumente sind in drei Hauptgruppen angeordnet, Spuren vieler weiterer sind ausgegraben worden. Die ältesten Monumente stehen im obersten, nördlichsten Teil der Anlage, die jüngsten im südlichsten. Das liegt daran, daß dieser Hügel von Afrasiab eine lange Besiedlungstradition hatte, und wir eigentlich von Süd nach Nord in das alte Afrasiab hineingehen, nicht hinaus. Entsprechend wurden die späteren Monumente „weiter draußen“ errichtet. Gemischte Photogalerie 1 - 2 - 3

Im folgenden liste ich zur besseren Unterscheidung auch die Numerierung von Pander in seinem Standardwerk, das hoffentlich jeder Kunstinteressierte mit auf die Reise nach Usbekistan nimmt, um einerseits seine hervorragende und wegweisende Arbeit zu honorieren und um andererseits keine zusätzliche Verwirrung durch ein eigenes Zählsystem zu stiften.

Qussam ibn Abbas Mausoleum und Qussam ibn Abbas Masdschid
Andere Namen: Qusam ibn Abbas Mausoleum, Kusam ibn Abbas Mausoleum, im "Pander": Nr. 13 im Grundriß
Erbauungszeit Mausoleum 14. Jh., Moschee ca. 1460,
Details und Photos

Shah Arab Mausoleum
Andere Namen: Mausoleum von 1361, Qutluq Aqa-Mausoleum, im "Pander": Nr. 15 im Grundriß
Erbauungszeit 1361,
Details und Photos - noch mehr Photos

Khodja Ahmad Mausoleum
Andere Namen: Khwaja Ahmed Mausoleum, Khuja Ahmad Mausoleum, Hodscha Ahmad Mausoeum, im "Pander": Nr. 17 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1360,
Details und Photos - noch mehr Photos

Shad-i Mulk Aqa Mausoleum
Andere Namen: Turkan Aqa, Shadi Mulk Aka, Shadi Mulk Agha Mausoleum, im "Pander": Nr. 8 im Grundriß
Erbauungszeit 1371-1383,
Details und Photos

Amir Hussein ibn Tughluq Tekin Mausoleum
Andere Namen: Amir Husayn, Tughlu Takin, Emir Hussein, Tuglu-Tekin Mausoleum, im "Pander": Nr. 7 im Grundriß
Erbauungszeit 1376,
Details und Photos - noch mehr Photos

Amir Burunduq Mausoleum
Andere Namen: Amir Burunduk, im "Pander": Nr. 14 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1390, ca. 1420,
Details und Photos

Shirin Bika Aqa Mausoleum
Andere Namen: Shirin Beg Agha Mausoleum, Shirin Biqa Aqa Mausoleum, Shirin Bika Aka Mausoleum, im "Pander": Nr. 9 im Grundriß
Erbauungszeit 1385-1386,
Details und Photos

sog. „Ustad Alim“-Mausoleum
Andere Namen: Mausoleum eines Unbekannten I, Ustad Ali Mausoleum, Usto Ali Mausoleum, Ustad Nasif Mausoleum, im "Pander": Nr. 10 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1385,
Details und Photos - mehr Photos - noch mehr Photos

sog. „Ulugh Sultan Begum“-Mausoleum
Andere Namen: Mausoleum eines Unbekannten II, Ulug Sultan Begum Mausoleum, im "Pander" Nr. 12 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1385,
Details und Photos

Sog. Amirzadeh Mausoleum
Andere Namen: Amir Zadeh Mausoleum, Amirzadah Mausoleum, wörtl. „Sohn des Amirs“, im "Pander" Nr. 6 im Grundriß
Erbauungszeit 1386 (eine Inschrift nennt den Shawwal 788 als Datum des Baus),
Details und Photos

Tuman Aqa Mausoleum und Tuman Aqa Masdschid
Andere Namen: Tuman Agha -Komplex, Tuman Aka-Komplex, im "Pander" Nr. 16 im Grundriß
Erbauungszeit 1404-1406,
Details und Photos - mehr Photos - noch mehr Photos

Abd-ul-Aziz Dargah
Andere Namen: Dargah Abd al-Aziz
Erbauungszeit 1434-1436
Der Torbau, durch den man heute die Anlage betritt, nennt zwar Abdul-Aziz Bahadur als Auftraggeber, doch in Wirklichkeit war es dessen Vater, nämlich Ulugh Beg. Ein Portal von gewaltigen Ausmaßen (13.2 m breit, 14m hoch, Nische 6 m breit) mit relativ kleiner Einganstür, rechts und links der Nische Blendbögen-Kolummnen und vertikal verlaufende Schriftfriese, gibt Zutritt zum ersten Tschortak. Eine zwölfeckige Kuppel ruht auf einer Stellung von vier Bögen. Noch zwei ähnliche Tschortaks teilen die Gräberstraße in weitere Abschnitte ein, wovon das letzte auch mit keramischen Elementen verziert ist..

sog. Qazizadeh Rumi-Mausoleum
Andere Namen: Qazizadeh Rumi Mausoleum, Mausoleum eines Unbekannten III, Kazizadeh Rumi Mausoleum, Mausoleum Kady-Sade Rumi, Doppelkuppel-Mausoleum, im "Pander" Nr. 4 im Grundriß
Erbauungszeit ca. 1420 oder 1435 (spät-timuridisch),
Details und Photos

Achteckiges Mausoleum
Erbauungszeit 1. Hälfte des 15. Jh., im "Pander" Nr. 11 im Grundriß, Details und Photos

Madrasa des Daulat-Kush-Beki
Rechterhand liegt nach Durchschreiten des Eingangs-Tschortak eine Madrasa oder ein Rasthaus aus dem Jahr 1813. Um einen Innenhof von ca. 7 m Kantenlänge sind einfachste kleine Kammern gruppiert. Hinter dem Gebäude befand sich einst ein Badehaus, von dem nichts mehr zu sehen ist. Die Funktion kann die einer Madrasa oder die einer Karawansaray oder eines Rasthauses gewesen sein.

Wintermoschee:
Eine schmucklose Moschee aus dem 19. Jh. gleich linkerhand vom Eingangs-Tschortak. Die Wintermoschee ist wieder mit grünen Teppichen ausgelegt und als Moschee in Benutzung.

Sommermoschee:
Eine ca. 10 m lange offene Bethalle aus dem Jahre 1910. im unmittelbaren Anschluß an den Eingangs-Tschortak nördlich der Wintermoschee linkerhand des Hauptweges, auf den hin sie sich mit einer Säulenreihe öffnet. Der Erbauer ist Ustad (Usto) Sadiq, ein Architekt aus Samarqand.

Photos Shahisinda 1 - 2 - 3 - 4 - 5 - 6 - 7 - 8 - 9 - 10 - 11 - 12 - 13 -
14 - 15 - 16 - 17 - 18 - 19 - 20 - 21 - 22 - 23
Andere Essays über usbekische Architektur lesen -  Samarqand
Andere Essays über Usbekistan lesen - Literatur
Andere Länderessays lesen
Home

© Copyright Text, Graphik und Photos: Bernhard Peter 2006
Impressum